Geheimbund in der CDU Anti-Merkel-Pakt formiert sich neu

Berlin (RP). Der legendäre "Andenpakt" schien am Ende. Doch nach der Devise "Totgesagte leben länger" verabredete er sich nun zu einem neuen Treffen. Aber auch eine zweite CDU-interne Seilschaft ist aktiv: Die Freunde einer bürgerlichen Moderne im "Leichlinger Kreis" besetzen immer mehr Posten.

Der Andenpakt der CDU
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Als sich Christian Wulff ins Präsidialamt verabschiedete und Roland Koch in die Bauwirtschaft, da galt das unter Beobachtern der CDU auch als Aus für den legendären "Andenpakt". Jener 1979 in einer Whisky-Laune von CDU-Nachwuchspolitikern gegründete Geheimbund, der als Seilschaft viele Jahre Personal und Programm der Christdemokraten aus dem Hintergrund stark beeinflusste, schien am Ende zu sein. Doch nach der Devise "Totgesagte leben länger" formiert sich der Merkel-kritische Männerbund gerade neu. Nach Informationen unserer Zeitung geht es im Juni auf große Fahrt. Im russischen Sankt Petersburg wollen die Herren neue Pläne schmieden.

Geheimbünde sind deshalb so wirksam, weil sie geheim sind. Tatsächlich hatte die Öffentlichkeit fast zweieinhalb Jahrzehnte keine Ahnung, dass da eine erwachsen gewordene Garde von Karrierepolitikern durch interne Absprachen verknüpft war. Zeitweise stellte der "Andenpakt" gleich vier Ministerpräsidenten (Roland Koch, Christian Wulff, Peter Müller, Günther Oettinger), schickte sich an, mit Friedbert Pflüger Berlin und mit Christoph Böhr auch Rheinland-Pfalz zu erobern, adoptierte außerdem weitere Mitglieder, die von Geist und Ambitionen her gut dazu passten, wie etwa Friedrich Merz — und verfügte sogar über einen eigenen "Generalsekretär" (Bernd Huck), eine eigene Kasse und regelmäßige Treffen, die die Gruppe trotz überfüllter Terminkalender immer wieder hinbekam, um die nächsten Schritte zu planen.

Und aus war's mit "geheim"

Zum Beispiel, Angela Merkel als Kanzlerin zu verhindern. Diese "Großtat" schreibt sich der "Andenpakt" für 2002 auf sein Konto. Doch als ein Jahr später auf Drängen von Matthias Wissmann der Pakt auch Merkel einmal einlud, begann der Stern zu sinken. Denn wenig später tauchte im "Spiegel" prompt die erste "Andenpakt"-Story auf. Und aus war's mit "geheim". Fortan wusste die Öffentlichkeit, dass sich gelangweilte Junge-Union-Politiker am 25. Juli 1979 auf dem nächtlichen Flug von Caracas nach Santiago hoch über den Anden auf das schnell hingekritzelte Manifest "Mehr Ambiente in die Politik" verständigt hatten — und sich bei den nächsten Geheimtreffen darauf einschworen, niemals gegeneinander anzutreten. Das machte den Kreis so mächtig. Bis ihnen Angela Merkel in die Quere kam. Die schaffte es, einen nach dem anderen "herauszubrechen" oder zu zermürben. Manche Mitglieder waren auch einfach selbst verantwortlich für ihr Scheitern. Wie der abgehobene Böhr in Mainz, der taktisch desaströse Pflüger in Berlin oder der verbohrt-eingeschnappte Merz im Bund.

Ein wenig "Andenpakt-Ambiente" war noch einmal zu spüren bei der letzten Bundesversammlung. Als Wulff durch die ersten Wahlgänge durchgefallen war, meldete sich Koch vor den Unionswahlleuten zu Wort und setzte zu einer mitreißend-furiosen Rede an, nach der die Mehrheit für Wulff stand und damit das erste "Andenpakt"-Mitglied an die Spitze des Staates rückte. Manche Teilnehmer gewannen zugleich den Eindruck, da habe Koch selbst noch einmal für alle Zeiten klar machen wollen, auf welches Talent die CDU verzichte. Denn zuvor hatte Koch den Paktmitgliedern bei ihrem Pfingsttreffen seinen Abgang aus der Politik angekündigt.

Andenpakt gegen Leichlinger Kreis

Vielleicht kommt Koch wieder, wenn die CDU ihn ruft. Als Finanzminister etwa. Oder als Kanzler. Vielleicht auch nicht. Die Riege der vorzeigbaren "Andenpaktler" ist stark dezimiert. Wulff lässt als Präsident seine Mitgliedschaft faktisch ruhen, Koch, Wissmann und Merz machen in der Wirtschaft das große Geld, haben aber wenig Einfluss auf die operative Politik, Oettinger ist nach Brüssel abgeschoben und Franz Josef Jung in die Abgeordneten-Ränge gewechselt. Doch das bevorstehende Treffen in Sankt Petersburg zeugt von ungebrochenem Mitgestaltungsanspruch. Schließlich wird einer der ihren bald Verfassungsrichter in Karlsruhe (Peter Müller), hat einer der ihren die Landesgeschäfte in Hessen in der Hand (Volker Bouffier), sind weitere "Andenpaktler" auch als wichtige Strippenzieher auf der Bundesebene (Kurt Lauk, Reinhard Göhner), Europaebene (Oettinger) und Landesebene (Elmar Brok in NRW) aktiv. Nicht zu unterschätzen ist auch, über welche wichtigen Kontakte "Andenpakt"-Anwälte im Bereich zwischen Wirtschaft und Politik verfügen, wie etwa Bernd Huck von Braunschweig oder Klaus Evertz von Krefeld aus.

Für die aufstrebende Merkel-Truppe im "Leichlinger Kreis" sind das allerdings pure "Nachlassverwalter". Die beiden Kreise beharken sich mit gegenseitigem Zynismus. Während der "Andenpakt" viele Minister hervorgebracht habe, kämen von den "Leichlingern" nur Ministranten, hieß es von "Andenpakt"-Seite vor Jahren.

Wie eine Spinne im Netz

Doch Merkels brave Jungs gewinnen immer mehr Trümpfe in die Hand. Denn der von Herbert Reul gesteuerte und nach der rheinisch-bergischen Region und den dort beheimateten ersten Gesprächsrunden benannte "Leichlinger Kreis" stellt inzwischen mit Ronald Pofalla den Kanzleramtsminister, mit Norbert Röttgen den Umweltminister, mit Hermann Gröhe den CDU-Generalsekretär und mit Peter Altmaier den Parlamentarischen Geschäftsführer. Eckhard von Klaeden sitzt im Kanzleramt, Günter Krings in der engeren Fraktionsspitze, und wie eine Spinne im Netz lauert Peter Hintze hinter allen und bekommt als Wirtschafts-Staatssekretär und Chef der mächtigen NRW-Landesgruppe jede Schwingung in Regierung, Fraktion und Partei genau mit.

Die liberalen "Leichlinger" verbindet die Überzeugung, dass die CDU mit entschiedenem Auftreten für eine "bürgerliche Moderne" mehrheitsfähig bleibt. Das unterscheidet sie von den Anti-68ern im "Andenpakt" und den Neo-Konservativen. Das Konzept der "Leichlinger" ist so flexibel, dass die "bürgerliche Moderne" sowohl mit der FDP funktioniert, als auch ab 2013 mit den Grünen oder der SPD.

Gleichwohl sind die "Leichlinger" eher eine Neigungsgruppe. Das war zu besichtigen, als zwei der ihren es fertig brachten, gegeneinander anzutreten: Norbert Röttgen und Armin Laschet im Ringen um den NRW-Vorsitz. Dem "Andenpakt" wäre das nicht passiert.

(RP)
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