Innenstadt Leipzig Ausschreitungen bei Auflösung der „Querdenken“-Demo

Leipzig · Bei der Auflösung der „Querdenken“-Demo in Leipzig ist es zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Teilnehmer zündeten am Ort der Kundgebung am Augustusplatz Böller und Raketen. Am Hauptbahnhof kam es zu Schlägereien. Viele widersetzten sich der Auflösung.

Querdenken-Demo Leipzig 7.11.: Tausende protestieren gegen Corona-Auflagen
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Tausende protestieren in Leipzig gegen Corona-Auflagen

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Auf Twitter berichtete die Polizei von Angriffen auf die Einsatzkräfte. „Wiederholt werden Einsatzkräfte in #Leipzig attackiert. Unterlassen Sie das Zünden von Pyrotechnik und den Bewurf mit Gegenständen!“ Gegen Straftäter werde man konsequent vorgehen.

Tausende Demonstranten haben sich zudem der Auflösung der Demonstration widersetzt. Sie marschierten am Samstagabend auf dem Innenstadtring. Wenige Polizisten begleiteten den Zug. Einige der Demonstranten skandierten „Frieden Freiheit, keine Diktatur“ und „Merkel muss weg“. Im Bereich des Hauptbahnhofes sei eine Sperre geöffnet worden, teilte die Polizei auf Twitter mit. „Teilnehmer der ehemaligen Versammlung führen einen von der Versammlungsbehörde als verbotenen einklassifizierten Aufzug durch.“ An Absperrungen sei es zu „zahlreichen Übergriffen“ auf Polizisten gekommen.

Zuvor hatten die Veranstalter die laut Polizei rund 20.000 Teilnehmer auf dem Augustusplatz in der Innenstadt aufgerufen, der Auflösung der Demo zu folgen. „Wir werden jetzt die Bühne verlassen, die Versammlung ist aufgelöst“, sagten die Organisatoren am Nachmittag. „Verhaltet euch bitte friedlich.“

Wegen des hohen Zulaufs hatten die Veranstalter ihre Kundgebung zuvor schon einmal kurz unterbrochen. Sie riefen die mehreren tausend Teilnehmer auf, die Veranstaltungsfläche voll auszunutzen. Nach etwa einer halben Stunde ging die Kundgebung weiter. Die Polizei hatte die Versammlungsfläche zuvor deutlich vergrößert. Die für 16.000 Teilnehmer auf dem Augustusplatz angemeldete Kundgebung wurde am Samstagmittag auf den innerstädtischen Ring und angrenzende Straßen ausgeweitet, damit die zahlreichen Demonstranten den Mindestabstand einhalten können.

Das taten die zahlreichen Teilnehmer zunächst nicht, fast niemand trug eine Mund-Nasen-Bedeckung. „Die Einsatzkräfte sprechen Personen ohne Maske an, wenn uns ein Attest gezeigt wird, gleichen wir das mit den Angaben im Personalausweis ab“, sagte eine Polizeisprecherin. „Es ist aber schwierig, bei dieser Menge, lückenlos zu kontrollieren.“ Offizielle Angaben zur Teilnehmerzahl machte die Polizei zunächst nicht. Der Augustusplatz war aber schon zu Beginn der Kundgebung um 13 Uhr dicht gefüllt gewesen.

Laut Polizei sind deutlich mehr Menschen gekommen als angemeldet. Man gehe von 20.000 Teilnehmern aus, sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe am Nachmittag. „Das ist ein weiterer Auflagenverstoß.“

Am Abend teilte die Gewerkschaft Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) mit, dass es bei der „Querdenken“-Demo Attacken gegen Journalisten gegeben habe. In einer ersten Bilanz sprach Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer der DJU Berlin Brandenburg, von mindestens 32 Journalisten, die von „körperlichen Angriffen und Behinderungen betroffen“ seien, wie er auf Twitter schrieb. Die Attacken seien im Wesentlichen von Teilnehmern der „#Coronaleugner Demo“ ausgegangen, so Reichel. „Unsere Befürchtungen, es könne im Rahmen der Demonstrationen erneut zu Anfeindungen und Androhungen von Gewalt gegenüber Journalistinnen und Journalisten kommen, haben sich leider bewahrheitet“, teilte Tina Groll, Vorsitzende der DJU in Verdi mit.

Die Polizei konnte am Abend zunächst keine Angaben dazu machen, ob es Angriffe auf Journalisten gab. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass es bei den zahlreichen Angriffen auch Attacken auf Pressevertreter gegeben hätte, sagte ein Polizeisprecher.

Insgesamt sei die Kundgebung zunächst friedlich verlaufen, nur am Rande habe es vereinzelt Zusammenstöße der „Querdenken“-Teilnehmer mit Gegendemonstranten gegeben.

Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hat die Entscheidung des sächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG), die „Querdenken“-Demo in der Innenstadt stattfinden zu lassen, scharf kritisiert. „Es ist unverantwortlich, eine solche Versammlung mit mehr als 16.000 Menschen in Zeiten der Corona-Pandemie in der Leipziger Innenstadt zuzulassen“, sagte Wöller am Samstag. Die Einhaltung der Infektionsschutzauflagen sei so von vornherein unmöglich gewesen. Die Entscheidung der Stadt, die Versammlung nach gut zweieinhalb Stunden aufzulösen, sei daher richtig gewesen. „Die Corona-Pandemie lässt sich nicht mit der Polizei oder polizeilichen Maßnahmen bekämpfen, sondern nur mit Vernunft aller“, sagte Wöller.

„Querdenken“-Gründer Michael Ballweg gab der Polizei die Schuld für das Gedränge, die am Freitagabend und am Samstagmorgen den Aufbau der Veranstaltung gestört habe. „Trotz eines schwebenden Rechtsverfahrens durften wir nicht aufbauen“, sagte Ballweg der Deutschen Presse-Agentur. Die Stadt hatte die Veranstaltung zunächst an den Stadtrand verlegen wollen, erst am Samstagmorgen hatte das Oberverwaltungsgericht Bautzen die Kundgebung in der City genehmigt. „Wir hätten 19 weitere Lautsprechertürme in den Seitenstraßen installieren können, dann hätten sich die Teilnehmer verteilen können“, sagte Ballweg.

Die Stadt wollte die Kundgebung zunächst auf Parkplätze der Neuen Messe außerhalb des Stadtzentrums verlegen. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen entschied dann aber, dass die Demonstration mit 16.000 Menschen auf dem Augustusplatz stattfinden darf, wie die Stadt am Samstagmorgen mitteilte.

Insgesamt waren 27 Demonstrationen, Versammlungen und Kundgebungen in Leipzig angekündigt. Die Polizei bereitete sich nach eigenen Angaben auf einen „sehr intensiven Einsatz vor, weil auf allen Seiten ein gewisses Radikalisierungspotenzial erkennbar ist“. Die Leipziger Polizei wird von der sächsischen Bereitschaftspolizei, von Einsatzkräften aus acht Bundesländern sowie der Bundespolizei und dem Landeskriminalamt unterstützt.

(felt/hebu/dpa)
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