Brexit-Deal in Sicht? Theresa May spielt ihre letzte Karte aus

London · Die britische Premierministerin Theresa May hat ihren Rücktritt angekündigt. Damit kommt sie dem Ruf des rechten Flügels der Konservativen Partei nach. Mit dem Rücktritt erkauft sie sich womöglich ihren Brexit-Deal. Eine Analyse.

 Premierministerin Theresa May auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Archivfoto).

Premierministerin Theresa May auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Archivfoto).

Foto: dpa/Alastair Grant

Bei einer Sitzung der Regierungsfraktion am frühen Mittwochabend versprach Theresa May ihren Abgang, sobald der Brexit erfolgreich vonstatten gegangen ist. Sie sagte gegenüber den Abgeordneten der Konservativen Partei im Sitzungssaal 14: „Ich bin bereit, diesen Job früher als beabsichtigt zu verlassen, um das Richtige für unser Land und für unsere Partei zu tun.“

Premierministerin May hat keinen genauen Zeitplan für ihren Abschied angegeben. Anwesende der Fraktionssitzung sprachen davon, dass sie „halbwegs bald“ zurücktreten will und zugegeben habe, „einige Fehler“ gemacht zu haben. May akzeptierte den Stimmungsumschwung gegen sie innerhalb ihrer Partei. „Ich weiß“, sagte sie, „dass es den Wunsch für eine neue Herangehensweise und eine neue Führerschaft gibt für die zweite Phase der Brexit-Verhandlungen – und ich werde dem nicht im Weg stehen.“

Sie habe klar zu verstehen gegeben, sagte der Abgeordnete James Cartlidge, „dass sie den Weg frei machen würde für jemand anderen, wenn das Austrittsabkommen vom Unterhaus ratifiziert wird.“ May verband ihre Rücktrittsabsicht mit einem Appell an die Fraktion: „Ich bitte jedermann in diesem Raum, meinen Deal zu unterstützen, so dass wir unsere historische Pflicht erfüllen – den Willen des britischen Volkes zu erfüllen und die Europäische Union mit einem glatten und geordneten Austritt zu verlassen.“

Die Forderung nach dem Abgang von Theresa May war schon lange der Ruf des rechten Flügels der Konservativen Partei und der Hardliner von der „European Research Group“ (ERG) gewesen. Die Brexit-Ultras haben der ehemaligen Innenministerin, die im Referendum für den Verbleib gestimmt hatte, stets misstraut. Um sich Respekt beim rechten Lager zu schaffen, hatte May sehr früh rote Linien verkündet, die einen weichen Brexit ausschlossen, wie zum Beispiel die Weigerung im Binnenmarkt oder in der Zollunion verbleiben zu wollen. Doch obwohl sich May als Premierministerin ein ums andere Mal den Brexit-Befürwortern mit Zugeständnissen angedient hatte, half ihr der Kotau nicht. Stattdessen organisierte der ERG-Chef Jacob Rees-Mogg im letzten Dezember ein innerparteiliches Misstrauensvotum gegen die Regierungschefin, das May jedoch knapp gewinnen konnte.

Die Premnierministerin wusste, dass die Ankündigung ihres Rücktritts der Preis für die Unterstützung der ERG bei der erneuten, jetzt für Freitag geplanten Abstimmung über ihren Brexit-Deal sein würde. Jetzt sieht es danach aus, dass May auf die Stimmen der Brexit-Hardliner zählen kann. Zumal die alarmiert sind. Denn das Unterhaus hat am Mittwoch einen Prozess begonnen, Brexit-Alternativen zu Mays Deal durch eine Reihe von Probeabstimmungen zu ermitteln. Das könnte zu einem weichen oder womöglich gar keinem Brexit führen. Es sei besser, jetzt den Widerstand aufzugeben, schlussfolgerte am Mittwoch ERG-Chef Jacob Rees-Mogg. Und es war Teil des Kuhhandels, dass May der ERG versichert, dass in der zweiten Phase der Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien - wenn über die künftige Handelsbeziehung gesprochen wird - jemand anderer am Steuer sein wird.

Die Brexitiers sind sich ziemlich sicher, dass der neue Parteichef und Premier einer der ihren sein wird. Denn das Verfahren zur Ermittlung des Parteivorsitzenden sieht vor, dass zuerst die Regierungsfraktion aus einem Feld von Bewerbern zwei Kandidaten ermittelt, die sich dann einer Urwahl stellen müssen. Da die Parteibasis deutlich europafeindlicher eingestellt ist als die Fraktion, darf es als ziemlich sicher gelten, dass ein Brexitier unter den zwei End-Kandidaten das Rennen machen sollte.

Zu den möglichen Bewerbern zählt sicherlich Boris Johnson, der ehemalige Außenminister. Er habe, berichteten Parteifreunde am Mittwochabend, den Sitzungssaal 14 mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht verlassen. Johnson war im Referendum eine der Galionsfiguren des Brexit-Lagers und favorisiert einen kompromisslosen Austritt. Doch auch dem Umweltminister Michael Gove werden gute Chancen eingeräumt, nicht zuletzt von den Buchmachern des Landes, die ihm die besten Wettquoten geben. Schließlich sind auch noch Innenminister Sajid Javid und Außenminister Jeremy Hunt im Gespräch.

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