Der Wald in Wermelskirchen „Mischbestände sind in Zukunft alternativlos“

Die Regionalförsterin Christina Amling spricht im Interview über den Zustand des Bergischen Waldes und warum es künftig keine Reinbestände in den heimischen Wäldern mehr geben wird.

 Vertrocknete Fichten – solche Bilder sieht man im Bergischen leider immer häufiger.

Vertrocknete Fichten – solche Bilder sieht man im Bergischen leider immer häufiger.

Foto: Udo Teifel

Frau Amling, ist der Zustand des Bergischen Waldes so schlimm, wie es derzeit den Anschein hat?

Christina Amling Alle Bäume – und nicht nur die Fichten – stehen seit 2018 in unserer Region unter einem extremen Dürrestress. Die Fichte ist eine besonders niederschlagsbedürftige Baumart. Deswegen leidet sie zurzeit am meisten unter den Folgen.

Ist der Borkenkäfer das Hauptproblem?

 Christina Amling ist Försterin beim Regionalforstamt.

Christina Amling ist Försterin beim Regionalforstamt.

Foto: Privat

Amling Die Borkenkäfer gehören grundsätzlich zu unseren Fichtenbeständen. Das große Problem ist ihre extreme Massenvermehrung seit dem Jahr 2018. Diese wiederum ist eine Folge der seit jenem Jahr anhaltenden, angespannten Wasserversorgung in den tieferen Bodenschichten. Betrachtet man die aktuellen Auswertungen des Dürremonitors des Helmholtz-Institutes vom 10. März dieses Jahres, so hat sich die Lage bei uns im Bergischen Land auch immer noch nicht gänzlich entspannt.

Welchen Einfluss hat die Trockenheit der vergangenen drei Sommer?

Amling Die Trockenheit hat die Abwehrkräfte der Fichte stark heruntergesetzt. Grundsätzlich ist es so: Bei guter Wasserversorgung produziert die Fichte reichlich Harz. Wenn ein Käfer eine Fichte anfliegt, ist eine gesunde Fichte in der Lage den Käfer damit „auszuharzen“. Gerade im extrem trockenen Jahr 2018 war als Folge dieser Trockenheit so gut wie kein Harz an den befallenen Fichten zu sehen. Gleichzeitig hat aber die warme und trockene Witterung der letzten Sommer optimale Bedingungen für eine Massenvermehrung der Borkenkäfer dargestellt. Wir gehen jetzt also in ein viertes Jahr der Kalamität mit einer hohen Käferpopulation – und natürlich nach wie vor noch geschwächten Fichtenbeständen.

Was bereitet Ihnen mehr Sorgen – der Käfer oder die Trockenheit?

Amling Bei den Extremwetterereignissen in den vergangenen Jahren handelt es sich nicht mehr um Jahrhundertphänomene. Vielmehr sind sie die ganz greifbaren Folgen des Klimawandels, die nun ganz konkret und unmittelbar vor unserer Haustüre sichtbar werden. Wenn ich mir dagegen die Corona-Krise ansehe, bin ich diesbezüglich ganz optimistisch, dass wir sie kurzfristig bewältigen können. Die Klimakrise hingegen wird uns voraussichtlich auch noch das ganze restliche Jahrhundert begleiten und herausfordern

Wie groß sind die Waldflächen, die zu Wermelskirchen gehören?

Amling Die Wermelskirchener Waldflächen umfassen etwa 3100 Hektar, somit kann man sagen, dass das Stadtgebiet von Wermelskirchen zu 41,9 Prozent bewaldet ist.

Wie viel davon musste bereits gefällt werden?

Amling Das flächige Absterben von Waldbäumen können wir ja in erster Linie bei den Fichtenbeständen beobachten. Zum Ende des vergangenen Jahres waren im Rheinisch-Bergischen Kreis rund 25 bis 30 Prozent der Fichtenbestände geschädigt. Es mussten allerdings bei weitem auch nicht alle geschädigten Bäume gefällt werden.

Was passiert mit dem vielen Holz, kann es noch verwendet werden?

Amling Das Holz kann in der Regel, wenn auch zu stark verminderten Preisen, noch verkauft werden. Allerdings müssen die Waldbesitzer in jedem Bestand abwägen, ob die Entnahme der betroffenen Fichten lohnend – und auch für die zukünftige Waldentwicklung sinnvoll – ist, oder eben nicht. Bezogen auf das ganze Bergische Land rechnen wir indes damit, dass bei weitem nicht alle abgestorbenen Fichten auch gefällt werden können.

Welche Bäume werden künftige Generationen im bergischen Wald vorfinden?

Amling Wenn wir die gerade erst in der vergangenen Woche vom Deutschen Wetterdienst veröffentlichten Klima-Szenarien berücksichtigen, dann werden wir im bergischen Wald Bäume anpflanzen, die auch einer Temperaturerhöhung von drei bis vier Grad, im wahrsten Sinne des Wortes, gewachsen sind. Gleichzeitig werden wir aber auch in Zukunft immer noch polare Kälteeinbrüche, wie sie auch in diesem Winter stattgefunden haben, erleben. Wenn wir uns den Wald der Zukunft vorstellen wollen, ist ein Blick in die Wälder Süd-Osteuropas und entsprechender Klimazonen in Nordamerika und Asien lohnend. Welche Bäume dann allerdings konkret angepflanzt werden, hängt dann von den jeweiligen Waldstandorten und den Vorlieben der Waldbesitzer ab. Sicher ist jedoch, dass der Wald der Zukunft, wenn der denn an die Herausforderungen des Klimawandels angepasst werden soll, bunter und gemischter sein wird als unser heutiger. Wir können allerdings, sowohl ökonomisch als auch ökologisch betrachtet, die Risiken des Klimawandels nur mit Baumartenmischungen mindern.

Was unternehmen die Forstbetriebe, gibt es Konzepte?

Amling Die meisten Forstbetriebe sind zurzeit noch sehr stark mit der Bewältigung der Kalamitäten der vergangenen Jahre beschäftigt. Man kann aber davon ausgehen, dass die Wiederaufforstungen in unserer Region sicherlich die gesamten 20er-Jahre in Anspruch nehmen werden. Grundlage für die Beratung der Waldbesitzer durch den Landesbetrieb Wald und Holz, ist das Waldbaukonzept das Wiederbewaldungskonzept NRW. In diesen Konzepten sind natürlich auch die waldbaulichen Konsequenzen der meteorologischen Klimawandelszenarien eingearbeitet.

Welche Rolle wird die schnellwachsende, wirtschaftliche Fichte künftig spielen?

Amling Das lässt sich leider nicht anders sagen, aber die Fichte ist in unserer Region voraussichtlich Geschichte.

Kann denn dann auch die Wirtschaftlichkeit noch gewährleistet werden?

Amling Es ist so, dass in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Fichte der sogenannte Brotbaum für die Waldbesitzer war. Sie haben im Durchschnitt mit diesen schnell wachsenden Bäumen auf etwa 30 Prozent der jeweiligen Waldfläche im Schnitt 65 Prozent ihrer Holzerlöse generiert.

Welche Alternativen gibt es dazu?

Amling Alternativen zur Fichte sind die Nadelholzarten Douglasie, Weißtanne, Küstentanne und Lärche. Das muss allerdings in Mischung mit anderen Baumarten geschehen, Reinbestände kann es künftig nicht mehr geben. Mischbestände sind in Zukunft alternativlos.

Muss man das Thema Wald vielleicht komplett neu denken?

Amling Tatsächlich ist es so, dass die konkrete Anpassung an den Klimawandel in erster Linie auf regionaler und lokaler Ebene stattfinden wird. Der Wald in unserer Region kann hier eine entscheidende Rolle spielen. Als Wasserspeicher, Erosionsschutz oder auch zum Schutz vor Starkregenereignissen. Diese Leistungen des Ökosystems des Waldes müssen gesellschaftlich neu bewertet – und die Waldbesitzer entsprechend honoriert werden. Nur so werden die Forstbetriebe auch in Zukunft in der Lage sein, klimaresiliente Wälder zum Nutzen für unsere ganze Region zu entwickeln und zu bewirtschaften. Damit ist gemeint, dass das System Wald die Fähigkeit hat, sich an den Klimawandel anzupassen und mögliche Schäden abzumildern.

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