Alle Politik-Artikel vom 27. Mai 2003
Struck plädiert für Wehrdienst

Bundeswehreinsatz im Irak nicht ausgeschlossenStruck plädiert für Wehrdienst

Hamburg (rpo). Ein weiteres Mal hat sich Verteidigungsminnister Peter Struck gegen eine Berufsarmee ausgesprochen. Außerdem sagte Struck, dass ein Bundeswehreinsatz im Irak nicht ausgeschlossen sei. "Eine Berufsarmee ist teurer und kann die Entfremdung der Gesellschaft zu ihrer Armee bedeuten", sagte der SPD-Politiker am Dienstag bei einem Vortrag in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Einen Bundeswehr- Einsatz im Irak unter dem Dach der Vereinten Nationen wie in Afghanistan schloss der Minister nicht grundsätzlich aus. "Die Frage stellt sich zur Zeit aber noch nicht." Struck will bis zum Sommer die neunmonatige Dauer der Wehrpflicht überprüfen. "Ich möchte wissen, wie der Ausbildungsstand nach sechs, sieben, acht und neun Monaten ist. Dann entscheiden wir für den Rest der Legislaturperiode über die Dauer." Mit den Grünen wolle er keinen "Kuhhandel" eingehen, sagte der Minister. Die Grünen befürworten die Einführung einer Berufsarmee.

Thüringens Wirtschaftsminister "geht mit Vogel"

Franz Schuster verlässt RegierungThüringens Wirtschaftsminister "geht mit Vogel"

Erfurt (rpo). Mit dem Rücktritt von Bernhard Vogel (CDU, Foto) verliert die Thrüringer Regierung auch ihren Wirtschaftsminister. Franz Schuster will das Kabinett verlassen. Er stehe für ein neues Kabinett des designierten Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) nicht zur Verfügung, teilte der 59-jährige Schuster am Dienstag in Erfurt mit. Althaus hatte nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) Veränderungen in der Regierungsmannschaft angekündigt. Der 44- jährige CDU-Fraktionschef soll am 5. Juni vom Landtag als Nachfolger von Vogel gewählt werden. "Ich bin mit Bernhard Vogel gekommen, ich werde auch mit ihm gehen", sagte Schuster. Der 70-jährige Vogel hatte am Wochenende bekannt gegeben, dass er das Amt als Regierungschef gut ein Jahr vor Ende der Amtszeit an Althaus übergeben will. In Thüringen war danach auch über die Neubesetzung des Wirtschaftsressorts spekuliert worden. Schuster will weiter Abgeordneter im Erfurter Landtag bleiben.

Schröder offenbar verärgert über Streit in NRW

Kanzler soll "erkennbar genervt" gewesen seinSchröder offenbar verärgert über Streit in NRW

Berlin (rpo). Der Koalitionsstreit in Nordrhein-Westfalen scheint Bundeskanzler Gerhard Schröder ziemlich zu verärgern. Er habe "eigentlich etwas anderes zu tun", soll er auf der Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion gesagt haben. So lauten übereinstimmenden Angaben mehrerer Teilnehmer. Offenbar ist Schröder in Sorge, dass der Streit in Düsseldorf den SPD-Sonderparteitag zur Agenda 2010 am kommenden Sonntag in Berlin überlagern könnte. Er sei "erkennbar genervt", hieß es. Zu dem Koalitionskonflikt in Nordrhein-Westfalen habe Schröder erklärt: "Man glaubt es zwar kaum, aber es ist so." Der Kanzler habe betont, wenn diese Wochen und der Parteitag überstanden seien, "werden andere Debatten verschwinden". Nach Angaben von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering äußerte sich Schröder in der Klausursitzung "äußerst zurückhaltend" zu dem Thema. Der SPD-Fraktionschef unterstrich, er, Müntefering, habe "keine Lust", den Konflikt "auf die Bundesebene zu transportieren". Die rot-grünen Bündnisse in Berlin und Düsseldorf funktionierten gut und sollten nicht in Frage gestellt werden. Die SPD-Führung rechnet inzwischen fest mit einer satten Mehrheit für das umstrittene Reformkonzept Schröders. Entsprechend äußerten sich Müntefering und ander SPD-Spitzenpolitiker nach der zweitägigen Klausur. Müntefering sagte, von dem Parteikongress werde am Sonntag ein Signal ausgehen: "Wir haben verstanden! Veränderung ist möglich!" Die SPD sei weggekommen von einem sich "Festbeißen" an einzelnen Details. Die Abstimmung im Bundestag bleibt allerdings eine Zitterpartie für den Kanzler. Trotz Schröders Appell vor den SPD-Abgeordneten, ihm zu folgen, legten sich mehrere Gegner des Projekts weiterhin nicht fest, ob sie im Parlament für das Reformkonzept stimmen. "Die Grundrichtung ist nicht mehr im Streit, der Widerstand aber auch nicht vollständig gebrochen", hieß es nach der Sitzung aus Teilnehmerkreisen. Müntefering sieht Umdenken bei Kritikern Der SPD-Fraktionschef betonte, zwar sei auf dem Sonderparteitag mit diversen Anträgen gegen die Agenda oder mit Änderungswünschen zu rechnen. Jedoch erwarte er, dass sich die Kritiker dem Votum der Basis beugten und im Bundestag für Schröders Pläne votierten. In der Klausurtagung sei es nicht darum gegangen, Harmonie in der Partei oder mit den Gewerkschaften zu erzeugen, sondern noch einmal klar zu machen, was das Ziel des Projektes sei, nämlich Deutschland sozial gerecht zu modernisieren. Dies hätten inzwischen auch die Kritiker verstanden. Müntefering deutete an, dass die Agenda 2010 nur der Anfang der Reformen sei und weitere Schritte folgten. Die Koalition werde aufs Tempo drücken. Die Gesetzentwürfe zur Gesundheitsreform, zur neuen Handwerksordnung und dem überarbeiteten Arbeitsrecht kämen noch vor der Sommerpause ins Parlament, der Rest aus Schröders Konzept kurz danach.

US-Geheimdienste wieder im Fadenkreuz

Demokraten wittern WahlkampfmunitionUS-Geheimdienste wieder im Fadenkreuz

Washington (rpo). Kurz vor Beginn des Irak-Krieges haben die USA angebliche Geheimdienstinformationen vorgelegt, die die Existenz von Massenvernichtungswaffen belegen sollten. Doch bislang wurde nichts gefunden. Genau wie nach den Anschlägen vom 11. September stehen die US-Geheimdienste wieder einmal im Fadenkreuz.Für die demokratische Opposition, die Wahlkampfmunition wittert, steht fest: Die Regierung hat bei der Beschreibung der irakischen Gefahr durch biologische und chemische Waffen, aber auch der Darstellung terroristischer Verbindungen des Saddam-Regimes stark übertrieben. Der prominente Senator Robert Byrd, der im Kongress gegen den Irak-Krieg stimmte, sieht gar eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit mit dem Ziel, sich möglichst breite Zustimmung zum Waffengang zu sichern. Es sei schmerzhaft klar geworden,"dass der Irak keine unmittelbare Bedrohung für die USA war", stellte der politische Veteran kürzlich fest. Auch bei Republikanern wächst das Unbehagen. So befürchtet etwa Senator Pat Roberts eine "Glaubwürdigkeitskrise", wenn nicht bald biologische oder chemische Waffen gefunden würden. Aber die Linie der Republikaner ist klar: Sollte die Bedrohungsanalyse vor dem Krieg tatsächlich zu dramatisch ausgefallen sein, dann war das keine böse Absicht der Regierung. Sie habe sich ausschließlich auf Erkenntnisse der US-Geheimdienste gestützt, und wenn diese die Lage falsch eingeschätzt hätten, dann sei das nicht der Regierung anzulasten. Ermittlungen, ob sich die Geheimdienste in ihrer Einschätzung irrten, sind unter Leitung früherer CIA-Beamten auf Anweisung von Pentagon-Chef Donald Rumsfeld bereits im Gange. Er gab sie schon vor Kriegsbeginn in Auftrag, weil er über widersprüchliche Geheimdienst- Erkenntnisse zu Verbindungen des Bagdader Regimes mit der Terror- Organisation El Kaida nach Insider-Angaben "irritiert" war. Heißt es in der Umgebung des Weißen Hauses, die Untersuchung diene nicht der Schuldzuweisung, sondern einer möglichen Verbesserung der geheimdienstlichen Arbeit, sind CIA-Kreise skeptisch. Sie verweisen darauf, dass - wie nach dem 11. September - immer eilfertig mit dem Finger auf die Geheimdienste gezeigt werde, wenn etwas schief gehe. Tatsächlich laufen die Untersuchungen zu einem Zeitpunkt starker Spannungen zwischen CIA und Pentagon über den Umgang mit Geheimdienstinformationen. Zahlreiche Medien haben in letzter Zeit über Klagen von CIA-Analytikern berichtet, die Bush-Administration - vor allem das Pentagon - habe versucht, sie zu Einschätzungen der irakischen Bedrohung im Sinne der Regierungsposition zu drängen. Beschwerden über eine "Politisierung" geheimdienstlicher Erkenntnisse nahmen den Berichten zufolge im vergangenen Jahr nach Einrichtung einer eigenen geheimdienstlichen Abteilung im Pentagon zu. Wie es heißt, schuf Rumsfeld sie aus "Frust" darüber, dass CIA- Kreise bei der Analyse von Informationen aus dem Irak zu "zurückhaltend" waren. Die Abteilung sammele selbst keine Informationen, sondern prüfe nur Daten, sagte Rumsfeld. Schlimm genug, zitierten Zeitungen wie die "New York Times" CIA-Beamte, die darauf verweisen, dass die Abteilung durchweg mit konservativen Ideologen besetzt und darauf versessen sei, der Regierung nach dem Mund zu reden. Die Republikaner hoffen vor allem darauf, dass im Irak doch noch der "rauchende Colt" gefunden wird. Sonst sei zu befürchten, dass eine harte Gangart gegen Problemstaaten wie Iran schwerlich plausibel gemacht werden kann, wenn sie auf ähnlich bisher unbewiesene Bedrohungsszenarios beruht wie im Irak-Fall.

"Kein Treueschwur für Rot-Grün"

Steinbrück legte im Koalitionsstreit nach"Kein Treueschwur für Rot-Grün"

Düsseldorf (rpo). Drei Ministerpräsidenten hat die rot-grüne Koalition in Düsseldorf schon erlebt. Ärger gab es eigentlich immer: Sowohl unter Johannes Rau als auch Wolfgang Clement - und jetzt auch unter Peer Steinbrück. Immer wieder wurde das Ende der Koalition vorausgesagt, immer wieder gaben die Grünen nach. Doch dieses Mal ist alles anders - und vielleicht gerade deshalb ernster als zuvor.Es gibt keinen konkreten Streitpunkt zwischen den Parteien. Im Gegenteil: Selbst ihre Einwände gegen Straßenbauprojekte im Bundesverkehrswegeplan haben die Pragmatiker der Grünen in Regierung und Fraktion unlängst zur Seite gelegt. Gerade deshalb findet Umweltministerin Bärbel Höhn es "umso ärgerlicher, dass wir jetzt eigentlich abstrakt über eine Krise bei Rot-Grün diskutieren". Und dann das: Steinbrück setzte am Dienstag in der SPD-Landtagsfraktion sogar noch einen drauf. "Es gibt am Donnerstagabend beim Kanzler keinen Treueschwur für Rot-Grün", legte er seine Linie für das Krisentreffen bei Gerhard Schröder in Berlin fest. Lauten Beifall habe Steinbrück für seinen Kurs gefunden, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Nur die ehemalige Schulministerin Gabriele Behler habe gegen ihn gesprochen. Vor Journalisten wiederholte Steinbrück seine Ansage vom Montag: Die Koalition befinde sich "in einem Überprüfungsprozess. Ein solcher Klärungsprozess hat es nun einmal an sich, dass er erst zu Ende geführt werden muss, um festzustellen, ob man eine gemeinsame Plattform hat". Erst dann könne die Frage beantwortet werden: "Macht man mit diesen beiden Partnern weiter?" Was Steinbrück umtreibt, fordert dem Koalitionspartner Erklärungsversuche ab. "Da wabert so etwas herum, keiner weiß, worum genau es sich handelt", meinte der stellvertretende Ministerpräsident und Bauminister Michael Vesper. "Es ist ein Problem der SPD. Ich wäre auch nervös, wenn ich solche Umfragewerte hätte." Für einen Koalitionswechsel zur FDP, der drittstärksten Partei im Landtag, wäre es in der Tat der geeignete Zeitpunkt, rund zwei Jahre vor der Landtagswahl und gut ein Jahr vor den Kommunalwahlen, bei denen die SPD vor vier Jahren schmerzhafte Einbußen hatte hinnehmen müssen. Steinbrück und SPD-Landeschef Harald Schartau nannten die anstehenden schwierigen Entscheidungen über die Verwendung der extrem knappen Staatseinnahmen als Grund für die Überprüfung der Zusammenarbeit mit den Grünen. Arbeitsgruppen, so wurde am Montag vergangener Woche vereinbart, sollen sich über die einzelnen Punkte verständigen, wo weiter Geld ausgegeben werden soll und wo nicht. Ein Termin dafür ist aber nach den Worten von Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann noch nicht vereinbart. Grüne bekräftigen ihre Bündnistreue Die Grünen versuchten am Dienstag, ihre Koalitionstreue im Angesicht wachsender Zweifel hervorzuheben. Der Ball liege jetzt bei der SPD, sagte Vesper. Die SPD müsse jetzt schnell klären, was sie eigentlich wolle, verlangte Höhn. Die Fraktion sei ohne Ausnahme für die Fortsetzung der Zusammenarbeit, sagte Löhrmann. Aber: Es habe Fragen gegeben, "wie verlässlich ist denn eigentlich die Arbeitsgrundlage"? Das könnte sich nach dem Krisengespräch bei Schröder herausstellen. In der Bundes-SPD gibt es Stimmen wie die des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Michael Müller, die vor den bundespolitischen Folgen eines Koalitionsbruchs in Düsseldorf warnen. Andererseits kritisierte Schröder am Montag die nordrhein-westfälischen Grünen wegen einer "Neigung zu Debatten", die die Bundes-Grünen längst überwunden hätten. Und, so unterstrich er, die Entscheidung falle natürlich in Nordrhein-Westfalen.

55 Saarländer werden zu Rheinland-Pfälzern

Gebietstausch an der Grenze beider Bundesländer55 Saarländer werden zu Rheinland-Pfälzern

Freisen (rpo). Kuriosum an der saarländisch-rheinland-pfälzischen Grenze: 55 Bürger, die bislang im Saarland wohnten, wechslen mit Sack und Pack das Bundesland und sind demnächst Rheinland-Pfälzer.Die Ministerpräsidenten beider Länder, Peter Müller (CDU) und Kurt Beck, (SPD) unterzeichneten am Dienstag nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung in der nordsaarländischen Gemeinde Freisen einen Staatsvertrag zur Änderung der Landesgrenze. Danach wird ein Straßenzug von Freisen-Haupersweiler an die zu Kusel gehörende rheinland-pfälzische Ortsgemeinde Herchweiler abgegeben. Die Bürger hatten bei einer Befragung mit großer Mehrheit für den seit Jahrzehnten diskutierten Wechsel gestimmt. Im Gegenzug wird das Saarland flächenmäßig etwas größer: Es erhält vom Nachbarn eine unbebaute Fläche, die als Zufahrt zur Bauschuttdeponie von Freisen genutzt werden kann. Müller und Beck vereinbarten gleichzeitig, die Zusammenarbeit der beiden Länder weiter zu verstärken. In den Bereichen Justiz und Gesundheit wurden konkrete Projekte vereinbart. Müller und Beck blieben aber bei ihren unterschiedlichen Standpunkten zu einer möglichen Fusion der beiden Bundesländer. Der Rheinland-Pfälzer Beck sagte zunehmende Verteilungskonflikte voraus. Da andererseits die Bevölkerungszahlen in den nächsten 30 Jahren voraussichtlich um ein Viertel zurückgingen, müsse man darüber nachdenken, ob ein gemeinsames Auftreten nicht besser sei. Dagegen zeigte sich Müller überzeugt, dass die saarländischen Interessen von einem eigenständigen Bundesland besser vertreten werden könnten. Außerdem zeige das Beispiel des Nationalstaates Luxemburg, dass nicht die Größe eines Landes für den Erfolg entscheidend sei. Zudem würden bei einer Zusammenlegung die politischen Kosten nicht ersatzlos wegfallen, weil zahlreiche Aufgaben auch weiterhin erledigt werden müssten, sagte Müller. Die beiden Landesregierungen sprachen sich gemeinsam für eine Stärkung des Föderalismus' aus. Dabei müssten auch die Zuständigkeiten in der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern entflochten werden. Zudem forderten das Saarland und Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen zu übertragen, um damit die Zusammenarbeit mit Regionen in den Nachbarstaaten zu vereinfachen.

Bremen: CDU droht SPD mit Scheitern der Koalitionsverhandlungen

Auch Gang in die Opposition habe für CDU ihren "Reiz"Bremen: CDU droht SPD mit Scheitern der Koalitionsverhandlungen

Bremen (rpo). Das Verhältnis der zwischen der CDU und der SPD in Bremen ist seit dem klaren Sieg der Sozialdemokraten gespannt. Die CDU warnt die SPD in den anstehenden Koalitions-Verhandlungen vor Überheblichkeit. Ansonsten lasse man die Gespräche scheitern.Auch der Gang in die Opposition habe für die CDU ihren "Reiz", sagte der Landesvorsitzende Bernd Neumann. Er reagierte damit auf Forderungen führender SPD-Politiker vom Vortag, der neue Koalitionsvertrag müsse stärker eine "sozialdemokratische Handschrift" tragen als der alte. Der SPD-Landesvorstand und ein kleiner CDU-Parteitag befürworteten am Montagabend jeweils einstimmig Gespräche über die Fortsetzung der seit 1995 regierenden großen Koalition. Bei der SPD muss dies noch von einem Landesparteitag an diesem Mittwoch abgesegnet werden. Beide Parteien benannten eine jeweils aus sieben Personen bestehende Verhandlungskommission. Nach dem Willen der SPD sollen die Gespräche so zügig geführt werden, dass ein weiterer Parteitag am 28. Juni über das Ergebnis entscheiden kann. Auch CDU-Landeschef Neumann meinte, bis zum Beginn der Sommerpause Mitte Juli sollte Klarheit bestehen. Er betonte, noch sei nicht absehbar, ob es zu einer neuen großen Koalition kommen werde. In den zentralen Politikfeldern Finanzen, Wirtschaft und Bildung dürfe es keinen Kurswechsel durch die SPD geben. "Nur unter dieser Maßgabe gehen wir in die Koalitionsverhandlungen." Die SPD dürfe auch nicht versuchen, die CDU personell "abzuspeisen". So wolle die Union weiterhin drei der sieben Senatorenposten besetzen.

Steinbrück lässt die Grünen warten

Müntefering und Clement für Erhalt der KoalitionSteinbrück lässt die Grünen warten

Berlin (rpo). Krisenstimmung in Düsseldorf und Berlin. Auch die SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland befürchten einen Bruch der rot-grünen Koalition am Rhein. NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück wollte sich unterdessen nicht auf einen Termin für eine endgültige Entscheidung festlegen.Bei einer Sitzung der NRW-Landesgruppe am Rande der Fraktionsklausur in Berlin wurden nach dpa-Informationen am Dienstag zahlreiche Warnungen vor den bundespolitischen Folgen eines solchen Schritts formuliert. Es sei zwar nicht förmlich abgestimmt worden, hieß es nach den Beratungen. Eine Mehrheit der Anwesenden habe jedoch die Ansicht vertreten, ein Koalitionswechsel in Düsseldorf sei "keine reine Ländersache". Redner wiesen auf mögliche Folgen für die Reformgesetze und die Auswirkungen auf den Bundesrat hin. Vereinbart wurde, dass die Landesgruppe sich am kommenden Dienstag in Berlin mit Steinbrück und SPD-Landeschef Hartmut Schartau erneut trifft. Bei einem kurzfristig vereinbarten Termin am Mittwoch vergangener Woche hatte Steinbrück die SPD-Abgeordneten in Berlin auf ein mögliches Ende der Zusammenarbeit mit den Grünen in Düsseldorf eingestimmt. Mit rund 60 Mitgliedern ist die NRW- Landesgruppe die größte innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion, die 251 Abgeordnete zählt. Müntefering plädiert für Erhalt der KoalitionDer SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Franz Müntefering, plädiert für den Erhalt der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen. Mit dieser politischen Konstellation könne man "in Berlin und Düsseldorf gute Politik" machen, sagte er am Dienstag nach einer Fraktionsklausur in Berlin. Nach Überzeugung des früheren NRW-Landesministers gibt es keine "einfachen Koalitionen". Auch Allein-Regierungen mit absoluter Mehrheit hätten manchmal Probleme. Nach Münteferings Angaben soll beim Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und der NRW-SPD-Führung am Donnerstagabend in Berlin auch über die Konsequenzen eines Koalitionsbruchs am Rhein geredet werden. Auch der frühere NRW-Ministerpräsident und jetzige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) ist optimistisch, dass die Koalitionskrise in Düsseldorf einvernehmlich gelöst wird. Alle hätten dort Verantwortung, sagte Clement am Dienstag. Er sei sicher, dass auch sein Nachfolger dieser Verantwortung gerecht werde, meinte er in Richtung von NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD). Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion Steinbrück hat für seinen kritischen Kurs gegenüber dem Koalitionspartner Grüne nach eigenen Worten die Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion. Steinbrück sagte am Dienstag nach der Fraktionssitzung in Düsseldorf, die Koalition befinde sich "in einem Überprüfungsprozess". Dies sei am Montag vergangener Woche zwischen SPD und Grünen vereinbart worden. "Ein solcher Klärungsprozess hat es nun einmal an sich, dass er erst zu Ende geführt werden muss, um festzustellen, ob man eine gemeinsame Plattform hat", erklärte Steinbrück. Erst dann könne die Frage beantwortet werden: "Macht man mit diesen beiden Partnern weiter?." Die SPD gehe an die zu klärenden Fragen allein unter dem Gesichtspunkt heran, was dem Land nütze. Es gehe unter anderem um die sehr schwierige Aufstellung des Landeshaushalts 2004/2005. Er sei froh, dass er für diesen Standpunkt in der Fraktion große Bestätigung gefunden habe. Deshalb gebe es für ihn keinen Anlass, "irgendwelchen Spekulationen Nahrung zu geben". Steinbrück lässt offen, bis wann er die Entscheidung über das Aus oder über die Fortsetzung der rot-grünen Koalition treffen will. Er werde keinen Zeitpunkt nennen, um die Beteiligten nicht unter Druck zu setzen, sagte Steinbrück am Dienstag nach einer Sitzung der SPD-Landtagsfraktion. Der Termin des SPD-Sonderparteitags am 1. Juni spiele keine Rolle.

Drei Tote bei Feuergefecht in Irak

US-Soldaten in Falludschah beschossenDrei Tote bei Feuergefecht in Irak

Bagdad (rpo). In der irakischen Stadt Falludscha ist es zu einem blutigen Feuergefecht gekommen. Dabei wurden ein US-Soldat sowie zwei der Angreifer getötet.Wie die US-Streitkräfte mitteilten, erlitten sieben weitere Soldaten Verletzungen. Nach ersten Berichten wurden die Soldaten von einer Moschee aus mit Granaten und Handfeuerwaffen beschossen. Sie hätten das Feuer erwidert. Sechs Personen seien festgenommen worden. Ein Militärhubschrauber, der die Verletzten während des Gefechts evakuieren sollte, wurde bei der Landung beschädigt. Bereits am Montag waren bei zwei Zwischenfällen in Irak zwei US-Soldaten getötet worden. Ein Konvoi der Streitkräfte geriet auf dem Weg zu einer Militärbasis in Haditha, rund 190 Kilometer nördlich von Bagdad, in einen Hinterhalt. Dabei kam ein Soldat ums Leben, ein weiterer wurde verletzt. Die Angreifer blieben unerkannt. In der Nähe von Bagdad wurde ein amerikanischer Soldat getötet, als ein Humvee-Geländewagen über eine Landmine oder einen nicht detonierten Sprengsatz fuhr. Drei weitere Soldaten wurden verletzt. Augenzeugen sprachen von einem Hinterhalt. Das Fahrzeug sei vor der Explosion beschossen worden.

"Kalif von Köln" ist frei

Haftanstalt verlassen"Kalif von Köln" ist frei

Düsseldorf (rpo). Der als "Kalif von Köln" bekannt gewordene Islamistenführer Metin Kaplan ist wieder in Freiheit und hat das Düsseldorfer Gefängnis Ulmer Höh' verlassen. Das entschied das Düsseldorfer Oberlandesgericht am Dienstag und setzte den Extremisten auf freien Fuß. Kaplan drohe in der Türkei politische Verfolgung, begründete das Gericht seinen Beschluss. Bundes- und Landesregierung bedauerten die Entscheidung. Die türkische Regierung habe mehrfach zugesagt, dass Kaplan in der Türkei ein rechtsstaatliches Verfahren erwarte, teilten die Innenminister Otto Schily und Fritz Behrens (beide SPD) mit. Im Interesse der Sicherheit Deutschlands müsse nun schnell über die Ausweisung und Abschiebung Kaplans entschieden werden. Dem stehe der Gerichtsbeschluss nicht entgegen. "Wenn eine Chance besteht, Kaplan loszuwerden, werden wir sie nutzen", sagte Behrens. Die Düsseldorfer Richter hatten auch die mögliche Folter bei früheren Verhören in der Türkei als Auslieferungshindernis angeführt. Es sei nicht auszuschließen, dass Aussagen gegen Kaplan verwendet würden, die von der türkischen Polizei durch Folter seiner Anhänger erpresst worden sein könnten. Die Entscheidung des Gerichts ist nicht anfechtbar. Kaplan hatte im März eine vierjährige Gefängnisstrafe wegen eines Mordaufrufs verbüßt. Anschließend wurde er in Auslieferungshaft genommen. Der 50-Jährige hatte zur Ermordung eines religiösen Rivalen aufgerufen. Dieser wurde danach 1997 in Berlin von Unbekannten erschossen. Eine direkte Tatbeteiligung konnte Kaplan nicht nachgewiesen werden. Die Bundesregierung hatte sich mehrmals für die Auslieferung des Islamisten ausgesprochen. Die Türkei will Kaplan wegen Hochverrats vor Gericht stellen. Er soll dort Anschläge befohlen und zum Heiligen Krieg aufgerufen haben. So sollte Ende Oktober 1998 ein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug auf das Atatürk-Mausoleum in Ankara gelenkt werden - am Tag der Republik, wenn dort traditionell die Spitzen des Staates versammelt sind. Gleichzeitig sollte die Fatih-Moschee in Istanbul besetzt werden. Kaplans Organisation "Kalifatstaat" wollte die Türkei in einen islamistischen Staat nach iranischem Vorbild verwandeln. Sie war im Dezember 2001 nach den Anschlägen vom 11. September in Deutschland verboten worden. Die Führung des "Kalifatsstaats" hatte der Fundamentalist von seinem Vater Cemaleddin Kaplan, dem "Khomeini von Köln", 1995 übernommen. Metin Kaplan war 1983 aus der Türkei nach Deutschland gekommen und 1992 als Asylberechtiger anerkannt worden. Jahrelang lebte er von Sozialhilfe. Das Vermögen seiner Organisation wurde vom Verfassungsschutz später auf mehrere Millionen geschätzt. Ein harter Kern von rund 100 Kaplan-Getreuen soll im Untergrund weiter aktiv sein und sich regelmäßig in Köln treffen.

Berlusconi bleibt Denkzettel erspart

Bei Kommunalwahl behauptetBerlusconi bleibt Denkzettel erspart

Rom (rpo). Dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist ein Denkzettel erspart geblieben. Bei den Kommunalwahlen konnte er sich behaupten, wie nach der Auszählung fast aller Stimmen feststand.Die Regierungskoalition verlor zwar die Provinzwahl in Rom, konnte ansonsten aber mit dem Ergebnis wohl zufrieden sein. "Silvio Berlusconi muss um seine Regierung nicht fürchten. Die Kommunalwahlen hätten weit schmerzlicher für ihn werden können", schrieb der Kommentator Stefano Folli in der Zeitung "Corriere della Sera". Ein Viertel der Wähler, rund elf Millionen Menschen, waren am Wochenende zur Stimmabgabe aufgerufen. Sie hatten über die Besetzung von zwölf Provinz- und 508 Stadtparlamenten zu entscheiden. In vier Provinzen auf Sizilien, darunter auch in Palermo, konnte die Regierung sich behaupten, die Mitte-links-Opposition verteidigte ebenfalls vier Provinzen und gewann in Rom. In den drei anderen Provinzen steht in zwei Wochen eine Stichwahl an, da niemand die absolute Mehrheit erhielt. Vor den Wahlen hatten Regierung und Opposition jeweils sechs Provinzen kontrolliert. Die Wahlen wurden mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, weil Berlusconi wegen eines Korruptionsprozesses und seiner Unterstützung für den amerikanisch-britischen Irak-Krieg, der von den Italiener mehrheitlich abgelehnt wurde, unter Druck steht.

Tabaksteuer: Schröder sauer auf Eichel und Schmidt

Streitigkeiten "unverzüglich beilegen"Tabaksteuer: Schröder sauer auf Eichel und Schmidt

Berlin (rpo). Bundeskanzler Gerhard Schröder ist sauer auf seine beiden Minister Ulla Schmidt und Hans Eichel. Die beiden mögen doch bitte ihre Streitigkeiten um die geplante Einführung der Tabaksteuer unverzüglich beilegen.Die beiden Ressorts sollten sich nicht über Details der Gesundheitsreform streiten, sagte Schröder am Dienstag nach Angaben von Teilnehmern in der Klausur der SPD-Fraktion in Berlin. Niemand wisse schon heute, "was wie viel bringt", erklärte der Kanzler. Die rot-grüne Koalition hatte sich am 8. Mai darauf verständigt, versicherungsfremde Leistungen der Krankenkassen künftig aus Steuern zu finanzieren. Dazu soll die Tabaksteuer um einen Euro je Zigarettenpackung erhöht werden, wurde vereinbart. Eichel signalisierte in der Fraktionssitzung, er rechne nach den vorgesehenen Preisanhebungen nicht mit den veranschlagten Mehreinnahem in Höhe von 4,5 Milliarden Euro. Das Finanzministerium dementierte, dass für die geplante Tabaksteuer-Erhöhung ein Zwei-Stufen-Modell vorgesehen ist. Ein Sprecher sagte der dpa am Dienstag, ein Zwei-Stufen-Model sei nicht Gegenstand irgendeiner Vereinbarung. Die "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag) hatte berichtet, dass die Erhöhung in zwei Schritten kommen solle: 60 Cent in 2004 und nochmals 40 Cent im Jahr 2005. "Diese Meldung ist falsch", sagte der Sprecher.

NRW: Höhn drängt SPD zu schneller Entscheidung

"Haben eine Mitverantwortung für den Bund"NRW: Höhn drängt SPD zu schneller Entscheidung

Düsseldorf (rpo). In der schwelenden NRW-Koalitionskrise hat Umweltministerin Bärbel Höhn die SPD aufgefordert, schnell zu klären, ob sie die bestehende Koalition durch ein sozial-liberales Bündnis ablösen will.Ein Teil der SPD wolle offensichtlich eine Koalition mit der FDP, sagte Höhn am Dienstag vor Beginn einer Sitzung der Landtagfraktion der Grünen. Der größere Teil der SPD wolle aber die Fortsetzung der rot-grünen Koalition, zeigte sie sich überzeugt. Die SPD müsse diese Frage schnell klären, damit die Regierung wieder zur Sacharbeit zurückehren könne, sagte Höhn. Sie warnte vor den Auswirkungen eines Bruchs der Düsseldorfer Koalition auf die Bundesregierung. "Wir haben als größtes Bundesland eine Mitverantwortung für den Bund", sagte Höhn. FDP-Parteichef Guido Westerwelle will am Dienstag in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der Düsseldorfer FDP-Landtagsfraktion, Ingo Wolf, die Chancen einer sozialliberalen Koalition in Nordrhein- Westfalen ausloten. Unterdessen bot der Landesvorsitzende der FDP, Andreas Pinkwart, der SPD erneut die Zusammenarbeit an. Wie Höhn sieht auch Bauminister Michael Vesper (Grüne) keinen konkreten Anlass für das tiefe Zerwürfnis in der rot-grünen Koalition. "Es geht nicht um konkrete Konflikte. Das ist das Problem", sagte er. "Das wabert herum, und keiner weiß, worum es sich handelt." Vesper warnte die SPD davor, die Erfolge der rot-grünen Koalition klein zu reden. "Das kann man hinterher schlecht wieder auffangen." Eine Lösung des aktuellen Konflikts könne nicht darin liegen, das die Grünen künftig alle Projekte der SPD "widerspruchslos durchwinken".

Umfrage: SPD fällt auf neues Rekordtief

77 Prozent trauen der SPD keine Krisenlösung zuUmfrage: SPD fällt auf neues Rekordtief

Hamburg (rpo). Die SPD befindet sich bundespolitisch in der Wählergunst weiter auf Talfahrt. In der wöchentlichen Umfrage von stern und RTL sank die Regierungspartei auf ein neues Rekordtief von 25 Prozent, ein Punkt weniger als in der Vorwoche. Ein derart niedriger Wert wurde von dem Institut Forsa für die Sozialdemokraten bisher noch nie ermittelt. Die Union konnte um einen Punkt zulegen, sie liegt nun bei 49 Prozent. Bei den kleinen Parteien gab es keine Veränderung: Grüne zwölf, FDP sieben, PDS vier Prozent. Auch das Vertrauen in die politische Kompetenz der SPD ist gering. Nach einer stern-Umfrage meinen nur 17 Prozent aller Bundesbürger, dass die Sozialdemokraten Deutschland aus der Krise führen können. 77 Prozent trauen dies der SPD nicht zu. Der SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder verkörpert nach Meinung von 52 Prozent der Deutschen auch die "Seele" der Partei. Sein Vorgänger Oskar Lafontaine, einer der schärfsten parteiinternen Kritiker der "Agenda 2010", hat nach der stern-Umfrage diese Rolle für 26 Prozent der Bundesbürger. 22 Prozent der Befragten meinten, keiner von beiden verkörpere die "Seele" der Partei. Zur Feststellung der Parteipräferenz befragte das Forschungsinstitut Forsa im Auftrag von "Stern" und RTL zwischen dem 19. und 23. Mai 2505 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei +/- 2,5 Prozentpunkten. Datenbasis für die SPD-Fragen: 1006 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger am 22. und 23. Mai, Fehlertoleranz: +/- drei Prozentpunkte.

Henry Kissinger: Eine graue Eminenz wird 80

Weltreisender in Sachen DiplomatieHenry Kissinger: Eine graue Eminenz wird 80

Frankfurt/Main (rpo). Er gilt nach wie vor als graue Eminenz der amerikanischen Außenpolitik: Henry Kissinger war in seiner aktiven politischen Zeit ein Weltreisender in Sachen Diplomatie. Am Dienstag feiert er seinen 80. Geburtstag.Acht Jahre, von 1969 bis 1977, bestimmte Kissinger maßgeblich die US-Außenpolitik - zunächst als Sicherheitsberater von Präsident Richard Nixon, dann ab 1973 als Außenminister. Noch heute ist sein Rat bei der Regierung in Washington gefragt. Am Dienstag (27. Mai) wird der im bayerischen Fürth als Sohn jüdischer Eltern geborene Kissinger 80 Jahre alt.Schauspiel auf der politischen BühneMehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik wirkt Kissinger noch als "graue Eminenz" hinter den Kulissen. Als Politikwissenschaftler war er einer der wenigen Theoretiker und zugleich Praktiker in der Politik. Er bot ein Schauspiel auf der politischen Bühne, wie der US-Journalist und Buchautor John Newhouse schrieb. Kritiker bemängelten jedoch seinen Hang zur Geheimdiplomatie und warfen ihm Selbstherrlichkeit vor. Die Macht hat für Kissinger nach eigenem Eingeständnis etwas Erotisches. "Macht ist ein starkes Aphrodisiakum", sagte er einmal. Lange bevor er in die Regierung berufen wurde, hatte sich Kissinger als Professor der renommierten Harvard-Universität auch außerhalb der Vereinigten Staaten schon einen Namen als exzellenter Kenner der internationalen und vor allem der europäischen Politik gemacht. Als Sicherheitsberater wurde Kissinger, dessen große Vorbilder Bismarck und Metternich sind, zum heimlichen Außenminister; Ressortchef William Rogers wurde in vielen wichtigen Fragen umgangen. So bereitete er im Sommer 1971 in Peking in Geheimverhandlungen die spektakuläre Reise Nixons nach China vor. Im Einvernehmen mit Nixon vollzog Kissinger eine weitgehende Abkehr von der Rolle der USA als "Weltpolizist". Seine auf dem Konzept des Gleichgewichts gründende Politik zielte vor allem auf Entspannung und Rüstungskontrolle im Ost-West-Konflikt. Zu einem Prestigeverlust für Kissinger wurde im Nachhinein das von ihm ausgehandelte Waffenstillstandsabkommen für Vietnam vom Januar 1973, das das militärische Engagement der USA beendete, aber nicht zur erhofften Befriedung Vietnams führte. Kissinger und der nordvietnamesische Unterhändler Le Duc Tho erhielten dafür zwar den Friedensnobelpreis zugesprochen. Le Duc Tho nahm diesen erst gar nicht an, Kissinger gab ihn 1975 enttäuscht zurück, nachdem die Kommunisten ungeachtet des Abkommens Südvietnam überrannt hatten.Vorwurf der Kriegsverbrechen im Vietnamkrieg Anders als der ehemalige Verteidigungsminister Robert McNamara verteidigt Kissinger bis heute das militärische Engagement der USA in Vietnam. "Ich glaube, dass wir aus ehrenwerten Motiven und mit stichhaltigen Zielen nach Vietnam gegangen sind", sagte er vor einigen Jahren. McNamara, Pentagonchef unter den Präsidenten John F. Kennedy und Lyndon Johnson, bezeichnete den Vietnamkrieg dagegen in seinen Memoiren als "schrecklichen Irrtum". Kritiker Kissingers werfen dem ehemaligen Außenminister in Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg heute sogar Kriegsverbrechen vor. Legendär geworden sind Kissingers unermüdliche Verhandlungen um eine politische Lösung des Nahost-Konflikts. Im Frühjahr 1974 wenige Monate nach dem Jom-Kippur-Krieg reiste er allein 34 Tage zwischen Jerusalem und Damaskus hin und her, wofür seinerzeit der Begriff der "Pendeldiplomatie" geprägt wurde. Kissinger gefiel sich in der Rolle des von Krisenherd zu Krisenherd eilenden "Superdiplomaten". Ende 1973 löste er Rogers als Außenminister ab, blieb aber zugleich Chef des Nationalen Sicherheitsrates. Die USA befanden sich damals inmitten der Watergate-Affäre, die Nixon im August 1974 zum Rücktritt zwang. Kissinger blieb unter Nixons Nachfolger Gerald Ford Außenminister, musste jedoch das Amt des Sicherheitsberaters abgeben. Nach Fords Wahlniederlage gegen Jimmy Carter zog er sich im Januar 1977 aus der aktiven Politik zurück. Später gründete er eine Beraterfirma, die weltweit ihre Dienste anbietet. Kissinger, dessen Familie 1938 in die USA auswanderte, um der Judenverfolgung in Deutschland zu entgegen, war der erste Einwanderer im Amt des amerikanischen Außenministers. Als zweite schaffte dies 1997 Madeleine Albright, die aus Tschechien stammt.

Gewerkschaften weiterhin uneins über Agenda

Treffen in Prag ohne Ergebnis beendetGewerkschaften weiterhin uneins über Agenda

Prag (rpo). Die Gewerkschaften sind weiterhin unseins über ihren Kurs im Streit über die Agenda 2010. Ein Treffen zwischen DGB-Chef Michael Sommer und Einzelgewerkschaften ging ohne Ergebnis zuende. Am Montagabend ist ein Treffen der Vorsitzenden von DGB und Einzelgewerkschaften am Rande eines europäischen Gewerkschaftskongresses in Prag zu Ende gegangen. Das Gespräch soll heute Morgen fortgesetzt werden, hieß es beim DGB. Schröder will indessen am Dienstag vor der SPD-Fraktion für seine Sozialreformen werben. Die Gewerkschaften sind bemüht, noch vor dem SPD-Sonderparteitag zur Reformagenda 2010 am kommenden Sonntag zu einer gemeinsamen Linie zurückzufinden. Uneinigkeit wäre verheerend, hieß es in Gewerkschaftskreisen. Das war das erste Treffen der Gewerkschaftschefs nach dem kurzfristig abgesagten Gespräch mit Schröder vor rund drei Wochen. Vertrauliches Gespräch mit dem KanzlerFür Unmut hatte ein vertrauliches Gespräch zwischen DGB-Chef Michael Sommer und Schröder am vergangenen Donnerstag gesorgt. Vom DGB wurde kritisiert, dass Regierungssprecher Bela Anda die verabredetet Vertraulichkeit nicht gewahrt habe. Sommer wandte sich am Montag am Rande des internationalen Gewerkschaftskongresses gegen den Eindruck, es habe beim DGB einen Meinungswandel gegeben. Es seien zwar einige Veränderungen an der Agenda erreicht worden, doch bedürfe es einer "grundsätzlichen Korrektur dieser unsozialen Pläne". Für Verwirrung hatte auch gesorgt, dass Sommer in einem Zeitungsinterview zunächst die "gröbsten Klötze" beseitigt sah und eine Protestpause bis Herbst ankündigte. Die SPD-Bundestagsfraktion beendet am Dienstag ihre zweitägige Klausurtagung zu den geplanten Reformen im Sozialbereich. Schröder will vor den Abgeordneten mit Blick auf den SPD-Sonderparteitag noch einmal um breite Unterstützung für seinen Kurs werben. In der Sitzung soll über den Zeitplan und die gesetzliche Umsetzung im Parlament beraten werden. Durch möglichst verbindliche Absprachen zu besonders umstrittenen Einzelpunkten soll verhindert werden, dass die Regierung im Zuge der Parlamentsberatungen und Zusicherungen wieder abrückt.

Castro warnt vor möglichem US-Angriff auf Kuba

Rede in Buenos Aires gehaltenCastro warnt vor möglichem US-Angriff auf Kuba

Buenos Aires (rpo). Kubas Staatschef Fidel Castro hat in Buenos Aires vor einem möglichen Angriff der USA gewarnt. Neben der Kritik an den USA lobte Castro in seiner zweieinhalbstündigen Rede die "Errungenschaften" des Sozialismus in seinem Land. Bei einer seiner längsten Reden im Ausland hat Kubas Präsident Fidel Castro am Montag in Buenos Aires vor einem möglichen Angriff der USA gewarnt. "Dies ist eine Botschaft des argentinischen Volkes an diejenigen, die davon träumen, unser Vaterland zu bombardieren", sagte der 76-Jährige vor tausenden Zuhörern während der mehr als zweieinhalbstündigen und ohne Manuskript gehaltenen Rede. "Wir bombadieren niemanden präventiv"Neben der Kritik an den USA lobte Castro die "Errungenschaften" des Sozialismus in seinem Land. "Wir bombardieren niemanden präventiv, sondern entsenden Ärzte weltweit präventiv", sagte er. "Millionenfach haben sie von den Toten an der Berliner Mauer gesprochen, aber nie über die viel mehr Toten an der Grenze zwischen Mexiko und den USA", kritisierte Castro. Der Staatschef, der an der Amtseinführung des neuen Präsidenten Néstor Kirchner teilgenommen hatte, sollte ursprünglich in der Universität einen Vortrag halten. Der dafür vorgesehene Saal musste jedoch wegen Überfüllung geräumt werden. Castro erschien dann überraschend auf den Stufen vor dem Gebäude. Die Zuschauer hatten zum Teil stundenlang auf Castro gewartet und gehörten überwiegend linken Parteien und Organisationen von Arbeits- und Landlosen an. Die Linke schneidet bei Wahlen im konservativen Argentinien traditionell nur schlecht ab, aber die kritische Haltung zu den USA und die Idee größerer sozialer Gerechtigkeit stößt in dem verarmten Land immer mehr auf Resonanz.

Zwei US-Soldaten im Irak getötet

Hinterhalt und MinenexplosionZwei US-Soldaten im Irak getötet

Bagdad (rpo). Im Irak sind zwei US-Soldaten getötet und weitere verletzt worden. Bei Bagdad geriet ein Lkw in einen Hinterhalt. Ein anderes Fahrzeug fuhr über eine Landmine.Bei zwei blutigen Zwischenfällen sind in Irak zwei US-Soldaten getötet worden. Wie die amerikanischen Streitkräfte berichteten, wurden ein Soldat getötet und ein weiterer verletzt, als ihr Konvoi am Montag in einen Hinterhalt geriet. Die Angreifer blieben unerkannt. Die Fahrzeuge waren unterwegs, um eine Basis nahe Haditha, rund 190 Kilometer nördlich von Bagdad, mit Vorräten zu versorgen. Bei dem anderen Zwischenfall fuhr ein Humvee-Geländewagen über eine Landmine oder einen nicht detonierten Sprengsatz. Ein Soldat starb bei der Explosion, drei weitere wurden verletzt. Offenbar wurde das Fahrzeug vor der Explosion beschossen. Ein weiterer US-Soldat kam am Montag bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Nach Angaben des Oberkommandos Mitte stieß ein Humvee auf einer Straße nordwestlich von Talil, 270 Kilometer südöstlich von Bagdad, mit einem Traktor zusammen. Zwei Soldaten wurden bei dem Unfall verletzt. In Bakubah, 70 Kilometer nordöstlich von Bagdad, erschossen US-Soldaten eine Frau,die nach Armeeangaben sich ihnen mit zwei Handgranaten genährt hätte. Die Frau sei trotz mehrfachen Zurufs nicht stehen geblieben.

Vesper kritisiert Steinbrück als unprofessionell

Bundes-SPD drängt Ministerpräsident zur MäßigungVesper kritisiert Steinbrück als unprofessionell

Hamburg/Düsseldorf (rpo). In der Krise der rot-grünen Koalition in NRW hat die Bundes-SPD Ministerpräsident Steinbrück zur Mäßigung aufgefordert. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, Michael Müller, verlangte in der "Rheinischen Post" Verhandlungen, "bis weißer Rauch aufsteigt." Der stellvertretende Ministerpräsident Michael Vesper (Grüne) warf Steinbrück unprofessionelles Verhalten vor.Vesper hat Unverständnis für den Kurs der SPD geäußert. Es sei unprofessionell, plötzlich alle Erfolge der Koalition wegzuwischen, wie es derzeit Ministerpräsident Peer Steinbrück tue, sagte Vesper am Montagabend in den ARD-Tagesthemen. Seiner Meinung nach gebe es keine neuen Sachprobleme. Vesper betonte, dass er auf die Fortdauer der Regierung mit der SPD hoffe. Beide müssten die Krise gemeinsam überwinden.Höhn: SPD hat Richtungsprobleme Nach Ansicht der grünen NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn ist die Koalitionskrise auch Resultat eines Richtungsproblems bei den Sozialdemokraten: Die SPD sei "sich nicht klar, in welche Richtung sie wolle", sagte Höhn am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". Der nordrhein-westfälische SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz sieht die Lage "nicht so dramatisch". Es gebe zwar "einige Unstimmigkeiten" in der Düsseldorfer Koalition, doch gehe er davon aus, "dass die Probleme, die da sind, gelöst werden", sagte Wiefelspütz im InfoRadio Berlin-Brandenburg. "Die rot-grüne Koalition in Düsseldorf wird weiter funktionieren." Die NRW-Grünen erwarten von ihrem Koalitionspartner, dass er "sich sehr schnell orientiert und schnell entscheidet", sagte Höhn. "Denn wir haben eine Menge Probleme (...), und diese Probleme wollen wir lösen. In einem solchen Schwebezustand wie jetzt kann man das nicht optimal und deshalb wäre es gut, wenn da von Seiten der SPD schnell eine Entscheidung fällt". Die Bundes-SPD forderte unterdessen Steinbrück zur Mäßigung auf. "Ich erwarte von Steinbrück, dass es sich so lange mit den Grünen zusammensetzt, bis weißer Rauch aufsteigt, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, Michael Müller, der Rheinischen Post (Dienstagausgabe). Ein Koalitionsbruch in Düsseldorf würde einen sehr dunklen Schatten auf die Berliner Koalition werfen, warnte Müller demnach. Die Folgen im Bundesrat seien "dramatisch". FDP ist zum Wechsel bereitIn der "Berliner Zeitung" bot sich der nordrhein-westfälische FDP-Landeschef Andreas Pinkwart unterdessen als alternativer Koalitionspartner an. "Die FPD ist zum Politikwechsel (..) bereit. Die Frage ist, ob die SPD die Bereitschaft und den Willen hat, sich auf solch einen Politikwechsel einzulassen. Wenn man Steinbrück hört, dann hat man den Eindruck, dass Bereitschaft vorhanden ist", sagte Pinkwart demnach. Vesper hatte zuvor scharfe Kritik an der FDP geübt: Die Liberalen seien nach wie vor eine "Möllemann-infizierte Nulltruppe". Ein rot-gelbes Bündnis bezeichnete er als "Selbstmord" für die SPD.