Gero Steffens erkundet die Unterwelt Die Geheimnisse verborgener Stollen
Wermelskirchen · Für Vermessungsingenieur Gero Steffens ist die Welt untertage faszinierend. Ein Besuch in einem Bergwerksstollen.
Gero Steffens kann nicht sagen, in wie viele Stollen er in seinem Berufsleben schon geklettert ist. „Es werden mehrere hundert gewesen sein“, schätzt der hochgewachsene gebürtige Solinger, der seit 2003 in Wermelskirchen lebt. Zur täglichen Arbeit muss der Vermessungsingenieur nach Bochum fahren. Dort ist der 48-Jährige seit 1996 beim Deutschen Bergbau-Museum im Forschungsbereich Montanarchäologie tätig. Viel Büroarbeit bedeute der Job, und doch liebe er ihn innig, weil es auch immer wieder rausgehe. Sechs Mal sei er schon im Iran gewesen. Andere Stationen hießen Tadschikistan und Usbekistan, Oman und Jemen. „Manchmal verschlägt es mich auch ins wilde Österreich oder ins gefährliche Griechenland“, scherzt der Familienvater, der sich schon als Jugendlicher in einem Höhlenverein in Ennepetal engagierte, um der Unterwelt näherzukommen. Höhlen als natürliche Hohlräume betrachte er nur noch als seltenes Hobby. Anders die vielen Bergwerke. Denn Steffens erstellt Pläne und 3-D Modelle von Bergbauanlagen. Seine Vermessungen bilden die Grundlage für die forschende Arbeit der Archäologen, erklärt der Ingenieur. „Ich rücke meist im Team mit Fotoapparat und Tachymeter an, um Stollen und Schächte in ihrer Lage und Ausdehnung zu vermessen. In dieses Kartenmaterial fließen die archäologischen Arbeiten ein.“ Auf diese Art sei es auch zur Erforschung des ältesten Goldbergwerks der Welt gekommen: „Das befindet sich in Georgien, ist mehr als 5500 Jahre alt und wurde von 2003 bis 2014 ausgegraben.“ Als Vermesser habe er über viele Jahre immer wieder vor Ort sein dürfen und „das Gefühl genießen können, das Fundament für die Erforschung eines so einzigartigen archäologischen Denkmals geschaffen zu haben“.
Wobei ihn die Vermessung an sich ihn nur bedingt interessiere: „Mich hat sie immer nur in Kombination mit der Unterwelt gereizt.“ Denn schon als Kind habe ihn die Dunkelheit alter Stollen und Höhlen fasziniert – wohl wissend, dass es tief in der Erde passieren kann, dass durch die völlige Dunkelheit optische Täuschungen entstehen: „Man glaubt dann, etwas zu sehen, obwohl es definitiv kein Licht gibt.“ Solche Erfahrungen habe er zum Glück nie in kritischen Situationen machen müssen. Anders könne es Leuten ergehen, die sich ohne professionelle Ausrüstung in Bergwerke oder Höhlen wagen: „Das birgt große Gefahr, weil man schon wenige Meter weit im Berg ohne funktionierendes Licht schnell die Orientierung verlieren kann.“ Überdies seien viele stillgelegte Stollen heutzutage Winterquartiere von Fledermäusen. „Das sollte man respektieren und da nicht unnötig herumkriechen.“
Ebenso respektieren sollte man, dass der Bergbau samt seiner Eingriffe in die Umwelt einen wichtigen Faktor im Leben darstelle: „Jedes Kupferkabel, das hier verlegt wird, kann nur verlegt werden, weil irgendwo anders Bergbau betrieben wird. So wie jedes Handy in unserer Hand nur funktioniert, weil am anderen Ende der Welt all die vielen Metalle abgebaut werden, die wir für unsere Smartphones benötigen.“ Vor diesem Hintergrund störe es ihn manchmal, wenn der Bergbau in Deutschland ein negatives Image habe. „Bergbau ist kein Selbstzweck, und ein Leben ohne bergmännisch gewonnene Rohstoffe ist in unserer westlichen Welt nicht vorstellbar.“ Folglich stehe er auch zu seinem Faible für den Bergbau und habe sogar versucht, anderen Menschen diesen wichtigen Teil der Montanindustrie über ein selbst entworfenes Brettspiel näher zu bringen. Herausgekommen sei ein Gesellschaftsspiel, in dem es anschaulich und actionreich zugehe. Das Spiel habe er „Schicht im Schacht“ genannt, der Prototyp sei fertig. „Es fehlt noch ein Verlag, der an der Produktion interessiert ist.“ Steffens war auch schon mit Fotos und Filmen erfolgreich. So sind etliche Aufnahmen in zwei Kurzfilmen des Deutschen Bergbau-Museums auf YouTube zu sehen. Ein Ansporn, die besten Fotos noch als Bildband herauszubringen: „Auf diese Weise könnte ich die faszinierende Unterwelt mit Menschen teilen, die sie niemals zu Gesicht bekommen werden.“