Verhandlungsmarathon Ein bisschen Frieden für die Ukraine

Berlin · Ab Samstagabend, 23 Uhr mitteleuropäischer Zeit, sollen die Waffen in der Ukraine endlich schweigen. In einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon in Minsk stimmten am Ende nach Russland und der Ukraine auch die russischen Separatisten einem entsprechenden Übereinkommen zu.

Eindrücke vom Minsker Friedensgipfel
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Mit dem Beschluss für den Waffenstillstand konnte das wichtigste Ziel der von Deutschland und Frankreich initiierten Verhandlungen erreicht werden. Nach Wochen der Gewalt mit einer hohen Zahl an zivilen Opfern und Zerstörung der Infrastruktur hätte es ansonsten in der Ukraine zu einer humanitären Katastrophe kommen können.

Der Friedensschluss gilt aber als labil. Entsprechend verhalten reagierte die deutsche Seite auf die Ergebnisse. "Wir hätten uns mehr gewünscht", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in der vergangenen Woche für die Friedensverhandlungen um die halbe Welt gereist war, zeigte sich vorsichtig optimistisch: "Ich habe keine Illusion: Es ist noch sehr, sehr viel Arbeit notwendig. Es gibt aber eine reale Chance, die Dinge zum Besseren zu wenden."

Der französische Präsident François Hollande sprach von "Erleichterung für Europa und Hoffnung für die Ukraine". EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der nicht bei den Verhandlungen dabei war, zeigte sich erfreut und sprach von einer "ausgezeichneten Nachricht".

Im September vergangenen Jahres hatte es schon einmal ein Waffenstillstandsabkommen für die Ukraine gegeben, das aber von beiden Seiten missachtet wurde. In den Verhandlungen wurde an dieses Abkommen angeknüpft. Die pro-russischen Separatisten sollen sich auf die damalige Frontlinie zurückziehen. Die Ukrainer wiederum sollen ihre Waffenaus aus den von den Separatisten eroberten Gebieten zurückziehen. Dadurch entsteht ein Korridor. Wie breit er am Ende ist, bleibt offen. Wegen der erst in der Nacht zu Sonntag beginnenden Waffenruhe und dem weiteren Vormarsch der Separatisten könnte der Korridor noch wachsen. Bei diesen Verhandlungen haben sich die Beteiligten darum bemüht, mehr Garantien zu schaffen, dass der Waffenstillstand auch eingehalten wird.

So wollen die vier Länder des "Normandie-Formats" - Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich - ein Aufsichtsgremium einsetzen, das die Umsetzung der Waffenruhe kontrolliert. Vereinbart wurde zudem, dass innerhalb der nächsten 19 Tage alle Gefangenen freigelassen werden sollen. Die internationale Gemeinschaft will zugleich die Ukraine wirtschaftlich stärken. Innerhalb von vier Jahren soll das Land insgesamt 15,5 Milliarden Euro erhalten, wie die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, gestern bekannt gab. Im Gegenzug muss die Ukraine wirtschaftliche Reformen einleiten.

Die deutsche Wirtschaft hofft nun auf ein schrittweises Ende der Sanktionen gegen Russland. Aus Sicht des CDU-Außenexperten Norbert Röttgen ist dies viel zu früh. "Ein Waffenstillstand kann noch nicht die Rücknahme von Sanktionen rechtfertigen", sagte Röttgen unserer Zeitung. "Dafür braucht man vielmehr substanzielle, verlässliche, nachhaltige Schritte zu einer Zurücknahme von Militär und Waffen sowie positive Schritte Richtung einer politischen Lösung."

Trotz des nur kleinen Fortschritts für einen Frieden in der Ukraine erhielt Merkel gestern Lob für ihre diplomatische Kunst. Sogar Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sprach der Kanzlerin Anerkennung aus.

(RP)
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