Stadtteilserie Die Menschen leben hier wie in Bullerbü

Wermelskirchen · Viola Willinghöfer ist eigentlich eine Stadtpflanze. Vor vielen Jahren kam sie aus Düsseldorf nach Töckelhausen – und möchte nie wieder weg.

 Rückhalt, ohne Einengung: Die Dorfgemeinschaft in Töckelhausen prägt das Leben im Ort.

Rückhalt, ohne Einengung: Die Dorfgemeinschaft in Töckelhausen prägt das Leben im Ort.

Foto: Theresa Demski

Jasper hört das Autoschon früh, das sich langsam den Weg durch die Felder Richtung Töckelhausen sucht. „Auto“, ruft der Achtjährige fröhlich und fährt mit seinem kleinen Fahrrad an den Straßenrand. Irgendwo im Garten nebenan ist ein leises Echo zu hören, das Bruder Clemens auf den Weg schickt. „Auto“. Und so schallt der Ruf bis zum Ende des Dorfes. Später erklärt Viola Willinghöfer, dass sie sich oft Sorgen macht – um Fremde, die sich viel zu schnell ins Dorf verirren, die Hühnern, Katzen und vor allem Kindern mit ihren schnellen Autos gefährlich werden. Und dass sie sich seit Jahren ein Schild wünscht, dass die Autofahrer zur Schrittgeschwindigkeit anhält.

Aber jetzt strahlt die 48-Jährige erst mal ihren Sohn an, der mit seinem Fahrrad um die Ecke in den Garten biegt und freut sich über den Ruf, der durch das Dorf klingt. „Das ist Töckelhausen“, sagt sie, „wir achten aufeinander.“ Weil sie weiß, wie dieser Satz klingen kann, ergänzt sie schnell: „Aber wir engen uns nicht ein. Das Netz greift, wenn es nötig ist, aber wir beobachten uns nicht.“ Die Dorfgemeinschaft hat aus ihrem Haus ein Zuhause gemacht und aus dem kleinen Dorf am Rande der Stadt eine Heimat.

Als Willinghöfer damals in einem heißen Sommer zum ersten Mal den Weg von der Bundesstraße nach Töckelhausen nahm, da spürte sie diese besondere Atmosphäre schon. Ihr Mann hatte einen Job in Wermelskirchen angenommen, und nun suchten sie nach einem gemeinsamen Zuhause. „Dieses alte Haus, das mal ein Kuhstall war, die Scheune, die Pferde, die hier damals noch grasten, alles erinnerte mich an Bullerbü“, sagt sie. Mit ihrer großen Patchworkfamilie zogen die Willinghöfers damals in das alte Haus ein. Für die Jüngeren der fünf Kinder ein Traum, für die Älteren zuweilen ein bisschen „ab vom Schuss“. Ihr Zuhause wurde es trotzdem.

In einem der ersten Winter seien sie völlig eingeschneit worden. Damals habe sie sich mit ihrem Sohn und dem Schlitten auf den Weg zum Weihnachtsbaumverkauf gemacht. „Wir packten den Baum auf den Schlitten, Jasper setzte sich obendrauf, und der Tag war perfekt“, erzählt sie, während sie ein kleines Tor öffnet. Auf der Wiese dahinter leben friedlich zwei Schafe. Sie deutet auf die zufriedenen Lamas, die nebenan grasen. Dann zeigt sie auf die angrenzenden Wälder und auf den kleinen Schwimmteich. Ein Steg führt zum Wasser. Sie zeigt auf einen Bachlauf, an dem sie mit den Kindern Staudämme baut und Steine sammelt.

Der Wind trägt ganz leise die Geräusche der Autobahn nach Töckelhausen. „Sonst hören wir hier nicht viel“, sagt Willinghöfer. Manchmal den Jubel vom Sportplatz in Bergisch Born oder ganz selten die Lastwagen am Lux-Hochregallager. „Aber das ist so geschickt in die Senke gebaut, dass wir wenig davon mitbekommen“, sagt sie und klingelt bei Ilse Bangert. Die 85-Jährige gehört nach Töckelhausen wie die Quelle am Ortseingang, wie das Fachwerk und die Stille.

„Ich wurde hier auf dem Hof geboren“, erzählt sie und erinnert sich dann an Zeiten, als vier der ehemals fünf Häuser noch landwirtschaftliche Betriebe waren, als später dann Zippmann und die Klinker das Dorf prägten, als die Anbindung an die Bundesstraße gebaut wurde. „Ich bin hier Zuhause“, sagt sie. Und sie gehört dazu, wie alle anderen – auch wenn sie nicht mehr so schnell zu Fuß ist. Als Willinghöfer weiter durch das Dorf spaziert, kommt sie ins Gespräch. Mal über das Wetter, mal über die Familie – mit Renate Bender, die ihr von den Plänen für ihren Garten erzählt, mit Claudia Schumacher, die gerade Brot backt und mit Uschi Hennemann, die über den Hof spaziert.

Kein Gesicht ist hier dem anderen fremd. „Ich habe mich damals mit eingebracht in diesen Ort, und die Menschen hier haben mich angenommen“, sagt sie heute. Dann macht sie sich mit ihren Söhnen Jasper und Clemens auf den Weg nach Hause – und wie die Drei so schlendern, erinnern sie verdächtig an Inga und Lasse, an Bosse und Bullerbü.

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