Interview mit Ursula Jandel, Geschäftsführerin der Landwirtschafts-Kreisstelle „Sind mit einem blauen Auge davongekommen“

Bergisches Land · Die Geschäfts­führerin der Land­wirtschafts­kammer erklärt, wie sich Landwirte aufs Wetter einstellen.

 Auf diesem Maisfeld hilft auch kein Regen mehr.

Auf diesem Maisfeld hilft auch kein Regen mehr.

Foto: Reichartz,Hans-Peter (hpr)

Frau Jandel, wie sieht das bisherige Fazit im Bergischen Land nach dem „Dürresommer“ aus?

Ursula Jandel Wir haben festgestellt, dass es vor allem lokal sehr unterschiedlich aussieht. Es gibt also Ecken im Bergischen Land, in denen immer wieder ein bisschen Regen gefallen ist. Manchmal reicht eben auch schon ein guter Gewitterschauer aus, damit der Aufwuchs vernünftig möglich ist. Es gibt aber auch Ecken, dabei spreche ich vor allem vom oberbergischen Südkreis, etwa bei Reichshof, in denen es weitaus schwieriger und schlechter gewesen ist. Es gibt also lokal teils große Unterschiede. Im Schnitt aber kann man sagen, dass bei jedem Betrieb etwa ein Grünlandschnitt fehlt. Im Sommer werden die Flächen vier- bis sechsmal gemäht – im Durchschnitt ist in diesem Sommer ein Schnitt weggefallen. Die Maisernte fällt eher durchschnittlich aus, mit entsprechenden lokalen Unterschieden. Wir sprechen im Schnitt von 30 Prozent Ertragsminderung in Bergischen Land.

Ursula Jandel ist Geschäftsführerin der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Ursula Jandel ist Geschäftsführerin der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Foto: LWK

Wie schlimm hat es die hiesige Landwirtschaft im deutschlandweiten Vergleich getroffen?

Jandel Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Es gibt Regionen, vor allem in Nord- und Ostdeutschland, die wesentlich dramatischer betroffen waren. Natürlich haben auch wir Ertragsminderungen, aber im Großen und Ganzen ist es in Nordrhein-Westfalen nicht so dramatisch.

Waren kleine Betriebe genauso betroffen wie große?

Jandel Es ist, wie gesagt, eher lokal unterschiedlich. Wo kein Wasser runtergekommen ist, fehlte es in den kleinen Betrieben genauso wie in den großen.

Inwieweit war man auf die Witterung vorbereitet? Kann man sich darauf überhaupt vorbereiten?

Jandel Landwirte müssen sich eigentlich permanent auf die Witterung vorbereiten. Das heißt vor allem, dass sie Reserven zurückbehalten müssen, und das passiert auch im normalen Betrieb. Dadurch, dass Milchvieh auch im Sommer regelmäßig nachts im Stall gefüttert wird, haben die Landwirte entsprechende Vorräte. Bei guter Vorratshaltung ist ein Betrieb bei schlechten Ernten besser aufgestellt. Wirklich problematisch ist es hingegen für Bio-Betriebe. Die sind nämlich wesentlich stärker auf die Weidehaltung angewiesen. Wenn auf der Weide nichts mehr ist, dann haben sie große Probleme. Diese Betriebe müssen teures Futter zukaufen oder bräuchten entsprechend mehr Fläche, um Vorräte erwirtschaften zu können.

Gab es in den vergangenen Jahrzehnten schon mal den Fall, dass Milchbauern Vieh schlachten mussten, weil sie kein Futter mehr hatten?

Jandel 1976 war auch ein so extremer Sommer. Dass aber Tiere abgeschafft werden müssen, ist bei Missernten immer wieder mal der Fall. Landwirte haben reagiert und den Viehbesatz angepasst. Dabei wurden Tiere weggegeben, die man vielleicht nicht mehr unbedingt brauchte oder die sowieso in den nächsten Monaten zum Schlachthof gegangen wären. Missernten gibt es übrigens nicht nur bei großer Dürre – sondern auch bei zu viel Regen. Das ist ein genauso großes Problem.

Welche Unterstützung hat es für die Landwirte gegeben?

Jandel Unterstützung gab es bislang keine, es sind allerdings Bundesbeihilfen im Gespräch. Unabhängig davon gibt es aber bei der landwirtschaftlichen Rentenbank Liquiditätshilfedarlehen. Das hängt aber nicht mit dem extremen Wetter zusammen, sondern die gibt es eigentlich immer.

Müssen wir künftig vermehrt mit solch extremen Wetterereignissen rechnen?

Jandel Ich bin ja nun auch kein Klimaforscher. Aber man hört immer wieder, dass Extreme sowohl in Trockenheit als auch in Feuchtigkeit zunehmen werden. Und man sieht es natürlich auch. Der vergangene Herbst etwa war extrem feucht und regnerisch.

Was ist schlimmer: ein trockener und heißer oder ein kühler und feuchter Sommer?

Jandel Das ist schwer zu sagen. Wir haben im Bergischen tendenziell eher zu viel Wasser, deswegen ist ein bisschen Trockenheit gar nicht so schlimm oder sogar gut. Das Problem sind immer die Extreme. Das Wetter, das wir in den vergangenen Jahren im Bergischen hatten – feucht-warm –, ist im Grunde genommen das Beste für die Pflanzen, die hier wachsen. Das Gras und der Mais wachsen dann besonders gut. Und wenn es zwischendurch auch immer mal wieder trocken ist und gute Erntebedingungen herrschen, dann ist das optimal.

Was muss die Landwirtschaft machen, um mit heißen und trockenen Sommern leben zu können?

Jandel Die Landwirtschaft muss sich auf Wetterextreme einstellen. Und das geht nur, indem man Futtervorräte anlegt. Das heißt natürlich, dass die entsprechenden Flächen zur Verfügung stehen müssen, damit die Mengen auch produziert werden können. Es gibt hier im Bergischen eben wenige Alternativen zur Milchwirtschaft. Es ist einfach wichtig, sich künftig in der Futterplanung auch auf Jahre einzustellen, in denen die Ernte geringer ausfällt.

Welche Pflanzen sind grundsätzlich für das bergische Wetter gut geeignet?

Jandel Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das, was im Bergischen Land wächst, auch an das hiesige Klima angepasst ist. Das feuchte Klima mit den großen Regenmengen ist ja der Grund dafür, dass es hier vor allem Grünland- und Milchwirtschaft gibt. Für den Ackerbau reicht die Bodenqualität oft nicht aus.

Was raten Sie Ihren Landwirten nach diesem Sommer?

Jandel Man wird sich verstärkt um eine angepasste Futterplanung kümmern müssen. Die Folgen dieser Dürre werden bis weit ins kommende Jahr reichen. Es mussten ja teilweise die Futtervorräte angegriffen werden, die für das kommende Jahr und den kommenden Sommer gedacht waren. Man wird sich auch weiter mit dem Thema Tierkomfort beschäftigen müssen. Das heißt gute Lüftung in den Rinderställen, Sicherung der Tränken auf den Weiden und solche Dinge. Man muss sich aber auch mit anderen Wetterereignissen wie Starkregen beschäftigen müssen. Da ist das Thema Bodenerosion von Bedeutung. Man kann auch da eine ganze Menge tun, um Erosionsschäden zu vermindern.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von der Landes- und Bundesregierung?

Jandel Die Betriebsleiter müssen viele Vorschriften beachten, auch auf EU-Ebene und gerade, wenn es um Förderung geht. Da ist es natürlich hilfreich, wenn man in extremen Situationen flexibel damit umgehen kann. Das ist aber teilweise auch schon passiert. Ganz wichtig ist aber: Wirtschaftsgrundlage sind landwirtschaftliche Flächen, die für die Betriebe erhalten bleiben müssen. Wünschenswert wäre eine steuerliche Gewinnglättung, denn einen Wechsel von guten und schlechten Jahren wird es immer geben.

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