Mönchengladbach Vom Ringen um Werte und Interessen

Mönchengladbach · John Kornblum, Ex-Botschafter der USA in Berlin, gab bei den "Sozialethischen Gesprächen" gestern eine "transatlantische Lagebeschreibung". Die Sozialethiker beraten lebhaft über das Freihandelsabkommen mit den USA.

 Namhafte Referenten und die Veranstalter der "Sozialethischen Gespräche" gestern kurz vor dem Beginn der Tagung (von links): Prof. Dr. Wilfried von Bredow, John Kornblum (US-Botschafter a.D.), Prof. Peter Schallenberg (KSZ), Prof. Richard Schenk, Erzbischof Dr. Timothy P. Broglio (Washington), Dr. Patrick Daly (Generalsekretär der Bischofskonferenzen der EU), Erzbischof Thomas Wenski (Miami), Prof. Philippe Nemo (Paris).

Namhafte Referenten und die Veranstalter der "Sozialethischen Gespräche" gestern kurz vor dem Beginn der Tagung (von links): Prof. Dr. Wilfried von Bredow, John Kornblum (US-Botschafter a.D.), Prof. Peter Schallenberg (KSZ), Prof. Richard Schenk, Erzbischof Dr. Timothy P. Broglio (Washington), Dr. Patrick Daly (Generalsekretär der Bischofskonferenzen der EU), Erzbischof Thomas Wenski (Miami), Prof. Philippe Nemo (Paris).

Foto: Detlef Ilgner

Es ging im Rathaus Abtei - auch - um Chlorhühnchen, Hormonrinder und Gen-Mais: Schlagworte, mit denen in Deutschland Besorgnisse über das geplante Freihandelsabkommen (T-TIP) mit den USA gern zusammengefasst werden. Solche Befürchtungen teilt der ehemalige Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland, John Kornblum (71), freilich nicht. In seiner "transatlantischen Lagebeschreibung", mit der Kornblum die Vortragsliste bei den diesjährigen "Sozialethischen Gesprächen" anführte, hob der Diplomat die Bedeutung einer gewachsenen Wertegemeinschaft beiderseits des Atlantiks hervor. "Diese gemeinsamen Werte sind unersetzlich, aber sie sind nicht statisch und fixe Kernstücke allgemeiner Übereinstimmung." Damit spielte Kornblum auf die unterschiedlichen politischen Interessenlagen in den USA und Europa an. Kornblum beklagte ein verbreitetes Misstrauen in der deutschen Bevölkerung gegenüber der amerikanischen Administration. Dazu passte eine Anekdote, die der Diplomat, der einige Jahre auch in Brüssel für die Nato tätig war, erzählte: "In der Stadt Itzehoe (Schleswig-Holstein) habe ich einmal einen Vortrag über Optimismus gehalten. Das ist in Deutschland ja so eine Sache. Da sprach mich hinterher ein Kaufmann an und sagte: ,Mit einem Land, das noch nicht einmal seine Stromleitungen unterirdisch verlegen kann, habe ich nichts gemein."

Kornblum möchte - mit Blick auf den Veranstalter der Sozialethiker-Tagung, die in Mönchengladbach ansässige Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle - die Kirchen gern stärker in die Pflicht nehmen, um Gemeinsamkeiten der christlichen Wertordnung hüben und drüben herauszustellen. Spürbar war Kornblums Bemühen, sein Land und dessen Unternehmen vom Odium der "gefährlichen Macht" freizusprechen. Beschönigungen werden nach NSA-Abhöraffäre und der Weigerung der USA, ein No-Spy-Abkommen abzuschließen, indes nicht ausreichen. Das gab auch ein Zuhörer zu bedenken, der an den einst mit unwahren Behauptungen angezettelten zweiten Golfkrieg im Irak erinnerte. Zumindest wurde das achte Gebot gebrochen.

Werte und politische Interessen können einander widersprechen - das leugnete weder Kornblum noch der zweite Referent des gestrigen Nachmittags zu diesem Thema: Der Marburger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wilfried von Bredow (69) definierte Werte als "immateriale Interessen". Er konstatierte "heterogene Wahrnehmungen" bei der amerikanischen und europäischen Bevölkerung und deren politischer Kultur. So könnten viele Amerikaner nicht begreifen, wieso sich die Deutschen so schwertun damit, in der Welt mehr Verantwortung, auch durch militärisches Engagement, zu übernehmen. Das zeigten beispielhaft die wütenden Anwürfe gegen Bundespräsident Gauck, nachdem dieser genau dies gefordert hatte. Bredow verglich den Zustand der transatlantischen Verständigungsbrücken mit dem der deutschen Autobahnbrücken. Nunmehr sei es dringlich geworden, diese Brücken über den Atlantik zu sanieren, gegebenenfalls sogar neu zu bauen.

Das Leitthema der Tagung - "Europa und die USA / Freihandel und gemeinsame Verantwortung" - ist der Grund für die Beteiligung einer Delegation aus den USA. An der Tagung nehmen der Erzbischof von Miami, Thomas Wenski, Prof. Patrick Brennan (Villanova), Erzbischof Timothy Broglio (Washington) und Delegationsleiter Dr. Thomas Levergood aus Chicago teil.

Erstmals besuchte Hans Wilhelm Reiners im neuen Amt als Oberbürgermeister eine Sozialethiker-Tagung. "Sie sind der Motor der katholischen Soziallehre", bescheinigte er den Anwesenden.

(RP)
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