Virologin bei „Hart aber Fair“ „Wir impfen ja nicht, um jemanden in den Urlaub zu schicken“

Düsseldorf · Reisen, planen, träumen: Was ist Ostern und im Sommer vernünftig und was nicht? Auf diese Frage hatten Frank Plasbergs Gäste bei „Hart aber Fair“ sehr unterschiedliche Antworten.

 Frank Plasberg diskutiert mit seinen Gästen bei „Hart aber Fair“ darüber, welcher Urlaub zu Ostern vernünftig sein kann.

Frank Plasberg diskutiert mit seinen Gästen bei „Hart aber Fair“ darüber, welcher Urlaub zu Ostern vernünftig sein kann.

Foto: Screenshot ARD

Darum ging es

Urlaub zu Ostern - oder doch erst im Sommer? Oder vielleicht dieses Jahr gar nicht… Ein Politiker, ein Vertreter der Reisebranche, eine Journalistin, eine Virologin und ein Wanderer diskutieren bei “Hart aber Fair” am Abend über die Ferienaussichten der Deutschen und welchen Einfluss die Impfgeschwindigkeit darauf haben könnte.

Die Gäste

  • Andreas Bovenschulte, Bremer Bürgermeister und Präsident des Senats, SPD 
  • Corinna Pietsch, Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, Universitätsklinikum Leipzig
  • Norbert Fiebig, Präsident Deutscher Reiseverband (DRV)
  • Andrea Zschocher, Mutter von drei Kindern, freie Journalistin
  • Manuel Andrack, Reisebuchautor

Der Talkverlauf

Die Infektionszahlen steigen wieder, aber bei “Hart aber Fair” wird über Urlaub geredet? Frank Plasberg nimmt Kritikern gleich zu Beginn den Wind aus den Segeln: Er sei “auf der Suche nach Hoffnung” angesichts eines Lockdowns, der „immer nerviger“ werde.

Die dreifache Mutter Andrea Zschocher, der es zu fünft auf 80 Quadratmetern auf Dauer einfach zu eng wird, will im Sommer “endlich auf eine einsame Hütte in den Bergen”. Dort herrsche die Weite, die sich die Journalistin wünscht. Deshalb hat sie zur Sicherheit in Österreich gebucht, nicht in Deutschland, wo eventuell wieder alles dicht gemacht werde.

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte zeigt natürlich Verständnis für Frustrationen, mahn aber vor allem zu Vernunft und Geduld: “Fünf Wochen Vorlauf sind noch zu lang, um zu Ostern verbindlich etwas sagen zu können”, sagt der SPD-Politiker. Im übrigen gehe es um eine ständige Abwägung und Balance.

Die Rolle der Mahnerin übernimmt an diesem Abend Corinna Pietsch. Die Virologin hat keinen Urlaub für Ostern gebucht und drängt immer wieder zur Vernunft. “Wir brauchen drei Wochen nach Öffnung der Kitas um die Folgen einzuschätzen”, sagt sie und findet okay und ehrlich „wenn Politiker wie Michael Kretschmer (CDU) zu Urlaubsplänen für Ostern sagten: ‚Das wird eher nichts.’

Norbert Fiebig vom Deutschen Reiseverband sieht das gründlich anders: Viele Unternehmer hätten seit über einem Jahr kein Geschäft gemacht. “Die brauchen eine Perspektive.” Die Reisebranche hätte extrem hart gearbeitet, um sichere Hygienekonzepte für Urlaube zu entwickeln, das solle man doch nun nicht “kaputt reden”. Die Urlaubs-Absage des sächsischen Ministerpräsidenten kritisiert er: “Bei Kretschmer fehlt es an Sensibilität und an dem Sachverstand, was Touristik leisten kann um sicheres Reisen zu ermöglichen.”

Sogar die Kreuzfahrten auf TUI-Schiffen, die ab den Kanaren unterwegs seien, hätten gezeigt, dass sicherer Urlaub möglich sei. Dort wären unter 70.000 Urlaubern bisher nur vier Infektionen aufgetreten, auf die professionell reagiert worden sei. Dass ein Urlaub mit Tausenden in einem Schiff möglich ist, die Übernachtung in der Jugendherberge in Meschede aber nicht, finden einige in der Runde schwer nachvollziehbar. Virologin Pietsch hält auch vom vermeintlich sicheren Kreuzfahren nicht viel: man wisse nicht, wie viele unerkannte Infektionen es auf See gegeben habe, die dann möglicherweise weitergetragen würden. Fiebig schnappt zurück: Das wisse er in der S-Bahn ja auch nicht.

Frank Plasberg will wissen, wie sich die Impfsituation auf die Urlaubspläne auswirken könnte, nachdem etwa “Alltours” ab dem Herbst nur noch Ferien an Geimpfte vermitteln will. Für Fiebig führt das in die falsche Richtung, schließlich seien Familien bis zum Sommer kaum durchgängig geimpft. Deshalb dürfe man ihnen den Urlaub aber nicht versagen. Vielmehr sei die Politik gefordert: “Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Da gibt es Möglichkeiten und die müssen genutzt werden”, fordert er.

Virologin Pietsch verpasst den Urlaubsfantasien aber noch einen Dämpfer: “Wir impfen ja nicht, um jemanden lustig in den Urlaub zu schicken”, sagt sie, es gehe darum, die Sterblichkeit herunterzubekommen und für alle das Risiko zu verringern. Urlaub wäre dann eher ein netter Nebeneffekt.

Daran dass so ein Urlaub auch sicher sein kann, wenn sich nicht“alle  am gleichen Ort auf den Füßen stehen“, erinnert Wanderpapst Manuel Andrack. Er hat Wandertips für Eltern mit Kindern parat - unterwegs Abenteuer, Eis und Einkehr einbauen! - versteht aber auch nicht so recht, warum eine Familie nicht eine Ferienwohnung mieten könne, um vielleicht mal was anderes zu entdecken als den Wald vor der eigenen Stadt.

Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland seit Pandemiebeginn eine Million neue Wanderfans gebe, wäre das schon sehr hilfreich, findet Andrack. Für diese Option sieht sogar Corinna Pietsch durchaus Chancen: eine Wohnung halte sie für sicherer als ein Kreuzfahrtschiff oder eine Party am Strand.

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