Luftwaffen-Manöver „Air-Defender“ Nato-Luftstreitkräfte proben den Ernstfall über Deutschland

Berlin/Brüssel · Etwa 2000 Einsätze von 250 Militärflugzeugen aus 25 Nationen: Im Luftraum über Deutschland wird es ab Montag während des Großmanövers „Air Defender 23“ eng. Wie stark zivile Flüge beeinträchtigt werden, ist aber noch unklar.

 Drei Kampfjets vom Typ F16 aus den USA fliegen in Formation kurz vor ihrer Landung auf dem Fliegerhorst im schleswig-holsteinischen Jagel. (Archiv)

Drei Kampfjets vom Typ F16 aus den USA fliegen in Formation kurz vor ihrer Landung auf dem Fliegerhorst im schleswig-holsteinischen Jagel. (Archiv)

Foto: dpa/Georg Wendt

Es soll die größte und wichtigste Luftverteidigungsübung in der Geschichte der Nato werden: Das von Deutschland geführte Luftwaffen-Manöver „Air Defender“ beginnt am kommenden Montag und dauert zehn Tage. Daran sind 25 Staaten – vor allem aus der Nato – mit 250 Flugzeugen und fast 10.000 Soldaten beteiligt, darunter auch 2600 US-Soldaten.

Die Übung findet vorwiegend in Deutschland statt. Es seien zwar fast alle Nato-Staaten und auch einige weitere Nationen beteiligt, sagte Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz. Es handele sich aber nicht um ein Nato-Manöver, sondern um „eine deutsch geführte Übung“, für die die Bundeswehr die Verantwortung übernommen habe. Rund 2000 Flüge seien in dem knapp zehntägigen Übungszeitraum bis zum 23. Juni geplant, geübt werde auch die Abwehr von Marschflugkörpern und Raketen.

Gleichwohl sei die Übung „gegen niemanden gerichtet“, hob der Luftwaffen-Inspekteur hervor. „Dies ist eine defensive Übung“, stellte er klar. „Mit Air Defender 2023 zeigen wir eindrucksvoll die Verteidigungsfähigkeit unseres Bündnisses“, sagte Gerhartz weiter. Im Fall der Luftwaffe gelte dies besonders für die Schnelligkeit. Während etwa die Verschiffung von Panzern aus den USA Wochen und Monate dauere, „machen die Luftstreitkräfte das in Stunden“.

Doch klar ist auch: Das Szenario geht unter anderem davon aus, dass ein östlicher Angreifer durch Militäroperationen gegen die deutsche Hansestadt Rostock die Ausrufung des Bündnisfalles verursacht. Im Manöver wird simuliert, wie im Ernstfall die Nato-Nationen Deutschland zu Hilfe kommen. Und so abwegig, wie es vielleicht noch vor ein paar Jahren klang, ist das Szenario angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine nicht mehr.

Auch wenn Gerhartz darauf hinwies, dass die Übung bereits 2018, also lange vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, geplant worden sei. Schon damals, „knapp vier Jahre nach dem russischen Einmarsch auf der Krim“, sei bereits klar gewesen, dass es wieder einen stärkeren Fokus auf Landes- und Bündnisverteidigung geben müsse.

US-Botschafterin Amy Gutmann ging noch einen Schritt weiter. Sie sieht in der gemeinsamen Übung auch ein Signal der Stärke der Nato an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Es würde mich sehr wundern, wenn irgendein Staatsoberhaupt der Welt nicht zur Kenntnis nehmen würde, was dies (das Manöver) in Bezug auf den Geist dieses Bündnisses, das heißt die Stärke dieses Bündnisses, zeigt. Und das schließt Herrn Putin ein“, sagte Gutmann. Die US-Botschafterin würdigte ausdrücklich auch die deutsche Führungsrolle bei dem Manöver. „Das ist unglaublich wichtig. Wir sind unglaublich dankbar.“

Im Übungszeitraum muss in Deutschland auch mit Behinderungen des zivilen Luftverkehrs sowie zusätzlichem Fluglärm gerechnet werden. „Wir erwarten ein Minimum an Störungen“, sagte der Direktor der Air National Guard der USA, Generalleutnant Michael Loh. Auch Gerhartz sprach von „Flugverspätungen maximal im Minutenbereich“, die es immer nur in Teilen des Luftraums geben könne. Flüge können sich auch deswegen verspäten, weil Militärmaschinen Vorrang haben vor der Zivilluftfahrt. Damit die Passagiere dennoch pünktlich an ihr Ziel kommen, haben die Flughäfen in Teilen das Nachtflugverbot gelockert – unter anderem in Frankfurt, Berlin und Düsseldorf.

Auch in den Regionen rund um Militärflughäfen dürfte deutlich vermehrter Betrieb in der Luft herrschen. Von dem NRW-Flugplatz Geilenkirchen aus bringen die Amerikaner ihre Tankflugzeuge KC 46 und KC 135 in die Luft, die Nato beteiligt sich von dort mit ihren Awacs-Aufklärungsjets. Vom Eifel-Standort Spangdahlem aus sind die Kampfjets F-16 und F-35 der Amerikaner beteiligt. Vom niedersächsischen Wunstorf aus kommen rumänische und amerikanische Militärtransporter ins Spiel. Eine besonders breite Flugzeugpalette an Kampfjets wird im Fliegerhorst Schleswig-Hohn bereitgehalten: Amerikanische F-16, F-18 und A-10-„Warzenschweine“, türkische F-16, finnische F/A-18 sowie britische Eurofighter. Als Übungsleiterin ist die Luftwaffe überall beteiligt und hat einzelne Flugzeuge mit einer Sonderlackierung versehen, so etwa Transporter vom Typ A 400 M in Wunstorf und Eurofighter in Jagel. Gut zu sehen sein werden sie jedoch nur bei Start und Landung, denn Tief- und Tiefstflüge stehen nicht auf dem Programm. Die meisten Einsätze sind nach Bundeswehr-Angaben in der Regel zwischen 2.500 und 15.000 Metern Höhe vorgesehen.

Der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Henning Otte (CDU), bat um Verständnis für mögliche Beeinträchtigungen. „Das ist ein Stück weit der Preis, den wir bereit sein müssen, für den Frieden zu zahlen. Man kann auch sagen: Das ist der Sound of Freedom“, so Otte. „Aber ich würde es eher ein bisschen runterfahren und sagen: Diese Flugzeugbewegungen nehmen wir hin. Sie werden nicht zeitgleich stattfinden, um die Beeinträchtigung für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten“, sagte der CDU-Politiker im TV-Sender „Phoenix“.

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