Gesetz unterzeichnet Steinmeier macht Weg für Wahlrechtsreform frei

Berlin · Die umstrittene Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags kann in Kraft treten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Gesetz hierzu am Donnerstag unterzeichnet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Archivbild).

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Archivbild).

Foto: dpa/Patrick Pleul

Das teilte das Bundespräsidialamt in Berlin mit. Da der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts nach dem Grundgesetz frei sei, habe Steinmeier keinen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt für die Überprüfung des neuen Rechts gehabt, hieß es. Das Gesetz muss nun nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Es steht bereits fest, dass es vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden wird.

Die CSU-geführte Landesregierung Bayerns hat schon beschlossen, zu klagen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will mit einer abstrakten Normenkontrollklage die Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Die Union, aber auch die Linke fühlt sich durch die Reform benachteiligt und hält diese für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Der SPD-Obmann in der Wahlrechtskommission, Sebastian Hartmann, hat die Kritik am Gesetz zurückgewiesen. „Ich bedaure, genau wie der Bundespräsident, dass es bei der Wahlrechtsreform keine breitere parlamentarische Mehrheit gegeben hat. Im Vergleich zu vorherigen Wahlrechtsreformen, die im vergangenen Jahrzehnt stets nur mit Regierungsmehrheit beschlossen wurden, gab es in diesem Anlauf viele Versuche der Ampel-Fraktionen, auf allen Ebenen mehrfach auf die große Oppositionsfraktion Union zuzugehen“, sagte Hartmann unserer Redaktion. „Wir waren immer dialogbereit und haben vor der Verabschiedung im Parlament noch Änderungen im Sinne der Unionsparteien aufgenommen.“ Zu nennen sei die Kritik an der Grundmandatsklausel, die Stimmbezeichnung als auch die Idee der Disparität zwischen Wahlkreis- und Listenmandaten. „Insofern sollten sich vor allem CDU und CSU fragen, warum sie bei einem so wichtigen Thema eine breite parlamentarische Mehrheit blockiert haben“, sagte Hartmann. „Hervorzuheben ist, dass es durch das Bundesverfassungsgericht rechtzeitig zu einer Prüfung kommen wird, sodass es durch ein Urteil auch zu einer Befriedung kommen kann vor der nächsten Bundestagswahl.“

Im Bundespräsidialamt wurde einerseits darauf verwiesen, dass politische Fragen bei der Ausfertigungsprüfung eines Gesetzes keine Rolle spielen dürften. Zugleich wurde betont, dass das Wahlrecht die demokratische Legitimation der Machtausübung regele. „Deshalb ist das Vertrauen in die Fairness der Regeln von überragender Bedeutung.“ Zu den demokratischen Traditionen gehöre es, Änderungen mit einer möglichst breiten Mehrheit vorzunehmen. „Es ist bedauerlich, dass es den im Bundestag vertretenen Parteien weder in der letzten noch in der aktuellen Legislaturperiode gelungen ist, für eine Reform des Wahlrechts einen breiteren politischen Konsens zu erreichen.“

Das Gesetz war im März mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne, FDP und einiger AfD-Abgeordneter vom Bundestag beschlossen worden. Im Mai passierte es den Bundesrat. Anschließend wurde es im Bundespräsidialamt der üblichen juristischen Prüfung unterzogen.

Mit derzeit 736 Abgeordneten ist der Bundestag das größte frei gewählte Parlament der Welt. Das neue Wahlrecht deckelt die Zahl der Sitze nun bei 630. Gewählt wird weiter mit Erst- und Zweitstimme. Es gibt aber keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Für die Stärke einer Partei im Parlament ist allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend. Überhangmandate entstanden bisher, wenn eine Partei über Direktmandate mehr Sitze im Bundestag gewann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustanden. Diese durfte sie behalten. Die anderen Parteien erhielten dafür Ausgleichsmandate. Dieses System führte zu einer immer größeren Aufblähung des Bundestags.

Auch die Grundmandatsklausel fällt jetzt weg. Nach ihr zogen Parteien bisher auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Jede Partei, die in den Bundestag will, muss künftig bundesweit mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen bekommen. Mit einer kleinen Ausnahme: Parteien nationaler Minderheiten bleiben davon befreit.

Künftig wird jede Partei nur noch so viele Mandate erhalten, wie ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen - auch dann, wenn sie mehr Direktmandate holt. Dann gehen die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis leer aus. Dies wird vor allem von der CDU und der CSU kritisiert. Dass die Grundmandatsklausel wegfällt, erzürnt neben der CSU auch die Linke.

Hätte die CSU bei der Bundestagswahl 2021 nicht bundesweit 5,2 Prozent geholt, sondern nur 4,9 wie die Linke, wäre nach dem neuen Wahlrecht keiner ihrer 45 erfolgreichen Direktkandidaten in den Bundestag gekommen. Die Linke, die von der Grundmandatsklausel profitierte, wäre ebenfalls draußen. Beide Parteien sehen darin eine grobe Missachtung des Wählerwillens. Die Linke hatte an Steinmeier appelliert, das Gesetz nicht auszufertigen. Vergeblich.

Der Bundespräsident überprüft vor der Unterzeichnung in jedem Fall, ob ein Gesetz nach den Regeln des Grundgesetzes zustande gekommen ist. Er kann die Unterzeichnung auch verweigern, wenn ein Gesetz nach seiner Auffassung inhaltlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies geschah in der Geschichte der Bundesrepublik mehrfach.

(felt/dpa)
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