George-Bush-Statue in Albanien Nationalheld Xhorxh W.

Tirana · Kaum ein US-Präsident war so umstritten wie George W. Bush. Vor allem in der islamischen Welt wurde er zur Hassfigur, nur in Albanien nicht. Dort haben sie zu seinen Ehren sogar eine Statue errichtet. Wie kommen die darauf?

 Die Statue für George W. Bush steht in der Nähe der Durchfahrtsstraße in Fushe Kruje.

Die Statue für George W. Bush steht in der Nähe der Durchfahrtsstraße in Fushe Kruje.

Foto: Marc Latsch

Wer sich das Verkehrschaos am 10. Juni 2007 bildhaft vorstellen will, muss nur an einem beliebigen Tag durch Fushe-Kruje fahren. Offiziell eine Kleinstadt in Mittelalbanien, eigentlich mehr Dauerstau auf der Durchfahrtsstraße. Es ist der Weg zur Festung von Kruja. Dem Ort, den sich vor 15 Jahren auch ein viel umjubelter Gast anschauen möchte. Ein Gast, der bei seinem Bad in der Menge ein noch viel größeres Durcheinander verursacht und an den gleich neben dem Kreisverkehr heute eine Statue erinnert. Wer ihn nicht schon von Weitem erkennt, kann seinen Namen in albanisierter Form auf dem darunterliegenden Sockel nachlesen: Xhorxh W. Bush.

Weltweit soll es drei Statuen geben, die den 43. US-Präsidenten zeigen. Eine steht neben einer Schule in Ohio, eine weitere vor dem „George W. Bush Presidential Center“ in Dallas und die dritte ausgerechnet in Albanien, wo sie vier Jahre nach dem Bush-Besuch feierlich eingeweiht wurde. In einem Land, das bis 1990 streng stalinistisch regiert wurde und in dem sich heute die Mehrheit der Bevölkerung zum Islam bekennt. Von einem Mann, der in den Jahren seiner Regierung vor allem in der islamischen Welt zur Hassfigur wurde.

Kein Widerspruch, meint Florian Bieber. Der Luxemburger Politologe leitet das Zentrum für Osteuropastudien an der Universität Graz. „Albanien und Kosovo sind die beiden Länder, die die stärkste pro-amerikanische Ausrichtung in der Außenpolitik, aber auch in der Bevölkerungseinstellung in Europa haben.“ Auch in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, ist eine große Straße nach George W. Bush benannt.

Dass die albanische Bevölkerung so denkt, ist kein Zufall, sondern historisch begründet. Zum einen liegt das am Kosovokrieg Ende der 90er-Jahre. Als dort ein Völkermord gegen die dort lebenden ethnischen Albaner drohte, griff die Nato auf Initiative der USA gegen Jugoslawien ein. Später unterstützte das Land die Unabhängigkeit des Kosovos und die Nato-Mitgliedschaft Albaniens. „Es gibt das Gefühl, dass die Amerikaner jene sind, die sich am stärksten für den Schutz der albanischen Bevölkerung einsetzen“, sagt Bieber. Eine weitere Ursache sei ausgerechnet der brutale Kommunismus, der bis 1990 in Albanien vorherrschte. Diktator Enver Hoxha schottete das Land vollständig ab, später selbst vor den aus seiner Sicht zu weichen Regimen in Moskau und Peking. Die USA galten da als Gegenpol, als „Symbol der Freiheit und des Nicht-Kommunismus“, sagt Bieber.

Dass in Albanien, anders als in anderen mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern, auch nach der Invasion im Irak keine US-amerikanischen Flaggen brannten, hat aber auch mit dem Ort zu tun, den George W. Bush vor 15 Jahren besuchte. Die Festung von Kruja ist das Nationalheiligtum der Albaner. Hier kämpfte Skanderbeg einst gegen die Osmanen und leistete erbitterten Widerstand. Heute ist es eine schön restaurierte Burg, umgeben von einer Vielzahl an Souvenirständen. Aber sie steht nach wie vor für etwas: für eine mehrreligiöse Nation, die sich – anders als andere Staaten des Balkans – nicht über den Glauben definiert. Die Identität ist vor allem anti-osmanisch geprägt.

30 Jahre nach Ende des Kommunismus ist Albanien eine gefestigte Demokratie, doch die Probleme sind vielfältig: Es gibt zwei große Parteien, die derzeit regierenden Sozialdemokraten und die liberal-konservative Demokratische Partei. „Es ist egal, wer gerade regiert. Beide sind gleich korrupt“, sagt ein Taxifahrer in der Hauptstadt Tirana, als das Gespräch beim Thema Politik landet. „Das Gefühl ist: Man hat die Wahl zwischen zwei korrupten Netzwerken, die sich zwar spinnefeind sind, aber wenn es um heutige Politik geht, keine Unterschiede haben“, sagt Bieber.

Der große Konflikt beider Parteien liegt noch in der Zeit des Kommunismus begründet, die in Albanien nie richtig aufgearbeitet wurde. Die Sozialdemokraten sind aus dem Kommunismus entstanden, auch wenn sie ideologisch mit ihm gebrochen haben, die Demokratische Partei eben nicht. „Jede Aufarbeitung wurde in innenpolitische Konflikte umgemünzt“, sagt Bieber. Dass sich etwas entwickelt, ist in Tirana dennoch nicht zu übersehen. Überall sind Baustellen, viele der tristen Gebäude aus kommunistischer Zeit sind bereits ersetzt oder restauriert worden. Großen Anteil daran hat Edi Rama, Künstler, Ex-Bürgermeister und aktueller Ministerpräsident. In einem „Spiegel“-Interview warb Rama zuletzt für Albanien als Paradies für deutsche Rentner. Mit den „klientelistischen Strukturen“ im Land habe allerdings auch Rama nicht gebrochen, betont Bieber.

Als George W. Bush 2007 das Land besucht, ist Rama gerade zum zweiten Mal als Bürgermeister von Tirana wiedergewählt worden. Und die Innenpolitik tritt für einen Moment in den Hintergrund. Im Internet finden sich noch zahlreiche Videos vom Jubel der Menschen während der US-Präsident durch Fushe Kruje geht. Eine Straße erhält seinen Namen, eine Briefmarke mit seinem Konterfei wird herausgegeben, Bush wird die Nationalplakette verliehen.

 George W. Bush und seine Frau Laura werden nach ihrer Landung am 10. Juni 2007 feierlich auf dem Rollfeld des Flughafens Tirana in Empfang genommen.

George W. Bush und seine Frau Laura werden nach ihrer Landung am 10. Juni 2007 feierlich auf dem Rollfeld des Flughafens Tirana in Empfang genommen.

Foto: picture-alliance/ dpa/epa George W. Bush

Für die größte Aufmerksamkeit sorgte allerdings nicht der Präsident selbst, sondern seine Uhr. Wie auf Videos des Tages zu sehen ist, war diese nämlich plötzlich von seinem Handgelenk verschwunden. Genau in dem Moment, indem er die Hände der begeisterten Einwohner schüttelt. Berichte über einen angeblichen Diebstahl werden weltweit aufgegriffen. Die Uhr soll später aus Albanien ersetzt worden sein. Die Geschichte wird zur Legende. Dabei ist die offizielle Wahrheit nicht ganz so spektakulär: „Der Präsident hat sie in seine Tasche gesteckt, und sie ist unbeschadet wieder zu Hause angekommen“, sah sich das Weiße Haus schließlich zu einem Statement genötigt.

Bis heute ist Albanien eines der pro-amerikanischsten Länder der Welt. Bieber sieht es dabei auf einer Ebene mit Israel, in der „bedingungslosen Unterstützung amerikanischer Außenpolitik“. Lange Zeit war es dabei egal, wer eigentlich Präsident ist. Doch wie in vielen Teilen der Welt haben vier Jahre Donald Trump auch in Albanien etwas verändert. Der umstrittene, ehemalige US-Präsident sei von vielen eher als pro-serbisch wahrgenommen worden, sagt Bieber. Heute blicken Albaner und Kosovaren differenzierter auf die USA. „Man sieht, dass es so eine Art Emanzipation gibt.“

An dem Legendenstatus von „Xhorxh W.“ hat sich dadurch vorerst nichts geändert. Bis heute ist der Name in Fushe-Kruje omnipräsent. Bäckereien und sogar eine Autowaschanlage sind nach Bush benannt. Von dem Trubel um ihn ist an einem warmen Herbsttag 15 Jahre später allerdings nicht mehr viel übrig. Auf einer Bank gleich vor dem Denkmal sitzen zwei Männer und rauchen. Ein Straßenverkäufer sucht rund um den 43. US-Präsidenten nach Kundschaft. Der winkt von seinem Sockel vor allem dem Blech der stehenden Autos zu. Es ist mal wieder Stau auf der Durchfahrtsstraße.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort