Basketball Mama Sobieszuk hat die Basketballer im Griff

Solingen · Die 33-Jährige meistert den Spagat als Bundesliga-Schiedsrichterin und alleinerziehende Mutter auf beeindruckende Art.

Paulina Sobieszuk öffnet die Tür, vor ihr steht ihre Tochter Amaya, die sie mit den Armen leicht umfängt. Das Lächeln der beiden zeigt sich nicht nur im Gesicht, es strahlt auch aus den Augen - aus den tiefbraunen von Amaya und den hellblauen ihrer Mutter. Am Esstisch im Wohnzimmer greift Amaya nach Schokolade. "Lecker", sagt sie, während sie an der Süßigkeit knabbert. Die Zweijährige ist aufgeweckt und lebendig - sie hopst auf und ab, plappert, dreht sich im Kreis. Paulina Sobieszuk reicht ihr einen Tablet-PC, auf dem ein Zeichentrickfilm läuft, Amaya zieht sich damit auf die Couch zurück. Ihre Muter lächelt: "Heute ist sie etwas aufgedreht. Aber wenn ich sie mit in die Halle nehme, ist sie ganz ruhig."

Halle ist das Stichwort. Denn die zweite große Liebe von Paulina Sobieszuk nach Amaya ist Basketball. Die 33-Jährige ist Schiedsrichterin, pfeift in der Ersten Liga der Damen und in der Zweiten der Herren, der Pro B. Das bedeutet Einsätze in der ganzen Republik - wie schafft das eine alleinerziehende Mutter? Paulina Sobieszuk winkt ab: "Manchmal sind längere Fahrten dabei, aber wir haben in der Pro B viele Teams aus NRW. Das hält sich in Grenzen." Trotzdem: "Die erste Zeit war schon sehr schwierig, ich war auf Hilfe angewiesen von Freunden. Und finanziell war es nicht einfach."

Denn Basketball ist nicht mehr als "ein bezahltes Hobby", davon leben kann man nicht. Im Hauptberuf ist Paulina Sobieszuk Stewardess bei der Lufthansa, im März endet ihre Elternzeit. "Ich werde aber gucken, dass ich nur noch Teilzeit fliege. Vollzeit nicht - ich kann nicht so lange von der Kleinen weg." Zusätzlich kellnert sie in zwei Restaurants in Solingen und Neuss und ist darüber hinaus gelernte Tagesmutter.

Zusammen mit den Basketball-Einsätzen ziemlich viel für eine Alleinerziehende. "Ach, ich kann mich nicht beschweren, sie ist ein liebes Kind." Bei diesen Worten ein warmer Blick auf die Couch, wo Amaya weiter in den Trickfilm vertieft ist. Paulina Sobieszuk sagt ihr etwas auf Polnisch, ihre Tochter schaut auf, antwortet in der Muttersprache, ohne die Lautstärke des Films zu verringern. Dann also auf Deutsch: "Mach es leiser, Schatz." "Okay Mama." Wieder dieses warme Lächeln. Amaya wächst dreisprachig auf: Deutsch, Polnisch und Englisch, inzwischen kommt noch Spanisch hinzu.

"Ich habe ein Au-pair-Mädchen aus der Dominikanischen Republik. Etanin. Sie wohnt bei uns und kümmert sich, wenn ich nicht da bin." Der Kontakt kam über einen Familienservice zustande, mit dem die Lufthansa zusammenarbeitet. "Da kann man sich Karteien ansehen. Ich wollte unbedingt jemanden, der spanisch spricht, damit Amaya das lernen kann", sagt Paulina Sobieszuk, lacht sanft und fügt hinzu: "Und ich auch." Ein weiterer Punkt, der für Etanin sprach: "Sie mag Basketball."

Dass Paulina Sobieszuk diesen nur "mögen" würde, wäre aber eine Untertreibung. "Als ich schwanger war, habe ich bis zum siebten Monat gepfiffen", erzählt sie. "Das letzte Spiel hatte dann aber doppelte Overtime. Da habe ich gesagt: Jetzt brauche ich mal eine Pause." Lange ging die allerdings nicht: Nur vier Monate nach Amayas Geburt stand sie schon wieder auf der Platte - Basketball ist ein Teil ihres Lebens: Vater Andrzej spielte in Polen und als die Familie nach Deutschland kam, etablierte er sich hier als Trainer. Vor sechs Jahren wanderte er mit seiner Frau Ewa und Sohn Philipp aus und arbeitet nun als selbstständiger Trainer in Australien - das erklärt den kleinen roten Bumerang, der am Durchgang zur Küche in Paulina Sobieszuks Wohnung hängt. Sie sagt über ihren Vater: "Er ist mein absolutes Vorbild - und mein größter Kritiker. Ich wollte ihn als Spielerin stolz machen. Der Wille war da, das Talent nicht. " Immerhin hat sie es als Flügelspielerin bis in die Regionalliga geschafft.

Inzwischen spielt sie beim WMTV Solingen in der Kreisliga. "Aber ich habe so Angst, mich zu verletzen, dass ich nicht springe oder zum Korb ziehe. Ich mag es sehr zu spielen, aber das Risiko ist zu groß." Da muss dann eben der hüfthohe Plastik-Korb in der Wohnung herhalten. "Der ist eigentlich für Amaya", erzählt Paulina Sobieszuk und ergänzt grinsend: "Okay, da kann selbst ich einen Dunk." Die 1,70-Meter-Frau erklärt: "Durch das Pfeifen bin ich so aktiv auf dem Spielfeld, wie ich es wollte. Es hat sich gut entwickelt."

Mit 15 Jahren machte sie die C-Lizenz als Schiedsrichterin, es folgten Sichtungen und Einladungen zu Fördermaßnahmen, durch die sie dank guter Leistungen aufstieg. Vor vier Jahren teilte ihr der Deutsche Basketball-Bund (DBB) mit, dass sie in der Pro B der Herren pfeifen dürfe. "Es braucht einige Zeit, bis man sich den Respekt erarbeitet hat. In der Bundesliga sind wir nur sieben Frauen", verdeutlicht Paulina Sobieszuk und führt aus: "Aber wenn man eine gewisse Leistung zeigt und einen guten Draht zu Spielern und Trainern findet, kann man sich diesen Respekt erarbeiten. Wenn die Spieler merken: ,Die hat's drauf und lässt sich nichts sagen', klappt das. Nur die Zuschauer sind manchmal echt hart - da sind auch schon mal frauenfeindliche Sachen dabei."

Das schmälert ihre Freude aber nicht: "Auch wenn es immer wieder Situationen gibt, in denen ich mich nicht hundertprozentig wohlfühle, genieße ich es sehr, meinen geliebten Sport aktiv miterleben zu können", sagt Paulina Sobieszuk und ergänzt schelmisch: "Anstatt von der Tribüne aus die Schiris zu ärgern." Anderthalb Stunden vor den Spielen müssen die Unparteiischen für Vorgespräch und Warm-up vor Ort sein. "Jeder hat sein Ritual, wie er sich vorbereitet, mit Musik, Aufwärmen oder Entspannung", berichtet Paulina Sobieszuk. "Ich suche mir immer eine ruhige Ecke, setze mich an die Wand, schließe die Augen und atme alles aus, um befreit ins Spiel gehen zu können."

Auf die Spiele freut sie sich Tage im Voraus: "Ich liebe den Moment, wenn die Lichter ausgehen, laute Musik eingespielt wird, die Fans sich auf den Trommeln einstimmen und die Spieler einlaufen." Dann wird es ernst: "Du musst auf alles vorbereitet sein. Das Schwierige ist, anderthalb Stunden die Konzentration zu wahren. Oft sind es Sekunden, die entscheiden. Du kannst in den reinen 40 Spielminuten 39 Minuten und 58 Sekunden ein gutes Spiel abliefern - dann ein schlechter Pfiff und keiner erinnert sich an die gute Leistung." Mit Nachbesprechungen und Videoanalysen arbeiten die Schiedsrichter immer daran, sich zu verbessern.

Die Saison geht von Mai bis September, doch auch im Sommer kann Paulina Sobieszuk nicht auf Basketball verzichten: "Dann pfeife ich Streetball-Turniere. Das gehört zum festen Kalender." Bei allem Aufwand, den sie für ihren Sport betreibt, kommt aber eines nicht zu kurz: Amaya. "In erster Linie bin ich Mutter", sagt Paulina Sobieszuk und schaut erneut auf ihre Tochter: "Wie macht Mama?" Amaya nimmt Daumen und Zeigefinger zum Mund und pustet in eine imaginäre Pfeife. "Pfü, pfü." Dann lacht sie. Und ihre Mutter mit ihr.

(RP)
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