Brauchtum in Wegberg Der Dorfkirmes gehen die Besucher aus

Gerichhausen/Wegberg · Weil zuletzt immer weniger Besucher kamen, ist das Aus für die Kirmes in Wegberg-Gerichhausen besiegelt. Auch anderswo bangen Schützenbruderschaften und Heimatvereine um die Zukunft der guten alten Dorfkirmes.

 Der geschäftsf ührende Vorstand der Dorfgemeinschaft „Hei on Klei“ hat das Aus der traditionellen Dorfkirmes in Gerichhausen bes chlossen.

Der geschäftsf ührende Vorstand der Dorfgemeinschaft „Hei on Klei“ hat das Aus der traditionellen Dorfkirmes in Gerichhausen bes chlossen.

Foto: HoK Mediateam

Paradiesäpfel und Puffreis, Röschen schießen und Raupe fahren – mit der Kirmes im eigenen Dorf sind viele schöne Erinnerungen verbunden. Aber es ist ein Blick in die Vergangenheit. Die Bestandsaufnahme für die Gegenwart fällt weniger unbeschwert aus: Schützenbruderschaften, Heimatvereine, Dorfgemeinschaften und Spielsmannszüge berichten fast unisono von rückläufigen Besucherzahlen und fehlender Unterstützung beim Schützenfest im eigenen Dorf. Um die Institution Kirmes steht es schlecht.

Während Mallorca-Partys und Kölsch-Musik-Abende boomen, hat es der traditionelle Königsball schwer. Von dieser Entwicklung weiß auch die Dorfgemeinschaft „Hei on Klei“ Gerichhausen zu berichten. Bei der „JHV“ in der Vereinsgaststätte „Christos Theke“ fiel die Jahresbilanz von Geschäftsführer Michael Jackels eindeutig aus. Während Karnevalsveranstaltungen am Altweiberdonnerstag und Karnevalssamstag Rekordbesuche verzeichneten, blieb die Zahl der Gäste bei der traditionellen Dorfkirmes weit hinter den Erwartungen zurück. Diese Entwicklung besiegelt nun sogar das Ende der traditionellen Dorfkirmes in Gerichhausen. Der geschäftsführende Vorstand teilte während der Mitgliederversammlung mit, dass aufgrund der seit Jahren rückläufigen Besucherzahl die Kirmes in der bisherigen Form nicht mehr stattfinden könne. Statt dessen soll es nur noch ein eintägiges Sommerfest geben.

„Dass unsere Kirmes seit Jahren ein Minusgeschäft ist, ist für unsere Entscheidung nicht der springende Punkt“, erklärte Vorsitzender Rudi Babka, „aber wenn selbst von über 250 Vereinsmitgliedern nur gerade einmal ein Fünftel die Kirmes besucht, steht der Aufwand dazu in keinem Verhältnis mehr.“ Deshalb habe man nach Angaben des Vorsitzenden schweren Herzens die Entscheidung getroffen, die Kirmes mit ihrer jahrzehntelangen Tradition in dieser Form nicht mehr fortzuführen. Die Kirmes, die in Gerichhausen immer am zweiten Wochenende im August im Festzelt „Zum Ottenhof“ stattfindet, war der Ursprung für das gesellschaftliche Leben bei „Hei on Klei“. Seit 1947 wurde alljährlich ein König gewählt. Dabei erfolgte die Königswahl stets in origineller Weise, beispielsweise durch Auskegeln, Austuppen oder im Schnelltrinken, bis man sich schließlich auf das „Ausrufen“ im Festzelt festgelegt hatte.

Die Dorfgemeinschaft Gerichhausen steht mit ihrem Problem nicht alleine da. Auch in den übrigen zwölf Dörfern der Mühlenstadt, die eine eigene Kirmes oder ein eigenes Schützenfest feiern, wissen die Verantwortlichen ein Lied davon zu singen, wie schwierig es geworden ist, die Menschen dafür zu begeistern. Zudem fehlt manchmal das Geld und immer strengere Auflagen der Behörden, zum Beispiel beim Thema Lärmschutz, machen den Bruderschaften und Dorfgemeinschaften das Leben schwer. Die Aussteller klagen ebenfalls: Mindestlohn und Arbeitsschutzgesetz lassen die Luft immer dünner werden.

Zehn der 13 Kirmessen und Schützenfeste im Stadtgebiet von Wegberg werden von Bruderschaften organisiert. Von existenziellen Problemen ist Bezirksbundesmeister Heinz Stypertz aus den Bruderschaften nichts bekannt – mit einer großen Ausnahme. „Um die St.-Antonius-Schützenbruderschaft 1420 Wegberg steht es schlecht, und das ausgerechnet vor ihrem Jubiläumsjahr zum 600-jährigen Bestehen“, sagt Heinz Stypertz. Es gibt nur noch wenige aktive Mitglieder in der St.-Antonius-Bruderschaft, viele davon sind im fortgeschrittenen Alter, es mangelt an Nachwuchs. Ein Kirmeszelt wurde in diesem Jahr nicht mehr aufgestellt, statt dessen im Bistro „Leonie’s“ neben dem St.-Antonius-Seniorenheim an der Birkenallee gefeiert. „Eigentlich war geplant, dass die St.-Antonius-Bruderschaft im nächsten Jahr das Bezirksschützenfest ausrichten sollte, doch das wird nicht gelingen“, erklärt Heinz Stypertz, „wir feiern das Bezirksschützenfest stattdessen in Merbeck.“ Der Bezirksbundesmeister weist darauf hin, dass es zuletzt auch durchaus gut besuchte Schützenfeste gab, und nennt die Orte Beeck, Klinkum, Merbeck und Rath-Anhoven als Beispiele.

Dennoch sind für die gute alte Dorfkirmes neue und generationsübergreifende Konzepte gefragt. Jan Finken, Sprecher der Dorfgemeinschaft „Hei on Klei“, berichtet von einer einerseits emotionalen, andererseits gleichwohl sachlichen Diskussion, in der die große Mehrheit der Mitglieder Verständnis für das Aus der Dorfkirmes in Gerichhausen gezeigt habe. Ein langjähriges Vereinsmitglied habe es schließlich auf den Punkt gebracht: „Wir müssen uns mit dem Zeitgeist und dem geänderten Freizeitverhalten auseinandersetzen. Eine Kirmes in dieser Form ist einfach nicht mehr zeitgemäß.“

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