Wesel Konrad Duden verlor das "C"

Wesel · Auftakt der Sommer-Serie: Der Vater der deutschen Rechtschreibung ist ein waschechter Niederrheiner. Konrad Duden wurde in Wesel geboren, am 1. August jährt sich sein 100. Todestag. Sein "Duden" ist ein Langzeit-Bestseller.

Dass Konrad Duden, einer der bekanntesten Deutschen überhaupt, in Wesel, genauer gesagt auf Gut Bossigt in Lackhausen 1829 geboren wurde, werden die meisten Weseler wissen. Aber über die Kreisstadt hinaus kennt man ihn nicht als waschechten Niederrheiner, sondern als Vater der deutschen Rechtschreibung. Als den Mann, der den "Duden" schrieb — die Richtschnur für Rechtschreibung und Orthographie, die bis heute als verbindliches Regelwerk gilt.

Sein epochemachendes Werk hat der Pädagoge und Schulleiter erst viele Jahre nach seiner Zeit in Wesel verfasst. Aber seine Jugend und Schulzeit und all das, was ihn jung unter erschwerten Lebensbedingungen prägte, hat er in der Stadt verbracht. An den 100. Todestag Konrad Dudens — der am Niederrhein vergessene Autoren-Star und in Wesel nur durch eine schmale Gedenkbüste im Ortsteil Lackhausen geehrt — wird am 1. August gedacht.

Das Ereignis hätte niederrheinisches Tourismusereignis sein können. Es wird verpasst. Dabei gäbe es genug zu erzählen. Konrad Alexander Friedrich Duden wurde am 3. Januar 1829 als zweites Kind von Johann Konrad Duden und seiner Frau Juliana Charlotte, geborene Monje, in Wesel-Lackhausen geboren. Die Eltern waren in Wesel aufgewachsen und stammten aus renommierten Familien. Sie wussten, dass Bildung der Schlüssel zur Zukunft ihrer Kinder war.

Doch Konrad Dudens Vater war beruflich notorisch erfolglos. Nach der Hochzeit im April 1826 übernahmen er und seine Frau das gut Bossigt, er versuchte sich als "Liqueurfabrikant", musste das Gut verkaufen, und 1833 zog die hoch verschuldete Familie in eine Mietwohnung an der Weseler Rheinstraße mitten in der Stadt. "In dieser turbulenten Kindheit, fern von sorgenfreier familiärer Geborgenheit, mögen die Wurzeln für Konrad Dudens späterem unermüdlichen Engagement für Unterprivilegierte zu finden sein", schreibt Biographin Anke Goldberg.

Dudens Mutter jedenfalls ergab sich nicht dem Schicksal. Im März 1837 bat sie die Weseler Armenkommission, ihre beiden Söhne ins Waisenhaus aufzunehmen oder ihnen Unterstützung zu zahlen. Schulgeld und Unterhalt könne sie nicht zahlen. Gymnasium und Waisenhaus wurden zu dieser Zeit durch Stiftungen unterhalten, nach einigem Hin und Her gestatteten und bezahlten sie die Aufnahme von Julius und Konrad Duden am Gymnasium Vesaliense. Ein humanistisches Gymnasium, geprägt vom humboldtschen Bildungsideal, das die Grundlage für Konrad Dudens spätere berufliche Laufbahn legte.

Acht Jahre erlebte er klassische Bildung, lernte Griechisch, Latein, Französisch, deutsche Literatur. 1846 standen acht schriftliche Prüfungen an acht aufeinanderfolgenden Tagen an. Prüfungsstress gab es schon immer. Französisch war Dudens Lieblingsfach mit Bestnote, nur und ausgerechnet im Fach Deutsch schaffte er ein "Genügend", wie sein Reifezeugnis, das sich im Stadtarchiv Wesel befindet, zeigt.

Konrad Dudens Schulzeit war beendet, trotz materieller Nöte hatte er das Abi in der Tasche. Mit 17,5 Jahren verließ er Wesel und den Niederrhein — er kam nach allem, was wir wissen, nie mehr zurück. Wesel hat immerhin eine Schule das Konrad-Duden-Gymnasium, das den Namen des großen Sohns der Stadt hochhält.

Konrad Duden studierte in Bon´n, erlebte dort die Aufbruchstimmung der 1848er-Revolution, wurde Hauslehrer, was zu seiner Zeit den Zugang zu adeligen oder großbürgerlichen Häusern bedeutete — mit entsprechender gesellschaftlicher Erfahrung und pädagogischer Erprobung.

Der talentierte Duden schuf sich die Basis für ein öffentliches Lehramt, ging als Junglehrer nach Soest, stieg zum Oberlehrer auf, wechselte nach Schleiz (Thüringen), wo er als Gymnasialdirektor das darniederliegende Gymnasium erneuerte. Der Rheinländer Duden war beliebt, eine gesellschaftliche Größe der Stadt — und ein Mann mit weithin hallendem Ruf. Der brachte ihn 1876 ans Königliche Gymnasium in Hersfeld, an dem Duden 29 Jahre, die meisten davon als Direktor, tätig war.

Streng, aber gerecht soll er gewesen sein, der humanistisch gebildete Herr mit dem weißen Bart und der Nickelbrille. Dazu äußerst humorvoll, politisch engagiert und schon als junger Student von der Idee der deutschen Einheit begeistert. "Duden traf sich abends gerne mit Schülern beim Billard, trank dabei Rotwein und rauchte Pfeife", sagt Anke Goldberg.

Schon in Schleiz hatte Duden ein dünnes Rechtschreibwörterbuch — 163 Seiten, 6000 Stichworte — verfasst. Mit der Reichseinigung 1871 wurde auch der Ruf nach einheitlicher Rechtschreibung im auch sprachlich bisher zersplitterten Land laut. Doch die Normierung der Schriftsprache war ein schwieriges, fehleranfälliges Unternehmen.

Schon damals baute die Hoheit der Länder Hürden auf. Duden war an prominenter Stelle involviert und förderte die phonetische, lautgetreue Schreibweise. Er krönte zähe Verhandlungen mit dem 1880 in Leipzig erschienenen Werk "Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Nach den preußischen und bayerischen Regeln" mit 27 000 Stichwörtern.

Der Erfolg des Wörterbuchs war nicht aufzuhalten. Und Duden verlor dadurch sein "C" — statt Conrad galt nun eingedeutscht Konrad. So wie aus Cöln Köln oder aus Cassel Kassel wurde. Duden überarbeitete noch etliche Auflagen, nach wie vor ärgerten ihn die unterschiedlichen Schreibweisen vieler Fremdwörter.

Um Einheit der Rechtschreibung zu ermöglichen, waren Kompromisse nötig. Duden war auch nie richtig zufrieden mit seinem 1901 erstmals erschienenen amtlichen Wörterbuch, das erst nach seinem Tod am 1. August 1911 den Namen "Duden" bekam.

Aber der ist und bleibt Richtschnur. Am heutigen "Duden" (25. Auflage), so ist Anke Goldberg überzeugt, hätte der berühmteste Weseler nicht nur Freude gehabt. "Es ging ihm stets darum, die doppelten Schreibvarianten zu vermeiden. Heute sind zum Teil für ein Wort drei Schreibweisen erlaubt."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort