Obamas Strategie im Ukraine-Konflikt Der Finger bleibt am Drücker

Washington · US-Präsident Obama wird in der Nacht zum Sonntag genau hinsehen, ob die beschlossene Waffenruhe im Osten der Ukraine eingehalten wird. Sollten die tödlichen Kämpfe dort weitergehen, dürfte seine Geduld mit der schleppenden Diplomatie am Ende sein. Schon am Mittwoch könnte er Waffenlieferungen beschließen.

 US-Präsident Barack Obama muss entscheiden, ob die USA Waffen in die Ukraine schicken.

US-Präsident Barack Obama muss entscheiden, ob die USA Waffen in die Ukraine schicken.

Foto: afp, SL/kb

In Minsk war die Tinte noch nicht getrocknet, da hatten die USA ein Dutzend Kampfflugzeuge aus dem Südstaat Arizona nach Europa verlegt. Mindestens sechs Monate sollen die Flieger vom Typ A-10 "Thunderbolt" auf der US-Basis im rheinland-pfälzischen Spangdahlem bleiben. Es sei der erste Teil eines "Sicherheitspakets" am Schauplatz Europa, hieß es aus dem Pentagon.

Mit Blick auf die im weißrussischen Minsk vereinbarte Feuerpause in der Ostukraine und den Abzug schwerer Waffen ist das eine eindeutige Nachricht. Der Krisendiplomatie von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande will die US-Regierung zwar eine Chance geben. Doch der Finger bleibt am Drücker - auch mit Blick auf mögliche Waffenlieferungen. Daran ließ auch US-Präsident Barack Obamas Sprecher Josh Earnest zuletzt keinen Zweifel. "Unsere Haltung hat sich nicht geändert, weshalb wir unsere Antwort auf diese Krise laufend überprüfen."

Obama steckt in einer Zwickmühle. Einerseits will er Russlands Präsidenten Wladimir Putin in die Ecke drängen und ein klares Signal senden, dass weitere Schachzüge in Richtung Ukraine ihn teuer zu stehen kommen könnten - auch, um nicht erneut als Zauderer dazustehen. Zugleich will er den deutsch-französischen Bemühungen keinen Strich durch die Rechnung machen.

Kleine Schritte des US-Präsidenten

Und so geht Obama in kleinen Schritten vor, die ähnlich wie sein Besuch in Estland im September vor allem auch als Signal an Putin gedacht sind. Kommenden Monat wollen die USA im westukrainischen Lwiw (Lemberg) drei Bataillone des ukrainischen Innenministeriums ausbilden, Teil des Trainings soll der Schutz vor Artillerieangriffen sein. Unterdessen wurde der Zerstörer "USS Cole" ins Schwarze Meer verlegt, um dort angesichts der Ukraine-Krise zu patrouillieren.

Es ist kein Geheimnis, dass Obama eine diplomatische Lösung des Konflikts mit mehr als 5400 Toten vorzieht. Neue Sanktionen gegen Russland oder Waffenlieferungen an die Ukrainer wird es daher nicht geben, heißt es in Washington - zumindest vorerst.

Doch die Diskussion um Waffenlieferungen wird immer lauter geführt. Im Pentagon war zuletzt von "aktiven und umfassenden Gesprächen" die Rede. Möglich sind Panzerabwehrwaffen, bewaffnete Geländefahrzeuge, Radar-Systeme sowie Drohnen, um russische Raketenwerfer und Artilleriegeschütze ins Visier zu nehmen. Obama weiß, dass seine Entscheidung den Konflikt in die eine oder andere Richtung drehen könnte. "Im Ende wird wieder alles von Washington abhängen", schreibt Jan Techau, Direktor des europäischen Carnegie-Zentrums.

Entscheidung am Mittwoch

Noch hat der Präsident nicht erklärt, wie er die 350 Millionen Dollar (309 Millionen Euro) ausgeben will, die der Kongress für Militärhilfen für die Zeit bis 2017 grundsätzlich gebilligt hat, davon 100 Millionen für dieses Jahr. Bis kommenden Mittwoch hat er noch Zeit - also drei Tage nach Beginn der geplanten Waffenruhe. Und vermutlich dürfte er sich selbst und den Fort- oder Rückschritten in der krisengeschüttelten Ukraine bis zum letzten Moment Zeit lassen, bevor er eine Entscheidung trifft.

"Alarmierende Mattigkeit und Passivität", nennt das die "Washington Post". Die einzige Neuigkeit aus der gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzlerin Merkel sei gewesen, dass Obama sich beim Thema Waffenlieferungen nicht entscheiden könne. "Die Russen haben T-80 Panzer und Grad-Raketenwerfer geschickt. Wir haben humanitäre Hilfe geschickt, darunter Decken, Fertignahrung und Seelenbetreuer."

Der schärfste Obama-Kritiker John McCain, Vorsitzender im Streitkräfte-Ausschuss des Senats, drückt stärker aufs Gas. Die Minsker Vereinbarung würde den Konflikt "einfrieren" und die Landgewinne der prorussischen Separatisten noch festigen. Die Ukrainische Grenze bleibe "fest unter der Kontrolle Moskaus".
Einschüchtern lassen wird Obama sich von dem 78 Jahre alten Republikaner aber sicher nicht.

(dpa)
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