Abstimmung im Unterhaus Premier May kassiert die nächste Brexit-Schlappe

Premierministerin Theresa May unterliegt erneut in der Abstimmung über ihren Brexit-Deal. 391 Abgeordnete verweigerten ihre Zustimmung zum verbesserten Abkommen.

Und am Ende hat es nicht gereicht. Das britische Unterhaus lehnte am Dienstagabend den Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May erneut ab. Mit 391 zu 242 Stimmen votierten die Abgeordneten gegen den EU-Austrittsvertrag und die politische Absichtserklärung. Schon Mitte Januar war May gescheitert, als sich das Unterhaus mit der Rekordmehrheit von 230 Stimmen gegen ihren Deal ausgesprochen hatte. Diesmal fiel die Schlappe geringer aus. Die Verlustmarge betrug 149 Stimmen. Obwohl auch das noch eine deutliche Niederlage ist, wird die Premierministerin argumentieren, dass sie in den nächsten zwei Wochen weitere Abgeordnete überzeugen und eine dritte Abstimmung vor dem Austrittsdatum am 29. März schließlich gewinnen könnte.

Dabei hatte es zuerst gut ausgesehen. Theresa May war am Montagabend nach Straßburg geflogen, um dort letzte Konzessionen beim Brexit-Deal festzuklopfen. Kurz vor Mitternacht konnte die Regierungschefin verkünden, „rechtliche bindende Änderungen beim Backstop“ erlangt zu haben. Am Dienstagmorgen prangte dann das Foto einer amüsiert lächelnden, mit Handkuss vom EU-Chefunterhändler Michel Barnier begrüßten Premierministerin auf der Titelseite der „Daily Mail“. „Mit Kuss besiegelt“ feierte das Blatt den „Brexit-Durchbruch“. May habe „entscheidende Konzessionen beim Brexit-Deal gesichert“.

Tatsächlich konnte die Premierministerin einige Zugeständnisse beim Backstop vorweisen, der Auffanglösung zur Verhinderung einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland. Der Backstop sieht vor, dass Großbritannien so lange Mitglied in der Zollunion verbleibt, bis ein künftiges Freihandelsabkommen die Auffanglösung überflüssig macht. Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei wittern darin eine Falle, mit der die EU das Königreich auf unbestimmte Zeit in der Zollunion gefangen halten könnte. Drei Erklärungen, die dem Austrittsvertrag und der politischen Absichsichtserklärung jetzt angefügt wurden, sollten diese Ängste zerstreuen. Sie würden garantieren, sagte May, „dass die EU nicht mit der Absicht vorgehen kann, den Backstop auf unbegrenzte Zeit anzuwenden“. Wenn das aber der Fall sein sollte, könnte Großbritannien eine Schiedsstelle anrufen und den Backstop aussetzen. In einem Zusatz zur gemeinsamen politischen Absichtserklärung unterstreicht die EU, dass der Backstop nur eine Übergangslösung sei und man konstruktiv für eine Alternative dazu arbeiten werde.

Die große Frage war: Würde es reichen? Die ersten Reaktionen von Mays schärfsten Kritikern auf ihre Straßburger Errungenschaften waren zunächst vielversprechend, weil nicht von vornherein ablehnend. Man werde, ließ die ultrakonservative DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, aufmerksam prüfen, was die EU angeboten habe. Auch die „European Research Group“ (ERG), eine Vereinigung von rund 80 Brexit-Hardlinern innerhalb der Regierungsfraktion, wollte eine Zustimmung zunächst nicht ausschließen. Das Urteil von Geoffrey Cox, dem Generalstaatsanwalt und oberstem Rechtsberater der Regierung, sei entscheidend, hieß es seitens der ERG. Cox hatte im Januar über den Austrittsvertrag geurteilt, dass die Gefahr eines permanenten Verbleibs in der Zollunion bestehe. Das hatte letztlich 118 Tory-Abgeordnete bewogen, gegen den Deal ihrer Premierministerin zu stimmen.

Am Nachmittag trat Geoffrey Cox vor das Unterhaus und stellte seine Bewertung des mit neuen „rechtsverbindlichen Instrumenten“ versehenen Austrittsvertrages vor. Seine Ausführungen konnte die Finanzmärkte, die auf Mays Straßburger Pressekonferenz noch mit einer deutlichen Aufwertung des britischen Pfunds auf ein Zweijahreshoch reagiert hatten, nicht überzeugen. Die Landeswährung sackte wieder um gut anderthalb Cent gegenüber dem Euro ab. Denn Cox brachte keine guten Nachrichten. Zwar würden die neuen Bestimmungen „das Risko reduzieren“, dass Großbritannien „gegen seinen Willen und auf unbestimmte Zeit“ im Backstop gefangen bliebe. Aber es habe sich nichts daran geändert, dass im Falle einer Nicht-Einigung mit der EU das Königreich keine legalen Mittel habe, den Backstop zu verlassen ohne die Zustimmung der EU: „Es gibt kein ultimatives unilaterales Recht, aus diesem Arrangement auszutreten“.

Das saß. Genau diesen unilateralen Austrittsmechanismus hatten ERG und DUP gefordert. Cox bestätigte die Unmöglichkeit, dieses Zugeständnis von der EU zu bekommen. Allerdings unterstrich er auch, dass die Abgeordneten letztlich eine politische Entscheidung treffen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich EU und Großbritannien auf kein Freihandelsabkommen einigen könnten, die den Backstop überflüssig macht, sei gering, weil es im Interesse beider Seiten liege. Das Unterhaus, sagte er, müsse jetzt ein politisches Urteil darüber treffen, ob der Austrittsvertrag gerechtfertigt sei.

Eine gusseiserne Versicherung sieht anders aus. Stattdessen konnte die Regierung den Rebellen in den eigenen Reihen lediglich eine wacklige Leiter zum Herunterklettern anbieten. Viele eher moderate Torys hatten auf diese Gelegenheit gewartet. Aber es war nicht genug für die Brexit-Hardliner. Die DUP, deren zehn Abgeordnete die Regierung an der Macht halten, erklärte, dass „kein genügender Fortschritt erreicht worden sei“. Und auch die ERG machte schon Stunden vor der Abstimmung klar, dass man erneut gegen den Deal stimmen würde.

Theresa May wird trotzdem nach dieser Niederlage versuchen, ihren Deal in einer dritten Abstimmung durchs Unterhaus zu bringen. Doch ihre Manövrierfähigkeit wird in den nächsten Tagen eingeschränkt werden. Am heutigen Mittwoch entscheiden die Volksvertreter, ob sie ein No-Deal-Szenario, einen ungeregelten Austritt zulassen wollen. Wenn nicht, können sie am Donnerstag darauf dafür stimmen, die Regierung anzuweisen, um eine Fristverlängerung in Brüssel nachzusuchen.

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