Krawalle in Jerusalem Mord an Palästinenser facht Gewalt und Rachegelüste an

Jerusalem · Die Ausschreitungen in Jerusalem halten an, Israels Ministerpräsident Netanjahu beruft das Sicherheitskabinett ein. Massenproteste und Bombardements prägen weiter die Lage in Gaza. Die Ermordung dreier junger Israelis und eines Palästinensers droht den Nahost-Friedensprozess zu beerdigen.

Mord löst Krawalle in Jerusalem aus
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Demonstranten beider Lager randalierten am Mittwoch in Jerusalem und fachten die gegenseitigen Rachegelüste zusätzlich an. Israels Streitkräfte flogen dutzende Luftangriffe auf den Gazastreifen, wo am Abend eine Massendemonstration stattfand. Die UNO warnte eindringlich vor weiterem Blutvergießen.

Am Mittwochmorgen war der 16-jährige Mohammed Abu Chdeir an einer Straßenbahnhaltestelle in Ost-Jerusalem in ein Auto gezwungen worden, laut Augenzeugen von drei Israelis. Einige Stunden später wurde seine übel zugerichtete Leiche im Westteil der Stadt an einem Waldrand entdeckt. Das Verbrechen ereignete sich einen Tag nach der Beerdigung von drei jüdischen Religionsschülern, die ihrerseits im Westjordanland verschleppt und ermordet worden waren.

In Jerusalem kam es daraufhin zu Ausschreitungen rechter Israelis, die Autofahrer aus ihren Wagen zerrten und "Tod den Arabern" brüllten. Im Verlauf des Mittwochs und bis in die Nacht hinein lieferten sich dann hunderte vermummte Palästinenser Straßenschlachten mit der Polizei: Sicherheitskräfte wurden mit Steinen und Brandsätzen beworfen - und schlugen ihrerseits mit Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen zurück. Nach Angaben von Rettungskräften wurden mindestens 65 Menschen verletzt, drei davon durch scharfe Munition.

Die Straßen waren übersät mit brennenden Trümmern und Behelfsbarrikaden, es gab dutzende Festnahmen.
In der Nacht zum Donnerstag flog Israels Luftwaffe dann dutzende Angriffe auf Ziele im Gazastreifen und in Gaza-Stadt, bei denen nach Angaben palästinensischer Rettungs- und Sicherheitskräfte neun Palästinenser verletzt wurden. Von dem abgeschotteten Küstenstreifen aus waren nach Angaben der Armee zuvor zehn Raketen abgeschossen worden, von denen eine in der grenznahen israelischen Stadt Sderot einschlug und einen Stromausfall verursachte. Innerhalb von 24 Stunden wurden demnach 18 Projektile aus dem Gazastreifen abgeschossen.

Dort protestierten tausende Demonstranten gegen die Ermordung des palästinensischen Teenagers am Mittwoch. Zu der Massenversammlung, an der laut AFP-Reportern rund 3000 Menschen teilnahmen, hatte die radikalislamische Hamas aufgerufen, die von Israel als Terrororganisation betrachtet wird und Vergeltung ankündigte. Israel werde den "Preis bezahlen" für den Tod Chdeirs und andere Verbrechen der "Siedlerhorden", lautete die Hamas-Parole.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berief am Mittwochabend sein Sicherheitskabinett ein, um über mögliche Konsequenzen zu beraten. Allerdings hat der Mord an Chdeir den Handlungsspielraum nach Meinung vieler Experten eingeschränkt. Netanjahu verurteilte die "verabscheuungswürdige" Tat und drängte sowohl Israelis als auch Palästinenser, "das Gesetz nicht in die eigene Hand zu nehmen". Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte die israelische Regierung auf, die Angriffe jüdischer Siedler zu stoppen und das dadurch herbeigeführte Chaos zu beenden.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die Europäische Union forderten, die Mörder Chdeirs zur Rechenschaft zu ziehen. EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton äußerte sich "extrem besorgt über die jüngsten Entwicklungen, die das Risiko einer Eskalation erhöhen". US-Außenminister John Kerry führte ein Krisentelefonat mit Netanjahu und rief ebenfalls beide Seiten dazu auf, "besonnen" zu reagieren und die Täter vor Gericht zu bringen.

(DEU)
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