Scharfe Kritik an Seehofers Klage "Billigster Populismus"

München/Berlin · Bayern will gegen den Länderfinanzausgleich einreichen und damit das jetzige System kippen. Spitzenvertreter von SPD, Grünen und Linkspartei kritisieren die bayerische Staatsregierung scharf.

 Der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Martin Zeil (FDP, l.) und Ministerpräsident Horst Seehofer beschlossen am Dienstag zu klagen.

Der stellvertretende Bayerische Ministerpräsident Martin Zeil (FDP, l.) und Ministerpräsident Horst Seehofer beschlossen am Dienstag zu klagen.

Foto: dpa, Nma

Das schwarz-gelbe Kabinett beschloss am Dienstag, die Verfassungsmäßigkeit des Finanzausgleichs in Karlsruhe überprüfen zu lassen. "Wir sind solidarisch, das Ausgleichssystem ist es nicht", begründete Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Entscheidung.

Seehofer betonte, Bayern sei sich seiner bundespolitischen Verantwortung zwar bewusst. Ganz offensichtlich bestehe aber "eine Schieflage im System, wenn vier Länder geben und die zwölf anderen unabhängig vom Ausmaß ihrer Anstrengungen nehmen". Das Prinzip müsse sein, "Hilfe zur Selbsthilfe, aber keine Dauersubvention".

Bayern, Baden-Württemberg und Hessen hatten sich als größte Zahler zunächst in Gesprächen mit den anderen Bundesländern um eine neue Regelung bemüht. Den Nehmerländern sei ein "faires, konstruktives Angebot" unterbreitet worden, das sie leider nicht angenommen hätten, sagte Seehofer. Der Freistaat suche nach wie vor den Schulterschluss mit Hessen und strebe eine gemeinsame Klage an.

Baden-Württemberg und Hessen halten sich bislang aber vornehm zurück.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte in Stuttgart:
"Ich halte nach wie vor die Verhandlungslösung für den richtigen Weg." Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sei beauftragt, einen "ambitionierten Zeit- und Arbeitsplan" für Verhandlungen vorzulegen. Baden-Württemberg prüfe die Erfolgsaussichten einer Klage.

Auch Hessen will lieber verhandeln. "Wir haben ein hohes Interesse, am gemeinsamen Vorgehen festzuhalten", sagte der Sprecher der Wiesbadener Staatskanzlei am Dienstag der dpa.

Steinmeier: ein durchsichtiges Manöver

SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Seehofer eine "Attacke gegen die föderale Solidarität" vor. Es handele sich dabei um ein durchsichtiges Manöver im bayerischen Vorwahlkampf. Zudem verwies Steinmeier darauf, dass der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) den jetzt geltenden Finanzausgleich einst mit ausgehandelt und als im bayerischen Interesse stehend gewürdigt habe - und Seehofer habe zugestimmt.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verwies auf das Grundgesetz. Dort sei in Artikel 107 festgeschrieben, "dass der Grundsatz des angemessenen Ausgleichs der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder zu berücksichtigen sei", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Bund und Länder haben sich 2001 auf dieses System geeinigt, das bis 2019 Gültigkeit hat." Berlin sei nach 2020 zu einer Neuregelung bereit. Gleichwohl stehe es den Geberländern frei, das System überprüfen zu lassen.

Trittin bescheinigt Seehofer Panik

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, warf dem CSU-Chef "billigsten Populismus" vor: "Horst Seehofer panikt vor der Landtagswahl." Bayern wolle die Hand beißen, die es jahrelang gefüttert habe. Wenn Seehofer anderen die Solidarität wegnehmen wolle, von der Bayern fast 40 Jahre profitiert habe, sei dies unverschämt. Solidarität sei keine Einbahnstraße.

Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn wertete die geplante Klage als "Bruch mit einem Grundgedanken unserer Verfassung". Vor allem die ostdeutschen Länder seien weiter auf die Unterstützung durch den Finanzausgleich angewiesen, ansonsten drohe dort weiterer Sozialabbau: "Wenn jetzt schon innerhalb der Bundesrepublik der Zusammenhalt aufkündigt werden soll, wie sieht es dann erst in Europa aus."

(APD)
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