So ist der neue „Tatort“ aus dem Schwarzwald Eine geheimnisvolle Frau

Freiburg · Ein Mann und sein Sohn verschwinden, zurück bleibt nur eine Blutlache – und die Ehefrau und Mutter verhält sich seltsam. Ein einfacher Fall für das Team aus dem Schwarzwald also? Natürlich nicht.

 Sandra Vogt (Lisa Hagmeister, Mitte) macht sich verdächtig, die Ermittler Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) verhören sie.

Sandra Vogt (Lisa Hagmeister, Mitte) macht sich verdächtig, die Ermittler Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) verhören sie.

Foto: SWR/Benoît Linder

„Also, Vorschlag“, sagt Kommissarin Franziska Tobler (Eva Löbau) irgendwann und seufzt, „wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf die Auswertung der Funkzellen des Sendemasts und auf die vollständige Auswertung der Verkehrsüberwachung. Mehr haben wir leider nicht.“ Da laufen die Ermittlungen von Tobler und ihrem Kollegen Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) schon seit mehr als einer Stunde Sendezeit – und sie haben sich an der einzigen Verdächtigen in diesem Fall namens „Die Blicke der Anderen“ die Zähne ausgebissen.

Diese geheimnisvolle Frau, lakonisch und bis auf wenige Momente völlig unemotional gespielt von Lisa Hagmeister, ist Sandra Vogt – und sie steht im Mittelpunkt des nunmehr neunten Krimis aus dem Schwarzwald. Dieser kommt, wie es bei diesem Duo schon häufiger der Fall war, eher bedächtig daher. Richtige Spannung kommt kaum auf, dafür wirkt die Auflösung am Schluss geradezu überhastet. Dennoch ist dieser Film von Regisseurin Franziska Schlatterer und Autor Bernd Lange, beide nicht zum ersten Mal für den SWR-„Tatort“ am Werk, keine Zeitverschwendung – weil er sich Zeit nimmt für seine Hauptfigur und für die en detail gezeigte und mühsame Ermittlungsarbeit der Kommissare.

Doch der Reihe nach: Ein Mann und sein Sohn verschwinden aus einem schicken Neubaugebiet einer Kleinstadt im Breisgau, zurück bleiben nur eine riesige Blutlache im elterlichen Schlafzimmer sowie die Ehefrau des Verschwundenen und der ältere Sohn Lukas. Beide haben von der mutmaßlichen Gewalttat nichts mitbekommen – doch Frau Vogt verhält sich von Anfang an verdächtig.

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Zunächst wird diese auch vermisst, dann aber schnell in einem Raststätten-Restaurant an der Autobahn gefunden. Hier sitzt sie und starrt einfach nur aus dem Fenster, auf die Fragen der Ermittler reagiert sie kaum. Auch, als die Suche nach Mann und Sohn immer dringlicher wird, lässt sie sich nicht zu sichtbaren Emotionen hinreißen – und, was in den Augen der beiden Kommissare verdächtig ist, verweigert die Aussage darüber, wo sie in der Nacht gewesen ist. Und die Polizei tappt weiter im Dunkeln.

So geht es ziemlich lange, einen anderen zumindest ansatzweise Verdächtigen gibt es noch – einen ehemaligen Geschäftspartner des Verschwundenen, mit dem es Streit um viel Geld gab. Doch eigentlich dreht sich alles nur um Sandra Vogt, die – und hier kommt der Titel ins Spiel – nicht nur auf den Zuschauer stoisch und unnahbar wirkt, sondern auch auf ihre Umgebung. Auf die Nachbarin, auf die Schwiegermutter, sogar auf den eigenen Sohn.

Sie alle verurteilen Vogt schon, bevor überhaupt klar ist, was mit ihrem Mann und Sohn geschehen ist. „Vielleicht muss ich einfach weg hier“, sagt die denn auch irgendwann – und bleibt dann doch. Der „Tatort“ ist Teil einer ARD-Themenwoche, diesmal geht es um die Suche nach dem „Wir“ in unserer Gesellschaft, wie es in einer Mitteilung heißt, und um Fragen wie: Leben viele nur noch in ihrer eigenen Blase? Wo gibt es Räume für Dialog? Warum übersehen wir, was uns eint?

Mit den Themenwochen-Krimis ist es oft so eine Sache, meist wirken sie überladen, steht statt des Falls der gesellschaftliche Überbau im Mittelpunkt. Das ist hier anders – und das ist gut so.

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