Großbritannien „Kuschelbär“ spioniert Covid-Forscher aus

London · Die Hackergruppe „Cozy Bear“ hat laut dem britischen Außenminister einen Cyberangriff auf Forschungseinrichtungen des Landes gefahren. Die staatlichen Stellen vermuten russische Geheimdienste dahinter.

 Der britische Außenminister Dominic Raab.

Der britische Außenminister Dominic Raab.

Foto: AP/Matt Dunham

„Russenspione versuchen, unseren Impfstoff zu stehlen“, titelten die Zeitungen am Freitag im Königreich unisono. Der britische Außenminister Dominic Raab hatte bekanntgegeben, dass die Hackergruppe „Cozy Bear“, also Kuschelbär, eine Cyberattacke unternommen habe. Sie habe versucht, britische Forschungseinrichtungen auszuspionieren, die zurzeit an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 arbeiten. Kuschelbär, auch als „APT29“ und „The Dukes“ bekannt, wird vom Nationalen Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) als „Teil der russischen Geheimdienste“ eingeordnet, mit einer Sicherheit von „95 Prozent plus“.

Der Vorwurf der Cyberspionage seitens russischer Akteure in die Corona-Forschung wurde auch von kanadischen und US-amerikanischen Sicherheitsbehörden unterstützt. Moskau dagegen wies die Anschuldigungen zurück. „Russland hat nichts mit diesen Versuchen zu tun“, sagte Dmitri Peskow, der Sprecher von Präsident Wladimir Putin.

„Wir verurteilen diese widerwärtigen Attacken“, erklärte NCSC-Direktor Paul Chichester, „auf diejenigen, die unverzichtbare Arbeit leisten im Kampf gegen die Corona-Pandemie“. Der NCSC hatte schon im März begonnen, einen digitalen Schutz für britische Laboratorien, Forschungseinrichtungen und Pharma-Unternehmen einzurichten und konnte deshalb die russischen Hacker-Aktivitäten aufspüren. Dabei handelte es sich vor allem um sogenannte Phishing-Versuche und personalisierte Schadsoftware, mit denen Daten über die Impfstoff-Forschung und Behandlungsmethoden abgeschöpft werden sollten.

Das Hauptziel der Hacker war das „Jenner Institute“ in Oxford. Es hat die Nase vorn im weltweiten Wettlauf um die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19. Das Vakzin des Jenner-Instituts nutzt einen harmlosen Virus, um einen Teil des genetischen Materials des Coronavirus zu transportieren. Dieser sogenannte virale Vektor soll die menschlichen Körperzellen anregen, Proteine zu produzieren, die identisch mit denen auf der Oberfläche des Coronavirus sind.

Dadurch, so die Theorie, wird das Immunsystem provoziert, sie zu erkennen. Die Hoffnung ist, dass die Immunantwort in der Produktion von Antikörpern und T-Zellen besteht, die das Coronavirus bekämpfen, sollte sich die geimpfte Person später anstecken.

Das Jenner-Institut hat einen klinischen Phase-1-Versuch an 1000 britischen Freiwilligen abgeschlossen, der, wie die „Times“ meldete, vielversprechende Ergebnisse brachte. Die Impfung soll nicht nur eine Immunantwort in Form von Antikörpern ergeben, sondern auch eine Mobilisierung von T-Zellen provoziert haben. Jetzt ist man dabei, einen weit größeren Feldversuch zur Feststellung der Wirksamkeit des Impfstoffs zu beginnen.

Kein Wunder, dass die Arbeit des Jenner-Instituts von Interesse für „Kuschelbär“ war. Ein Impfstoff gegen Covid-19 ist der denkbar größte Preis im geopolitischen Wettstreit. Sollte etwa Wladimir Putin in der Lage sein, ein Covid-Vakzin anbieten zu können, wären die Sanktionen gegen Russland nicht zu halten.

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