CDU nur knapp gegen Embryonen-Tests

Beim Bundesparteitag der Christdemokraten setzen sich nach einer stundenlangen, aufwühlenden Debatte die Gegner der Präimplantations-Diagnostik (PID) durch – aber nur mit 51 zu 49 Prozent. Viele Teilnehmer zeigten sich begeistert vom Niveau der Diskussion.

Die CDU hat sich entschieden: Es soll in Deutschland auch weiterhin verboten sein, befruchtete Eizellen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf Erbkrankheiten zu untersuchen. Auf diese Weise soll die Gefahr einer "Selektion" von Menschen verhindert werden. Die innerparteiliche Entscheidung über die Präimplantationsdiagnostik (PID) fiel nach über dreistündiger tiefschürfender und viele Delegierte aufwühlender Debatte mit denkbar knapper Mehrheit von 51 zu 49 Prozent.

Tatsächlich entschieden ist damit noch nichts. Jetzt stehen die Bundestagsabgeordneten vor der Gewissensfrage, wie sie auf die Bedenken des Bundesgerichtshofes gegen das geltende PID-Verbot reagieren. Die Fraktionen haben die Abstimmung darüber freigegeben. Deshalb rechnen sowohl die Anhänger eines Verbots wie die Befürworter einer "Freigabe in engen Grenzen" damit, sich im Bundestag noch durchsetzen zu können. "Nach der Debatte auf hohem Niveau kommt es jetzt darauf an, Verbündete für unsere Position auch über die Fraktionsgrenzen hinaus im Bundestag zu finden", kündigte Bildungsministerin und CDU-Vize Annette Schavan im Gespräch mit unserer Zeitung an. Schavan steht für ein Verbot der PID.

Es gab Seitenwechsel von Prominenten: Parteichefin Angela Merkel war von ihrer PID-zulassen-Haltung abgekehrt und votierte für ein Verbot, weil sich für sie die Grenzen nicht klar genug definieren ließen. Dagegen wechselte Familienministerin Kristina Schröder ins Pro-Lager. Man lasse doch auch die Spirale zur Empfängnisverhütung zu, obwohl dort auch befruchtete Eizellen an der Einnistung gehindert würden, gab sie zu bedenken.

Eine der profiliertesten Freigabe-Argumentationen lieferte der frühere Generalsekretär und Theologe Peter Hintze. Es gehe bei der PID darum, Wissen zu vermitteln. Und es sei der Welt noch nie gut bekommen, das Wissen verbieten zu wollen. Die Erkenntnis zuzulassen, sei ein Gebot der "humanitären Vernunft", sagte Hintze. "Es gibt Situationen, da müssen sich unsere Prinzipien am Maß der Mitmenschlichkeit messen lassen", lautete sein Appell. Es gebe nun einmal einen Unterschied zwischen einem Fötus mit Köpfchen, Armen und Beinen und einer schützenswerten Eizelle in der Petrischale.

Der stellvertretende Unionsfraktionschef Günter Krings betonte, die entscheidende Frage sei, wann menschliches Leben beginne. Und da sei der werdende Mensch in der Petrischale besonders schützenswert. Verbraucherschutz-Staatssekretärin Julia Klöckner holte die Sicht von Behindertenverbänden in die Debatte. "Viele von uns gäbe es nicht, wenn es die PID gäbe", laute dort die Befürchtung. Klöckner bezweifelte, ob der Bundestag wirklich Listen festlegen könne, bei welchen Krankheiten eine PID möglich sein sollte und bei welchen nicht. Letztlich drohe eine "Selektion".

Maria Flachsbarth wies auf Alternativen hin: Es gebe auch Untersuchungsmöglichkeiten an unbefruchteten Eizellen. Peter Liese fragte, was denn "schwere genetische Vorbelastungen" seien. Mukoviszidose? Down-Syndrom? Zudem gebe es längst Erkenntnisse über genetisch bedingte Brustkrebs- und Schlaganfallgefährdungen. Erfahrungen im Ausland zeigten, dass das Ergebnis von PID nicht weniger, sondern mehr Abtreibungen seien, da sich eine ganze Reihe von Erkrankungen nicht bei der PID, sondern erst später feststellen lasse.

"In dubio pro vita", lautete die Empfehlung des Unions-Gesundheitspolitikers Jens Spahn – im Zweifel für das Leben. Bundestagspräsident Norbert Lammert betonte nach einer langen Liste weiterer Redner pro und contra PID, er sei stolz auf seine Partei, die eine solche "grandiose Debatte" führe. Bei ihm aber seien die Zweifel gewachsen, ob er mit seiner ursprünglichen Meinung, nur das strikte Verbot sei die richtige Entscheidung, noch richtig liege. Die Mahnung von Fraktionschef Volker Kauder, bloß keine Tür zu öffnen, ohne zu wissen, was dahinter komme, wies Lammert zurück: "Lieber Volker Kauder, die Tür ist längst offen."

Auch die neue Vizeparteichefin Ursula von der Leyen bedankte sich für das "differenzierte Ringen". Sie erinnerte an das zurückliegende Ringen um künstliche Befruchtung. "Das dürfen wir nicht", habe es vor Jahrzehnten geheißen, und nun säßen wohl auch in diesem Saal Menschen, die es ohne künstliche Befruchtung nicht gäbe.

Wie viele ihrer Vorredner wies die Sozialministerin auf einen Widerspruch hin: Aus der befruchteten Eizelle in der Glasschale werde niemals ein Mensch, es sei denn, ein anderer Mensch schwemme sie in eine Gebärmutter ein. Doch in der Glasschale solle die Untersuchung verboten sein. Aber bei einer Schwangerschaft in der Gebärmutter, aus der immer ein Mensch werde, es sei denn, es komme zu einer Abtreibung, sei dagegen die Untersuchung zugelassen. Das sei schwer zu verstehen. Die Schlussfolgerung für von der Leyen: "Die PID kann Abtreibungen und Totgeburten verhindern."

(Rheinische Post)
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