Täter, Opfer und Polizisten kommen zu Wort Dokumentation bei RTL+ arbeitet Kölner Silvesternacht 2015 auf

Köln · Die Bilder der Kölner Silvesternacht vor fast sechs Jahren gingen um die Welt – und markierten für viele das Ende der Willkommenskultur. Wie konnte es dazu kommen? Eine Doku spürt den Ereignissen nach und sucht nach Antworten.

 In der Silvesternacht 2015 sind am Kölner Hauptbahnhof Frauen sexuell belästigt und ausgeraubt worden.

In der Silvesternacht 2015 sind am Kölner Hauptbahnhof Frauen sexuell belästigt und ausgeraubt worden.

Foto: dpa/Markus Boehm

Eigentlich hatte die junge Frau in Köln den Jahreswechsel feiern wollen. Doch auf dem Bahnhofsvorplatz fand sie sich plötzlich von mindestens 20 ausländischen Männern umringt: „Da waren überall Hände, man wurde begrapscht, man wurde beklaut“, schildert sie vor der Kamera. Die berüchtigte Kölner Silvesternacht 2015/2016 löste international Entsetzen aus - und markierte in Deutschland einen Wendepunkt in der Flüchtlingsdebatte. Eine dreiteilige Dokumentation beim Streamingdienst RTL+, die am Donnerstag startet, will die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge zeigen.

Die körnigen, verschwommenen Handybilder gehen damals um die Welt: Junge dunkelhaarige Männer, die im Schatten des Kölner Doms Feuerwerk in eine Menschenmenge schießen. Frauen werden umzingelt, sexuell bedrängt und beraubt.

Bei der Staatsanwaltschaft gingen anschließend mehr als 1200 Strafanzeigen ein. Angeklagt wurden letztlich 46 Personen, von denen 36 verurteilt wurden – nur zwei wegen sexueller Nötigung. Der Großteil der Beschuldigten kam laut Staatsanwaltschaft aus Nordafrika – nicht aus Syrien, dem Land, aus dem in den Monaten zuvor Hunderttausende Kriegsflüchtlinge in Deutschland Schutz gesucht hatten.

Die Dokumentation versucht die Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven einzuordnen. Zu Wort kommen Opfer, Täter, Polizisten, Wissenschaftler, Politiker und Journalisten.

Im ersten Teil „Zwischen Wut und Willkommen“ geht es um die sogenannte Flüchtlingskrise 2015. Die Hunderttausenden ankommenden Flüchtlinge werden in Deutschland vielerorts mit Applaus begrüßt, in großen Teilen der Bevölkerung ist die Hilfsbereitschaft riesig.

Doch gleichzeitig wachsen auch Skepsis und Sorge und bescheren Rechtspopulisten Auftrieb. Es gibt brennende Flüchtlingsheime, aber auch Hetze und Gewalt gegen Politiker und Journalisten. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) wird am Tag vor ihrer Wahl Opfer einer Messerattacke, rückblickend erinnert sie sich an die Geschehnisse. Journalisten wie Anja Reschke, Tanit Koch und Heribert Prantl berichten von den Ereignissen 2015 und hinterfragen auch die Rolle der Medien.

Der zweite Teil „Die Nacht der Ohnmacht“ zeigt, wie eine ursprünglich gewöhnliche Silvesternacht in Köln völlig eskalierte. Original-Notrufe dokumentieren die Not der Opfer – und die Hilflosigkeit der Polizei, die viel zu spät und mit viel zu wenig Beamten vor Ort ist. „Als ich dort angekommen bin, hatte ich das Gefühl, mich trifft der Schlag“, erzählt der damalige Einsatzleiter der Polizei-Hundertschaft, Thorsten Meyer. „Es herrschte eine völlig enthemmte Stimmung dort.“

Der dritte Teil der Doku schließlich fragt nach den „Folgen einer Nacht“ – in Bezug auf Politik, Medien und gesellschaftlicher Stimmung. Die AfD nutzt die Ereignisse, um die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anzugreifen. Monatelang ist die Debatte um Sicherheit und Fremdheit bundesweit beherrschendes Thema. Fest steht: Die Kölner Silvesternacht hat Deutschland verändert.

(jma/dpa)
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