Winfried Nachtwei berichtete über deportierte Jüchener Mehrere 100.000 Tote in Lager und Ghetto

Winfried Nachtwei berichtete über deportierte Jüchener · Am 10. Dezember 1941 wurden 48 Juden aus der Gemeinde Jüchen von den Nationalsozialisten in das am 15. Oktober eingerichtete Ghetto in der lettischen Hauptstadt Riga verschleppt. Von den insgesamt mehr als 25.000 deportierten westeuropäischen Juden überlebten nur etwa 800 Ghetto und Konzentrationslager. Nach Jüchen kehrten 14 Bürger zurück. Aus Anlass des 60. Jahrestages der Deportation informierte der Historiker Winfried Nachtwei, Bundestagsmitglied für Bündnis 90 / Die Grünen, in Haus Katz mit einem Dia-Vortrag über "die in Riga verschollenen Nachbarn". Die Gedenktafel im Riga-Wald erinnert an 48 Männer, Frauen und Kinder, die von den Nationalsozialisten 1941 von Jüchen nach Riga deportiert wurden. Jetzt informierte Winfried Nachtwei über Lager und Ghetto in Riga. NGZ-Foto: H. Jazyk -->

Am 10. Dezember 1941 wurden 48 Juden aus der Gemeinde Jüchen von den Nationalsozialisten in das am 15. Oktober eingerichtete Ghetto in der lettischen Hauptstadt Riga verschleppt. Von den insgesamt mehr als 25.000 deportierten westeuropäischen Juden überlebten nur etwa 800 Ghetto und Konzentrationslager. Nach Jüchen kehrten 14 Bürger zurück. Aus Anlass des 60. Jahrestages der Deportation informierte der Historiker Winfried Nachtwei, Bundestagsmitglied für Bündnis 90 / Die Grünen, in Haus Katz mit einem Dia-Vortrag über "die in Riga verschollenen Nachbarn". Die Gedenktafel im Riga-Wald erinnert an 48 Männer, Frauen und Kinder, die von den Nationalsozialisten 1941 von Jüchen nach Riga deportiert wurden. Jetzt informierte Winfried Nachtwei über Lager und Ghetto in Riga. NGZ-Foto: H. Jazyk -->

Er selbst ist dafür verantwortlich, dass jetzt ein Mahnmal an der Erschließungsstraße des Ghettos errichtet wurde. Der Volksbund der deutschen Kriegsgräberfürsorge übernimmt hier erstmals die Pflege für ein Denkmal, das Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist. "Als ich vor zwölf Jahren das erste Mal nach Riga reiste, merkte ich bei der Suche nach Überresten des Ghettos, dass sowohl hier als auch in Deutschland kaum bekannt war, was von 1941 bis 1944 in der Stadt geschah", so Nachtwei. Durch Gespräche mit den Überlebenden des Ghettos und der nahen Lager konnte der Historiker jene Zahl rekonstruieren, in der in den Lagern in und um Riga mehrere Hundertausend politische und jüdische Häftlinge ermordet wurden.

"Ab dem 24. Oktober wurden Juden aus dem gesamten heutigen Bundesgebiet, sowie Wien und Prag zum Arbeitseinsatz in den Osten 'evakuiert', wie die offizielle Formulierung lautete", so der Referent. In den Transporten mit jeweils 1.000 Menschen wurden die Juden nach Riga gebracht, der dritte Transport startete am 11. Dezember vom Güterbahnhof Derendorf nach Lettland, dabei auch die 48 Kinder, Frauen und Männer aus Jüchen. "Seit Juni war Lettland unter nationalsozialistischer Herrschaft", so Nachtwei. "In Riga begannen Erschießungen und Massaker der Wehrmacht, mehrere 100 jüdische wurden in der großen Synagoge zusammengetrieben und verbrannt."

Die einst 29.500 lettischen Einwohner des Ghettos waren bis auf 2.500 Menschen ermordet worden, nun war Platz für die deportierten. "Riga war das größte Reichsjugendghetto im Osten., so der Referent. "Der Lagerkommandant Krause war dafür bekannt, dass er eine Mutter erschießen und im nächsten Moment ihrem kleinen Kind eine Tafel Schokolade schenken konnte." Ab Dezember 1941 wurde einige Männer des Ghettos in das angrenzende Lager Salasbils gebracht. Mehr als 100.000 Menschen starben hier durch Kälte und Hunger oder wurden ermordet. Ende 1944 wurden Ghetto und Lager aufgelöst, die wenigen Überlebenden in das KZ Kaiserwald oder nach Auschwitz deportiert.

Gerhard Maywald, der Erbauer des Lagers Salasbils wurde 1977 zu vier Jahren Haft verurteilt. "Es ist nicht erwiesen, dass seine Opfer heimtückisch oder grausam umgebracht wurden", hieß es in der Urteilsbegründung. Die Haft wurde erlassen. Winfried Nachtwei erinnert sich auch an den 30. November, als im Wald von Bikernieki, der Massenerschießungsstätte am Stadtrand von Riga, mehr als 55 Jahre nach Kriegsende ein Mahnmal errichtet wurde. Bis dahin picknickten Familien auf den vergessenen Massengräbern, drehten hier Jogger ihre Runden.

5.000 Granitblöcke erinnern nun an die Opfer, geben den anonym Ermordeten durch verschiedene Formen und Farben ein Stück Identität zurück. "Die Namenslisten der Opfer wurden in einem zentralen Quader versenkt", so Nachtwei. "Wir alle hatten den Eindruck, dass die Toten so nach fast 60 Jahren endlich beerdigt wurden. Lina Wöhl

(NGZ)
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