Habeck wirbt für Klima-Konsens „Wenn sich alle nur anbrüllen, kriegen wir es nicht hin“

Berlin · Vizekanzler Robert Habeck sieht Deutschland beim Klimaschutz nicht auf Kurs. Auf der Digitalkonferenz re:publica warb er deshalb für mehr Investitionen in Klimaneutralität – und für einen gesellschaftlichen Ruck.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) auf der re:publica in Berlin.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) auf der re:publica in Berlin.

Foto: dpa/Carsten Koall

Wer ein konkretes Indiz für die politische Stimmung auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin gesucht hatte, dürfte beim Vergleich der Auftritte von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fündig geworden sein. Gab es bei Lindner nur spärlichen Applaus, gar einzelne Buhrufe bei seiner Ablehnung einer Erbschafts- oder Vermögenssteuer, so wurde Habeck förmlich gefeiert. Schon seine pure Anwesenheit begeisterte offenbar viele Besucherinnen und Besucher.

Entsprechend war es eine dankbare Atmosphäre, in der sich der Vizekanzler den Fragen von Blogger, Musiker und re:publica-Mitgründer Johnny Haeusler stellte. Und so zeigte sich Habeck durchaus selbstkritisch und gezeichnet von den vergangenen Wochen, in denen er nicht nur die Affäre um seinen Staatssekretär Patrick Graichen zu bewältigen hatte, sondern auch den heftigen Streit um das Heizungsgesetz. Und er brachte trotz sich nähernder Lösung für selbiges Gesetz keine positiven Nachrichten mit.

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Vizekanzler, Wirtschaftsminister, Schriftsteller – Das ist Grünen-Politiker Robert Habeck

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Foto: dpa/Christophe Gateau

„Wir sind nicht auf Kurs“, sagte Habeck mit Blick auf das Begrenzen der globalen menschengemachten Klimaerwärmung auf 1,5 Grad – so wie es das Pariser Klimaabkommen eigentlich vorsieht. Vieles sei schon getan worden, doch all das werde nicht reichen, „es sei denn, die politischen Maßnahmen entfalten eine gesellschaftliche Dynamik“. Der Wirtschafts- und Klimaminister warb eindringlich für eine positive Grundstimmung in der deutschen Gesellschaft. „Es ist wertvoll, gemeinsam erfolgreich zu sein.“ Applaus vom re:publica-Publikum.

Die „Fridays for Future“-Bewegung habe gezeigt, wie Klimaschutz „zu einem gesellschaftlichen Mainstream-Thema“ werden könne. Aktuell bewege sich Deutschland aber eher weg von einer Mehrheit, die Veränderung mitträgt. „Wir waren schon einmal weiter als im Moment“, konstatierte Habeck.

Schuld daran habe die Aufmerksamkeitsökonomie, auch im Digitalen. Negative Nachrichten, Katastrophen und Beleidigungen würden eben besser funktionieren als eine faktenbasierte, ruhige Politik. „Die ist strategisch immer im Nachteil.“ Im Streit um das Heizungsgesetz habe er viele Zwischentöne der Diskussion gar nicht mehr mitbekommen. „Es war so laut, so ein Gebrüll, so megaaggressiv“, sagte Habeck. Und er gab zu: „Die Verführung, ordentlich draufzuhauen, ist auch für mich riesengroß.“ Er zeigte sich aber auch überzeugt: „Wenn sich alle nur anbrüllen, kriegen wir es nicht hin.“ Es sei falsch, in Populismus zu verfallen. „Davon dürfen wir uns nicht infizieren lassen.“ Auch dafür gab es Szenenapplaus.

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Robert Habeck zu Gast beim Ständehaus-Treff in Düsseldorf

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Die Koalition ringt derzeit um einen vom Kabinett bereits beschlossenen, umstrittenen Gesetzentwurf zum Heizungsgesetz. Dieser sieht vor, dass von Anfang 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben wird. Der Umstieg soll durch eine staatliche Förderung sozial abgefedert werden, außerdem soll es Übergangsfristen und Härtefallregelungen geben. Vor allem die FDP will Nachbesserungen.

Eine genaue Antwort, wie eine solche progressivere Grundhaltung entstehen könne, blieb Habeck aber schuldig. Und er gab zu, dass die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP in Berlin, selbst nicht immer eine positive Stimmung verbreite. „Da muten wir uns was zu“, so Habeck. Jüngst hatte die „Deutschlandtrend“-Umfrage im Auftrag der ARD ergeben, dass nur noch 20 Prozent der Menschen in Deutschland mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden sind.

Habeck warb auf der re:publica für Investitionen in klimaneutrale Technik, gerade in ökonomischen Schwächephasen wie aktuell. Ein Beispiel: der Ausbau von Wasserstoff. Die politischen Rahmenbedingungen für mehr Investitionen sind jedoch schwierig. Finanzminister Lindner hatte kürzlich Sparvorgaben für die einzelnen Ministerien gemacht, die Grünen wehren sich lautstark dagegen.

Und auch in einem anderen Punkt wurden die Konfliktlinien innerhalb der Koalition, gerade mit der FDP, deutlich: Habeck sprach sich implizit für Steuererhöhungen aus, um den Reichen und Superreichen der Welt Anreize zu liefern, in ihre Unternehmen zu investieren, statt Gewinne abzuschöpfen. Solch eine Steuererhöhung werde man aber „in dieser Legislatur nicht sehen“. Dafür gab es ausnahmsweise keinen Applaus.

Mit Material von dpa.

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