„Zur Post“ in Dhünn „Stammkunden sind wie Familie“

Wermelskirchen · Seit fast 22 Jahren gehört Amir Hoshang Alizadeh Kalateh das Hotel-Restaurant „Zur Post“ in Dhünn. Von den meisten Stammgästen wird der Wirt kurz Amir genannt – wenn nötig, fährt er sie sogar nach Hause.

 Amir Hoshang Alizadeh Kalateh ist mit seinem Hotel-Restaurant „Zur Post“ in Dhünn ein Stück Heimat geworden.

Amir Hoshang Alizadeh Kalateh ist mit seinem Hotel-Restaurant „Zur Post“ in Dhünn ein Stück Heimat geworden.

Foto: Stephan Singer

Wenn sich ein Heimatgefühl dort einstellt, wo man willkommen geheißen wird, gehört das Hotel-Restaurant „Zur Post“ im Dorfkern von Dhünn zum Reigen der Orte, die Bergische Gastlichkeit ausstrahlen. Im Oktober werden es 22 Jahre, dass Amir Hoshang Alizadeh Kalateh das anno 1749 gebaute Fachwerkhaus besitzt und betreibt.

Damit gehört der Wirt, der von seinen Gästen nur kurz Amir genannt wird, zum Dhünnschen „Inventar“ - nur wenige Gastwirte in der Region führen einen Betrieb über so lange Zeit an ein und derselben Stelle. Die Geschichte, wie Amir Alizadeh zum Hotel-Restaurant „Zur Post“ kam, hat romantische Züge – inzwischen ist der 68-Jährige mit seinem Betrieb ein Stück Heimat geworden und hat seinen Platz gefunden.

Wenn es nötig ist, bietet Amir Alizadeh seinen Stammgästen einen besonderen „Service“: Sind diese mit dem Auto gekommen und haben der Geselligkeit geschuldet dann wider Erwarten doch ein paar Striche zu viel auf dem Deckel, setzt sich der Wirt in sein Auto und fährt die Gäste nach Hause. Das kommt zwar mittlerweile längst nicht mehr so häufig vor wie noch vor zehn oder 15 Jahren, für Alizadeh versteht es sich jedoch von selbst: „Wenn jemand Hilfe braucht, dann helfe ich.“ Das habe er so im Blut, er könne gar nicht anders: „Das Problem von meinem Nachbarn gehört mir“.

Amir Alizadeh stammt aus dem Iran und musste diesen einst verlassen. Ein Freund arbeitete damals als Arzt im Wermelskirchener Krankenhaus und „lotste“ ihn ins Bergische Land. „Irgendwann wollten meine Frau und meine Tochter ins Freibad. Ich habe sie ins Dhünner Bad gebracht, das damals noch in Betrieb war. Am Abend habe ich sie abgeholt, und wir sind ins Hotel-Restaurant ‚Zur Post‘, um etwas zu essen“, erinnert sich Amir Alizadeh. Im Schankraum verliebte sich seine Frau, eine gebürtige Türkin, vom Fleck weg in das bergisch-rustikale Ambiente. Amir denkt mit einem Lächeln zurück: „Daraufhin habe ich ihr gesagt, dass ich es ihr kaufe.“

Kurze Zeit später stand das Dhünner „Zur Post“ tatsächlich zum Verkauf, und Amir setzte seine spontane Äußerung in die Tat um. Nach schwerer Krankheit ist Alizadehs Frau zu früh verstorben – geblieben sind Tochter Khazer (32 Jahre), die in Köln arbeitet und manchmal im Betrieb aushilft und das Hotel-Restaurant „Zur Post“. „Wir sind fast die Besitzer, ein bisschen gehört noch der Bank“, sagt Amir Alizadeh, ursprünglich gelernter Bauingenieur. Die Erkrankung seiner Frau war dabei eine Zäsur: „Ich habe mich zwei Jahre um sie gekümmert, das hätte den Betrieb beinahe in den Ruin getrieben.“

Bis heute habe er nicht bereut, den Betrieb in Dhünn gekauft zu haben, meint Amir Alizadeh: „Wir haben jahrelang gekämpft. Die Dhünner sind sehr interessante Menschen. Sicherlich hat es auch Differenzen gegeben, manche Sachen haben mir weh getan. Ich kann aber nichts Schlechtes sagen – manche Stammkunden sind wie Familie für mich geworden.“

Einen Kneipenbetrieb im Sinne einer reinen althergebrachten Schankwirtschaft hält Amir Alizadeh heutzutage für kaum noch überlebensfähig: „Für mich bringen Hotel und Restaurant den notwendigen zusätzlichen Umsatz.“ Gerade im Sommer sei seine Außengastronomie am Fuß der Dhünner Dorfkirche wichtig: „Der Sommer bringt das Polster für den Winter.“ Amir Alizadeh rechnet vor: „Dhünn hat 3700 Einwohner, davon sehe ich vielleicht 500 regelmäßig im Dorf.“ Für Treffen von Elterngruppen aus der Grundschule oder dem Kindergarten stünde seine Tür natürlich immer offen: „Wohin sollen die sonst auch gehen, da sage ich nicht Nein.“ Die Arbeitsbedingungen für Kneipen sind seiner Ansicht nach schwer geworden: „Vor 20 Jahren kostete ein Hektoliter Bier 198 Mark, heute sind es 240 Euro.“

Auf Mini-Job-Basis hat Amir Alizadeh eine Servicekraft eingestellt. Um die Küche kümmert sich der Wirt selbst: Morgens das Frühstück für die Gäste in den acht Hotelzimmern mit 13 Betten – dazu gibt es im Nachbargebäude eine Ferienwohnung – sowie abends ab 17 Uhr der Restaurant- und Kneipenbetrieb, gegebenenfalls der Saal, in dem 50 Leute mit Bestuhlung an Tischen Platz finden. Deutsche Küche steht in der „Post“ auf der Karte, die „Renner“ sind Schnitzelvarianten. „Die sind immer XXL“, beschreibt Amir Alizadeh. Für die Gäste an der Kneipentheke „zaubert“ der Wirt gerne einen Überraschungssnack: Manchmal reicht er Chicken Wings, dann kleine Frikadellen oder eine Platte mit Fischhappen.

Ans Aufhören denkt der 68-Jährige nicht: „Was soll ich machen ohne meine Frau ? Am Betrieb habe ich Spaß – und ich mache hier Spaß mit den Gästen. Ich habe Beschäftigung, alles andere macht nur krank.“ Viel zu tun bekommt Amir Alizadeh spätestens zur Dhünnschen Kirmes, wenn sich das bunte Treiben unmittelbar vor seiner Tür abspielt. Dann dürfen andere Aktive auch gerne wieder seine Spülmaschine oder sein Kühlhaus nutzen. Als persönliches Ziel gibt Amir aus: „Mein Papa hat die 99 Jahre geschafft, ich will 100 werden.“

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