Brandmauer in der Euro-Krise

Kanzlerin Angela Merkel und ihre Mitstreiter gehen in der Euro-Krise vor wie verzweifelte Feuerwehr-Kräfte, die einen außer Kontrolle geratenen Waldbrand zu löschen haben. Sie schlagen selbst Brandschneisen, um das Feuer einzudämmen. Das Risiko: Die neu gelegten Brände können schnell die noch unbedrohten Teile des Waldes entflammen.

Um die Finanzmärkte und die außer Kontrolle geratenen Staatsschulden zu bändigen, wenden die europäischen Chefs, die gestern bis spät in die Nacht tagten, auch deshalb wohl genau die Mittel an, die einst 2008 zum großen Finanzkrach geführt hatten. So soll eine neue Zweckgesellschaft jenseits aller ordnungsgemäßen Haushalte entstehen, die milliardenfach Gelder zur Euro-Rettung einsammelt. Oder ein Kredithebel soll eine Deckungssumme von 440 Milliarden Euro flugs auf die astronomische Höhe von einer bis zu zwei Billionen wuchten. In gleicher Weise drehten tollkühne Geschäftsbanken das große Rad der faulen Immobilienkredite, das schließlich zum Bankrott von Lehman Brothers und zur Fast-Pleite anderer Finanz-Riesen führte.

Der Bundestag gab gestern mit überwältigender Mehrheit genau zu diesem Plan seine Zustimmung. Tollkühn sind die Parlamentarier nicht, eher ohnmächtig. Denn die Vertreter der deutschen Steuerzahler müssen sich in Wahrheit eingestehen, dass sie gar keine andere Wahl haben. Würden sie Merkel die Zustimmung versagen, wäre der Euro am Ende. Die Löschung des Flächenbrands gehorcht längst eigenen Gesetzen.

Die deutsche Regierungschefin hat ihr politisches Schicksal unauflöslich mit dem Euro verbunden. Sie hat nun ihre Mittel zur Brandbekämpfung bis zum Letzten ausgereizt. Die Europäische Zentralbank als direkter Geldgeber der Schuldner oder gemeinsame Anleihen, genannt Eurobonds, zur Beruhigung der Investoren wird es nicht mehr geben. Dafür hat Merkel keine eigene Mehrheit mehr, wie das hauchdünne Ergebnis von gestern zeigt. Der um Kredithebel und Zweckgesellschaften ertüchtigte Rettungsschirm EFSF muss reichen. Wenn nicht, sind die Folgen unabsehbar.

Doch auch wenn die angeschlagene Mannschaft der Euro-Retter, die Merkels, Sarkozys, Berlusconis und van Rompuys, Erfolg haben, wird das künftige Europa anders aussehen. Die Freiheit, Schulden auf Kosten der europäischen Gemeinschaft zu machen, dürfte ein für alle Mal vorbei sein. Ein strenges Spar-Regime wird die Schuldnerstaaten auf Jahre fesseln. Angeschlagene Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien oder Italien werden als erste ihre Budgethoheit verlieren. Dann werden sich auch die Führungsmächte Deutschland und Frankreich dem EU-Regime unterwerfen müssen. Ein Etat wird erst in Kraft treten, wenn er von einer Brüsseler Instanz genehmigt ist. Das ist das Ende der souveränen Staaten und der Anfang des vereinigten Europa.

(RP)
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