Mehrere Punkte sind noch strittig Schwierige Asyl-Verhandlungen in Luxemburg

Berlin · Die EU-Staaten wollten sich an diesem Donnerstag auf eine Reform der Asyl-Verfahren einigen. Doch die Gespräche gestalten sich schwierig, an vielen Stellen sind die Verhandlungen festgefahren. Bundesinnenministerin Faeser macht Druck für eine Lösung – doch andere Staaten haben große Bedenken.

 Bundesministerin des Inneren Nancy Faeser (SPD). (Archiv)

Bundesministerin des Inneren Nancy Faeser (SPD). (Archiv)

Foto: dpa/David Young

Bundesinnenministerin Nancy Faeser dringt bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asyl-Systems (GEAS) auf die Einhaltung der Menschenrechte und warnt vor neuen Grenzkontrollen. „Für uns als Deutschland stehen die menschenrechtlichen Standards ganz vorne, und dafür werde ich auch heute hart kämpfen“, sagte die SPD-Politikerin vor Beratungen der EU-Innenministerinnen und Innenminister in Luxemburg am Donnerstag. Bei dem Treffen streben die EU-Staaten eine Reform des Migrations- und Asylrechts an, um den Zuzug von Flüchtlingen besser zu regeln und angesichts wieder steigender Zahlen zu reduzieren. „Sollten wir heute scheitern oder in den nächsten 14 Tagen, dann ist es ein falsches Signal, das würde zu nationaler Abschottung führen“, betonte die Ministerin. „Das will ich nicht, ich möchte die Grenzen offenhalten.“

Auf dem Tisch in Luxemburg liegen zwei Gesetzesvorschläge zu Asylverfahren und der Umverteilung von Migranten. Wegen der deutlich gestiegenen Flüchtlingszahlen und Stimmenzuwächse für Populisten wollen die EU-Länder die Verfahren verschärfen und abgelehnte Bewerber schneller in ihre Heimatländer abschieben, damit sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholt.

Im Zentrum des Ministertreffens steht die Frage, ob Menschen mit wenig Aussicht auf Asyl in Europa sich an der EU-Grenze einem Prüfverfahren stellen müssen und bei Ablehnung direkt abgewiesen werden können. Damit gäbe es erstmals Asylverfahren direkt an den EU-Außengrenzen. Dafür soll es Asylzentren in Grenznähe geben, von wo aus Migranten direkt abgeschoben werden sollen. Die Bundesregierung trägt ein solches Vorgehen im Grundsatz mit, will aber Familien mit Kindern und Jugendlichen von solchen Grenzverfahren ausnehmen.

Österreich forderte in Luxemburg sogar Asylverfahren in sogenannten sicheren Drittstaaten, beispielsweise Tunesien oder Algerien. Ein Modell dafür ist Großbritannien, das künftig gar keine Asylanträge mehr im eigenen Land zulassen will.

Umstritten ist auch die Verteilung anerkannter Schutzsuchender auf die EU-Staaten. Hier forderten Faeser wie auch der österreichische Innenminister Gerhard Karner mehr Solidarität von allen EU-Staaten. „Darüber werden wir heute intensiv ringen“, sagte der konservative ÖVP-Politiker bei seiner Ankunft in Luxemburg. Aber: „Die letzten Meter eines Weges sind oft die härtesten, die schwierigsten.“ Vor allem Polen und Ungarn weigern sich wie schon in der Flüchtlingskrise 2015/2016, die überwiegend aus islamischen Ländern kommenden Menschen aufzunehmen.

Demgegenüber stehen vor allem die Südländer. Griechenland, Italien und Spanien tendieren dazu, viele Menschen nicht vor Ort einem Asylverfahren zu unterziehen, sondern lassen sie unregistriert weiterreisen, meist mit dem Ziel Deutschland. Nach den geltenden sogenannten Dublin-Regeln wären sie eigentlich verpflichtet, die Asylverfahren selbst zu organisieren. Deutschland wiederum sieht sich der Kritik ausgesetzt, mit hohen Sozialleistungen die Menschen nach Europa zu locken. In der geplanten Reform ist zudem vorgesehen, die Außengrenzen der EU besser zu schützen.

Faeser hob hervor, dass es in der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP eine gemeinsame Haltung zu dem Thema gebe. „Deswegen wundere ich mich über manche Diskussion, die es dieser Tage gibt“, sagte die Ministerin mit Blick auf kritische Stimmen aus den Reihen von SPD und Grünen vor allem zu den Grenzverfahren. Mit Blick auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen betonte sie: „Dafür werde ich heute sehr stark kämpfen.“ Zu den Aussichten auf einen Durchbruch in Luxemburg sagte sie: „Es könnte die Chance geben auf Einigung, aber nicht um jeden Preis.“

Neben zahlreichen Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen hat nun auch die Gewerkschaft Verdi Kritik an den Plänen für eine Asyl-Reform geübt. Die Gewerkschaft appellierte an die Bundesregierung, einer Verschärfung des Asylrechts nicht zuzustimmen. Den Plänen der „rechtspopulistischen, nationalistischen und postfaschistischen Regierungen“ in der Europäischen Union müsse eine Absage erteilt werden, fordere Verdi-Chef Frank Werneke am Donnerstag. Sonst drohten „weitreichende negative Konsequenzen für die gesellschaftliche Ordnung in Europa“.

Mit den geplanten Verschärfungen wie verpflichtenden Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen unter haftähnlichen Bedingungen bestehe die Gefahr, dass Zustände wie in den Lagern auf den griechischen Inseln zur Regel in Europa werden. Diese Verfahren hätten nichts mit einem fairen, rechtsstaatlichen Vorgang zu tun, betonte Werneke.

Auf Grundlage der Äußerungen in der öffentlichen Sitzung und weiterer Gespräche hinter verschlossenen Türen wollte der schwedische EU-Ratsvorsitz im Laufe Tages entscheiden, ob es eine Abstimmung ansetzt. Voraussetzung für einen Beschluss zu den Plänen ist, dass 15 von 27 Mitgliedstaaten mit Ja stimmen, wobei diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen müssen. Danach müsste es dann noch Verhandlungen mit dem EU-Parlament geben.

(jd/afp/rtr)
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