Paris 20 gegen Sarkozy

Paris · Ende April steht der erste Durchgang der französischen Präsidentenwahlen an – dann muss Nicolas Sarkozy sein Amt verteidigen. Schon jetzt ist die Zahl möglicher Kandidaten so groß wie nie zuvor. Um Stimmen zu sammeln, überbieten sich die Rivalen in patriotisch-nationalistischen Tönen.

Knapp vier Monate sind es noch bis zur Präsidentschaftswahl in Frankreich, und die potenziellen Kandidaten sind schon jetzt so zahlreich wie selten zuvor. Mindestens 20 Bewerber haben erklärt, bei der Schlacht um den Élysée-Palast antreten zu wollen. Der einzige, der seinen Hut noch nicht offiziell in den Ring geworfen hat, ist der konservative Amtsinhaber selbst, Nicolas Sarkozy. Doch das ist wohl nur eine Frage der Zeit und des richtigen Timings. Beobachter rechnen damit, dass er seine Ambitionen im Februar erklären wird, um mitten in der Euro-Krise so lange wie möglich eher als sorgender Landesvater denn als Wahlkämpfer aufzutreten.

Punkte braucht der wenig geliebte Sarkozy dringender denn je: Auch wenn er jüngst in der Sympathieskala etwas Boden wettmachen konnte, liegt er mit 24 bis 26 Prozent (je nach Umfrage) weiter hinter seinem wichtigsten politischen Gegner, dem Sozialisten François Hollande (27,5 bis 31 Prozent).

Der schärfste Wind aber bläst Sarkozy aus dem eigenen konservativ-liberalen Lager entgegen: Hier hat die Zahl der Konkurrenten inflationäre Ausmaße angenommen. Das Maß voll machte mit seiner überraschenden Kandidatur jüngst Sarkozys Erzfeind, Dominique de Villepin. Zwar kommt der frühere Premierminister des ehemaligen Präsidenten Jacques Chirac nur auf ein bis drei Prozent der Stimmen, doch setzt seine Bewerbung der Zersplitterung des bürgerlichen Lagers noch eins drauf.

Schon macht das Schreckgespenst von einem neuen "21. April" die Runde. Am 21. April 2002 war der Sozialist Lionel Jospin in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl überraschend ausgeschieden – überrundet vom rechtsextremen Jean-Marie Le Pen, der gegen Chirac in die Stichwahl zog. Ein Grund für Jospins Niederlage waren die zahlreichen linken Kandidaten, die ihm wertvolle Stimmen wegnahmen. Vor einem "21. April unter umgekehrten Vorzeichen" warnen nun Beobachter angesichts der bürgerlich-bunten Kandidatenschar: Vom Zentristen François Bayrou, dem Gaullisten de Villepin und der Christdemokratin Christine Boutin über den Vertreter der Jäger und Fischer, Frédéric Nihous, bis hin zur rechtsextremen Marine Le Pen haben dort acht Kandidaten ihre Ansprüche auf den Top-Job angemeldet. Bei der Wahl 2007 waren es nur halb so viele.

Dies ist neben dem Ausdruck persönlicher Ambitionen auch ein Zeichen dafür, dass viele Sarkozys Politik angesichts der drohenden Rezession für verfehlt halten. Im Kampf um den richtigen Weg aus der Krise überbieten sich die Rivalen daher in patriotischen Tönen: In Frankreich produzieren, französische Waren kaufen, ausgelagerte Arbeitsplätze nach Frankreich zurückholen – das sind die neuen Wahlkampfparolen und vorgeblichen Antworten auf Arbeitslosigkeit und Stellenverlagerungen ins Ausland. Den Ton vorgegeben hatte Bayrou: "Kauft französisch!", rief er seinen Landsleuten zu und beklagte, dass nicht mehr genug in der Heimat produziert werde. In Umfragen kletterte Bayrou danach umgehend auf überraschende 13 Prozent, womit er Sarkozy und Hollande als "Dritter Mann" gefährlich werden könnte.

Deren Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Zu Besuch beim Skihersteller Rossignol, stellte Sarkozy prompt sein Gegenkonzept des "Labels Frankreich" vor – einer Art Etikett für "garantiert französische Herstellung". Der Sozialist Hollande plädiert seinerseits für mehr "industriellen Patriotismus", um Frankreichs Interessen besser zu schützen, während Rechtspopulistin Le Pen – die auf 13 bis 20 Prozent der Stimmen kommt – die Vaterschaft des Begriffs für ihre Partei in Anspruch nimmt. Kaum weniger radikal fordert der (chancenlose) Rechte Nicolas Dupont-Aignan "ökonomischen Patriotismus".

Im linken Lager fordern derweil der Antikapitalist Jean-Luc Mélenchon und der Linksnationalist Jean-Pierre Chevènement ein großes Förderprogramm nationaler Prägung zur Reindustrialisierung und ein Referendum zum EU-Kurs. Nur die Grünen mit ihrer Kandidatin Eva Joly widersetzen sich vehement dem "Made-in-France"-Konzept und argumentieren, dass nur der europäische Binnenmarkt den nötigen sozialen und umweltpolitischen Schutz bieten könne.

Wer tatsächlich zur Wahl antreten kann, ist jedoch noch offen: Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Zahl politischer Patenschaften. Die Kandidatur muss von mindestens 500 gewählten Volksvertretern unterstützt werden. Mit dieser Hürde sollen nicht ernst zu nehmende Bewerber ausgefiltert werden. Der französische Verfassungsrat überprüft, dass jeder Volksvertreter nur eine Patenschaft abgibt, und verkündet schließlich, wer die erforderlichen Unterschriften beisammen hat. Die Liste wird spätestens 14 Tage vor dem ersten Wahlgang veröffentlicht.

(RP)
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