Kirchengemeinde verabschiedet ihren Organisten Halbes Jahrhundert an den Orgeltasten

Wermelskirchen · Nach 55 Jahren verabschiedet die Evangelische Kirchengemeinde am Sonntag ihren Organisten Friedhelm Siebel. Der kam einst ganz unverhofft an seinen musikalischen Nebenjob.

 Friedhelm Siebel hört als Organist auf.

Friedhelm Siebel hört als Organist auf.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Sein Notenbuch wird Friedhelm Siebel am Sonntag wohl Zuhause lassen. Denn zu seinem Abschied von der Orgel in Eipringhausen haben sich viele musikalische Weggefährten angesagt, die ihm einen Teil der Arbeit abnehmen. Für den 82-Jährigen bleiben zwei Choräle zur Begleitung. Und die spielt er auswendig – so wie immer. „Seit vielen Jahren liegt in Eipringhausen dieses dicke Notenbuch“, erzählt Siebel, „ich habe nicht einmal hineingesehen.“ Lieber hat er die Melodien gepaukt, auswendig gelernt, bis er jede einzelne Note, jede Pause im Kopf hatte. „Mich hat nie ein Windhauch, der die Seiten umgeschlagen hat, in Bedrängnis gebracht“, erzählt er, „denn ich spiele viele Stücke lieber auswendig als vom Blatt.“ Das gilt nicht für die Melodien zum Ein- und zum Auszug eines Gottesdienstes, aber für viele Lieder, die er in den vergangenen 55 Jahren in den Gotteshäusern und Kapellen der Evangelischen Kirchengemeinde begleitet hat.

Damals kam er eher zufällig zu dem zeitaufwändigen Nebenberuf: Sein Großvater hatte neben dem Bandstuhl eine Trompete hängen und überredete den Jungen schnell, auch mal das Harmonium zur Hand zu nehmen. Friedhelm Siebel spielte und dachte sich nicht viel dabei – auch nicht, als er in den Posaunenchor im Hünger eintrat. Aber eines Tages suchte die Gemeinde einen neuen Organisten und damals kam Pfarrer Schmitz auf den jungen Mann aus der musikalischen Familie zu. „Ich hatte bis dahin gar keine Orgel gespielt“, erzählt Friedhelm Siebel. Aber er bekam Orgelunterricht in Remscheid, bewies musikalisches Gespür und saß mit 25 Jahren am 1. April 1963 zum ersten Mal auf der Orgelbank im Hünger. Aufregung? „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern“, sagt er. Er habe eben gespielt – und nicht mehr damit aufgehört. Er begleitete erst die Gemeinde, dann den Kindergottesdienst. 25 Jahre lang, jeden Sonntag, jeden Feiertag. „Da haben unsere Kinder manchmal ganz schön geschimpft“, erzählt Ehefrau Ursula Siebel. Und irgendwann wünschte sich auch Friedhelm Siebel selbst mal einen freien Weihnachtstag und einen freien Sonntag.

Damals wechselte er nach Eipringhausen. Das bedeutete halb so viele Einsätze, denn hier wurde nur jeden zweiten Sonntag Gottesdienst gefeiert. „Die Orgel wurde ein bisschen kleiner, aber der Raum ja auch“, erzählt er, „das passte schon.“ Während er hauptberuflich erst bei Flöring und dann bei Vaillant als Industriekaufmann arbeitete, brachte er sich in seiner Freizeit für das Gemeindeleben ein. Siebel leitete eine Weile den Chor in Eipringhausen. Und als er 1999 in den Ruhestand ging, spielte er fortan bei Krankenhausandachten, bei Beerdigungen, schließlich auch bei den Andachten im „Haus Vogelsang“. Was ihn motiviert habe? „Ich habe da nie lange nachgedacht. Ich habe es einfach gemacht“, sagt er. Vielleicht sei es die Faszination für Musik, die ihm seit seiner Jugend geblieben ist. Vielleicht auch das Amt in der großen Gemeinde Gottes.

Am Sonntag sitzt Friedhelm Siebel nun zum vorerst letzten Mal als Organist auf der Orgelbank in Eipringhausen. Dann verabschiedet ihn die Gemeinde. Wie er künftig die freien Sonntagmorgen verbringe? „Wir werden sicher mal verschiedene Gottesdienste in der Region besuchen“, sagt er. Und dann wird er wohl ganz besonders gerne auf die Orgeltöne lauschen.

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