Interview mit Christine Neubauer "Ich folge meinem Herzen — leider"

Düsseldorf · Christine Neubauer ist am heutigen Samstag im ARD-Film "Die Briefe meiner Mutter" zu sehen. Ein Gespräch über Chile, die Liebe und Mut.

Szenenbilder aus "Die Briefe meiner Mutter!
11 Bilder

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Frau Neubauer, Sie verkörpern in "Die Briefe meiner Mutter" eine Politjournalistin, die über die Pinochet-Diktatur berichtete. Dafür braucht es Mut. Das zeigt besonders der Fall der erschossenen AP-Fotografin in Afghanistan. Was ist Mut für Sie?

Neubauer Ich bewundere den Mut dieser Menschen. Die Journalistin Anja Niedringhaus hat unter Einsatz ihres eigenen Lebens der Welt von den Leiden der Menschen in Kriegsgebieten berichtet. Daran sieht man, wie gefährlich es auch für europäische Journalisten in diesen Regionen ist. Ich bin froh, dass mir als Schauspielerin nicht so viel Mut abverlangt wird.

Wie mutig sind Sie selbst?

Neubauer Ich bin grundsätzlich mutig, ich tue Dinge, zu denen eine Portion Mut gehört. Denn ich folge meinem Herzen, und das hat in meinem Leben nicht nur Positives ausgelöst. Mut ist auch eine Form von Wahrhaftigkeit.

Wann waren Sie mutig?

Neubauer Ich bin schon für andere Menschen eingesprungen, zwar nicht unter Bedrohung meines Lebens, aber ich habe geholfen, zum Beispiel bei Unfällen. Aber damit will ich mich nicht brüsten. Denn zu Mut gehört auch Bescheidenheit.

Wie wichtig sind Politjournalisten?

Neubauer Das ist für mich die Art von Journalismus, vor der ich den Hut ziehe. Diese Menschen haben meine volle Hochachtung.

Wie haben Sie sich auf den Film vorbereitet?

Neubauer Das hat mich an eine meiner ersten Rollen erinnert. Damals spielte ich in "Die Löwengrube", einem Film über den Zweiten Weltkrieg und damit eine Zeit, die ich nicht erlebt hatte. Damals haben mir meine Eltern und meine Oma geholfen und viel erzählt. Man kratzt ein Thema an, und dann kommen persönliche Geschichten.

Dieses Mal hat Ihr Lebensgefährte José Campos, ein gebürtiger Chilene, Ihnen sicher einiges erzählt.

Neubauer Er war zur Pinochet-Zeit Kind. Es kamen viele Erinnerungen und Geschichten wieder hoch, als er hörte, dass ich in diesem Film mitspielen würde. Ich habe grausame Geschichten gehört: Weil er Hunger hatte, wollte er mit seinem Vater eine Zwiebel kaufen. Dabei wurden sie von Soldaten aus einem Jeep heraus beschossen. Ihnen ist es gelungen, sich in einen Verschlag zu retten und dort auszuharren, bis das Militär verschwunden war. Das sind Bilder, die er nie mehr aus seinem Kopf bekommt. Sie bedrücken mich, obwohl ich es selbst nicht erlebt habe.

Sie haben vorwiegend in Chile gedreht. Wie haben Sie es erlebt?

Neubauer Wir hatten ein zu 90 Prozent chilenisches Team. Einige Szenen sind in einem Originalgebäude aus der Zeit gedreht worden. Einige Kollegen konnten es nicht betreten, weil die Erinnerungen zu heftig waren. Dort sind früher Menschen gefoltert worden. Mir ist das alles sehr nahegegangen. Das soll aber niemanden abschrecken, den Film anzuschauen. Die Historie bildet die grausame Basis, aber es ist vor allem die Geschichte von Mutter und Tochter. So schwer der Stoff ist, so menschlich und positiv ist die Grundstimmung des Films. Ich wünsche mir eine hochemotionale Berührung mit Menschlichkeit, und das ist hier gelungen.

Der Film ist anspruchsvoll, anspruchsvoller als viele Dinge, die Sie vorher gedreht haben.

Neubauer Es ist für mich der ideale Weg, wie meine Filme sein sollen. Doch es stimmt nicht, dass ich nicht schon anspruchsvolle Filme gemacht habe. Man wünscht sich immer Anspruch, aber die Menschen brauchen leichtere Unterhaltung. Auch das ist eine Kunst. Ich habe viele Preise gewonnen, die bekommt man nicht mit schlechten, seichten Filmen.

Wie ist Chile heute?

Neubauer Die Menschen dort sind Kämpfer, sie haben sich aus der Unterdrückung herausgearbeitet. Chile ist das wirtschaftlich erfolgreichste Land Südamerikas. Es wird immer wieder von Katastrophen erschüttert, von Erdbeben, Bränden, Tsunamis. Es ist sehr eindrucksvoll, wie die Menschen damit zurechtkommen. Chile ist kein klassisches Urlaubsland, sich an den Strand zu legen, funktioniert nicht gut. Denn der Pazifik ist kalt. Die Atacama-Wüste ist jedoch einer der schönsten Orte der Welt für mich.

Könnten Sie sich vorstellen, eines Tages dort zu leben?

Neubauer Im Moment sicherlich nicht ganz. Aber wir werden das Land weiter regelmäßig besuchen.

Leslie Brook führte das Gespräch.

(RP)
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