Serie Mein Solingen Die Katze mit Perlenohrring und der Kirmesbär

Solingen · Heide-Marie Lange feiert im August den 30. Geburtstag ihres Ateliers - zusammen mit dem Jubiläum von Puppendoktorin Hannelore Aulmann.

 Für die "Katzenkinder" zeichnete eine Fachzeitschrift Heide-Marie Lange mit dem ersten Preis und einem Pokal aus.

Für die "Katzenkinder" zeichnete eine Fachzeitschrift Heide-Marie Lange mit dem ersten Preis und einem Pokal aus.

Foto: Melchior, Fred Lothar (flm)

Mit Puppen spielen? Das hat Heide-Marie Lange als Kind wenig Freude gemacht. Sie neu einzukleiden, das war etwas anderes: "Ich habe gestrickt und genäht. Da war auch schon der Wunsch, Puppen von Grund auf selbst zu gestalten." Als Erwachsene modellierte sie die erste eigene Puppe aus der Kunstharzmasse Cernit. 1988 machte die gelernte Kauffrau aus ihrer kreativen Ader dann eine Geschäftsidee. "Damals fing gerade der Puppenboom an" Heide-Marie Lange meldete ein Gewerbe an. Besonders spektakulär gerieten die Porträtpuppen, die sie nach Fotos von Kindern gestaltete: "Wenn die Mütter die Puppen gesehen haben, sind sie manchmal in Tränen ausgebrochen."

Auf Cernit folgte Porzellan - und bei einem der Kurse, die Heide-Marie Lange in ihrem Atelier gab, ging die Begeisterung auf Hannelore Aulmann über. Damit begann vor 25 Jahren eine Arbeitsteilung: Aulmann wurde zum Puppendoktor und Formenbauer für Porzellanpuppen, Lange kümmerte sich um den künstlerischen, kreativen Teil und saß weiter an der Nähmaschine: "Ich kann durch ein Jahrhundert nähen." Die Kunden kamen und kommen aus dem Bergischen Land - wo die beiden Frauen konkurrenzlos sind -, aber in Zeiten des Internets auch aus anderen Bundesländern. "Analoge" Aufmerksamkeit brachten Ausstellungen etwa im Industriemuseum und auf Schloss Burg.

 "Der große Garten ist mein Fitness-Studio", sagt Heide-Marie Lange, hier mit einem ihrer neuen Katzengemälde nach historischen Vorbildern.

"Der große Garten ist mein Fitness-Studio", sagt Heide-Marie Lange, hier mit einem ihrer neuen Katzengemälde nach historischen Vorbildern.

Foto: flm

Zum guten Ruf tragen auch zahlreiche Auszeichnungen für die vielen Kreationen von Heide-Marie Lange bei - vom "Negerjungen" bis zu den Katzenkindern. Zu sehen sind sie im gut 100 Quadratmeter großen Museum, das sie 2001 in ihrem Wohnhaus und Atelier an der Rölscheider Straße eröffnete. An jedem ersten Mittwoch im Monat, also auch heute, können die Exponate kostenlos von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden. Neben den eigenen Arbeiten gibt es eine Fülle von Spielzeug, im Regelfall für Mädchen. Alles ist sortiert - chronologisch oder nach Herstellern. "Die Besucherinnen stehen fasziniert vor den Vitrinen mit Steiff-Bären, Käthe-Kruse- und Schildkröt-Puppen", freut sich Lange. Die älteste Puppe stammt aus dem 19. Jahrhundert; auf Puppenhäusern sitzt als jüngstes Exemplar ein "Kirmesbär" von 1955.

Vieles kam unrestauriert nach Widdert. "Ich habe zuerst meine eigenen Puppen und Bären ausgestellt", erläutert die Künstlerin. "Auf Trödelmärkten habe ich wenig gekauft, aber einiges von anderen Museen erworben. Als mein Museum bekannter wurde, habe ich viele Angebote bekommen." Eine Zeitlang gab es im Museum auch Veranstaltungen wie ein Krimidinner oder Auftritte eines Märchenerzählers. Gruppen ab sechs Personen können sich noch immer zu Führungen und zum Kaffeetrinken (nicht kostenlos) anmelden.

Dabei wird Heide-Marie Lange den Gästen auch von ihrer jüngsten Tätigkeit berichten, dem Malen. "Vor anderthalb Jahren habe ich mich weiterentwickelt", sagt die Widderterin, die mit ihrem Hütehund, fünf Schafen und zwei Katzen direkt am Landschaftsschutzgebiet wohnt. Neben den lebenden Katzen und den Katzenpuppen im Museum gibt es seitdem auch die auf Leinwand - unter anderem nach klassischen Vorbildern wie dem "Mädchen mit dem Perlenohrring" von Jan Vermeer und der "Dame mit dem Hermelin" von Leonardo da Vinci.

"Das Malen ist eine Fortsetzung meiner Arbeit - und es kommt sehr gut an", erläutert Lange. Wenn sie und Hannelore Aulmann am 18. und 19. August 30 Jahre Atelier und 25 Jahre Puppendoktor feiern, werden die Bilder in der großen Scheune zu sehen sein. Sie erinnert am Rölscheider Weg daran, dass die kleine Hofschaft früher der Bauernhof des Großvaters ihres Mannes war. "Man sollte das Alte nicht vergessen, dem Neuen entgegensehen und es hier und jetzt vereinen", betont die Spielzeug-Designerin, die seit 48 Jahren in Widdert lebt.

Ihre Familie vereint vieles von dem, was für den kleinen Stadtteil typisch ist. Und das war neben der Landwirtschaft vor allem die Arbeit in den Kotten und die beginnende Industrialisierung. "Der andere Großvater meines früh verstorbenen Mannes war ein kleiner Fabrikant", erzählt Heide-Marie Lange. Gefertigt wurde in der Loos'n Maschinn; die Fabrikantenvilla, inzwischen verkauft, stand an der Ecke von Börsenstraße und Wüstenhofer Weg. Tisch und Buffet im Museum erinnern noch an das Gebäude. Klarinette und Geige im Museum gehörten Langes Vater Ernst Roth: "Er war Fabrikationsführer für Scheren bei Herder an der Rathausstraße. Freitags fuhr er zu den Heimarbeitern und brachte ihnen das Geld in der Tüte." In seiner Freizeit spielte Ernst Roth in der Höhscheider Stadtkapelle, trat unter anderem bei Eickhorn in Widdert und in der Wipperaue auf. Den Wipperkotten unterstützt Heide-Marie Lange als Fördermitglied. Ihr Wunsch: dass sich einmal jemand findet, der auch ihr Museum so liebevoll weiterführt. www.puppeundbaer.de

(flm)
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