Vergleich mit Nazi-Zeit stößt auf Unverständnis Sarkozy weist Kritik an Roma-Politik zurück

Paris/Brüssel (RPO). Der Streit zwischen Frankreich und der EU-Kommission um die Gruppenabschiebungen von Roma eskaliert: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy konterte am Mittwoch die Kritik von EU-Justizkommissarin Viviane Reding mit der Bemerkung, die Luxemburgerin solle die Roma doch in ihrem eigenen Heimatland aufnehmen. Aus Brüssel und Berlin kam Unterstützung in der Sache für Reding, nur Nazi-Vergleich stieß auf Ablehnung.

Sarkozy gibt Interview im Garten des Elysée-Palastes
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Sarkozy wandte sich nicht nur gegen den Ton der Justizkommissarin, sondern verteidigte auch den Roma-Kurs seiner konservativen Regierung vehement. Vor Senatoren seiner Regierungspartei UMP sagte er nach Angaben von Teilnehmer Bruno Sido, dass es Frankreich "absolut nichts" vorzuwerfen gebe. Die Kritik sei "skandalös".

Vergleich mit Nazi-Zeit

Reding hatte dem Land mit einem EU-Strafverfahren wegen Verstoßes gegen die Freizügigkeitsregelungen gedroht. Dabei nannte sie das französische Vorgehen gegen die Roma eine "Schande" und verglich es sogar mit der Nazi-Zeit. "Diskriminierung auf der Grundlage der ethnischen Herkunft oder der Rasse hat in Europa keinen Platz", sagte Reding am Dienstag. Sie habe angenommen, dass Europa eine solche Situation nach dem Zweiten Weltkrieg nicht noch einmal erleben müsse.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sicherte Reding seine "persönliche" Unterstützung zu, wobei er allerdings auf Distanz zu der Wortwahl der Kommissarin ging. "Frau Reding wollte keine Parallele ziehen zwischen heute und dem, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist", sagte er in Brüssel. Bei ihrem Vorgehen gegen die französische Roma-Politik habe sie jedoch "die volle Unterstützung" der Kommission.

Auch die Bundesregierung machte deutlich, dass das Freizügigkeitsrecht in der EU und die europäischen Grundrechte "vorbehaltlos" gelten müssten. Es sei das gute Recht der EU-Kommission, zu prüfen, ob die Vorgänge in Frankreich damit in Einklang zu bringen seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Er fügte aber hinzu: "Sicherlich sind solche Stellungnahmen manchmal auch nützlicher, wenn sie im Ton gemäßigter ausfallen."

Kritik an Reding

In Frankreich stieß Redings Wortwahl auf harsche Kritik. Der französische Europastaatssekretär Pierre Lellouche sprach von einer "Entgleisung". Lellouche fügte hinzu: "Mir reicht der Ton, den sie zu dem Thema angeschlagen hat." Kritik erntete Reding auch von dem französischen EU-Kommissar Michel Barnier. "Man muss unnütze Polemiken und bestimmte historische Vermischungen vermeiden, die keinen Sinn machen", sagte er.

Das Präsidialamt machte allerdings auch deutlich, dass es an der Zeit sei, "einen besänftigenden Dialog zu führen, um den Kern der Dinge zu erörtern", wie ein hochrangiger Mitarbeiter sagte. Reding selbst forderte die französische Regierung auf, möglichst bald eine Erklärung für die besonders kritisierten Anweisungen des Pariser Innenministeriums zu den Roma zu liefern.

Sondergipfel der EU

Der Streit um die Roma wird voraussichtlich auch beim Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel zur Sprache kommen. Sarkozy wollte sich dort zu dem Thema äußern. Die härtere Gangart gegen Roma hatte der Präsident persönlich im Juli in einer Rede zur inneren Sicherheit angekündigt. Seither wurden dutzende Roma-Lager in Frankreich geräumt und etwa 1000 Roma in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien abgeschoben.

(AFP)
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