Interview Norbert Bude "Ich werde mein Leben entschleunigen"

Mönchengladbach · Der Ex-Oberbürgermeister spricht über seine erste Woche als Pensionär und von seiner Art, mit der Enttäuschung umzugehen.

Norbert Bude: Szenen auf seiner Zeit als OB
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Wie ist es Ihnen in der ersten Woche als Pensionär ergangen?

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Foto: Reichartz,Hans-Peter

Norbert Bude Im Moment fühlt es sich noch ein bisschen an wie Urlaub. Die neue Lebensphase hat so abrupt begonnen. Ich habe das Dienstauto abgestellt, die Türe hinter mir geschlossen - und das war's. Es gab keine Vorbereitungs- oder Eingewöhnungszeit, ich musste den Schalter sofort umlegen. Und jetzt bin ich dabei, mir eine eigene Struktur aufzubauen. Ich will weiter erreichbar sein, deshalb habe ich meine Handynummer behalten.

Was ist komisch an dem neuen Leben?

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Foto: Detlef Ilgner

Bude Ich stehe morgens auf - wie immer. Ich trinke meinen Kaffee - wie immer. Nur dann mit dem Unterschied, dass ich nicht mehr sofort los muss. Ich genieße es dann, in Ruhe zwei Zeitungen zu lesen. Ich werde lernen, mein Leben zu entschleunigen, Abstand zu gewinnen und Kraft aufzubauen. Die letzten Monate haben viel Kraft gekostet.

Gibt es noch Momente der Enttäuschung?

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Foto: dpa, mg

Bude Ja, immer wieder. Das tut schon noch weh. Aber ich sage mir immer: Du musst das akzeptieren.

Fragen Sie sich, was sie vor der Stichwahl hätten noch anders, oder auch besser machen können?

Bude Die Differenz von 500 Stimmen heißt für mich, dass ich nicht wirklich abgewählt worden bin. 500 Stimmen - das ist gerade mal ein größerer Straßenzug. Vielleicht hätte ich doch noch einmal Hausbesuche machen sollen. Ohne die Wiedereinführung der Stichwahl wäre ich heute noch Oberbürgermeister. Die Stichwahl scheint die Leute nicht zu motivieren.

Spüren Sie manchmal auch Erleichterung?

Bude Ich merke, dass ein Tagesablauf auch anders schön sein kann. Die Unabhängigkeit vom Terminkalender ist erleichternd und spannend.

Wie viele Stunden arbeitet ein Oberbürgermeister tatsächlich?

Bude Zwölf bis 14 Stunden am Tag sind normal. Kein freies Wochenende auch. Völlig frei hat ein Oberbürgermeister wirklich nur im Urlaub. Wenn mir jetzt jemand ein schönes Wochenende wünscht, muss ich lachen.

Wie werden Sie den Sommer verbringen?

Bude Nächste Woche beginnt unser Urlaub an der Ostsee. Und den haben wir etwas verlängert. Ich habe den festen Vorsatz, die nächsten drei Monate lang alles ruhen zu lassen, keine Entscheidungen zu treffen, mir die Zeit zu gönnen. Dennoch werde ich jeden Tag die RP lesen, denn ich interessiere mich weiter für diese Stadt, und ich werde Mönchengladbacher bleiben.

Schaffen Sie es tatsächlich, sich drei Monate lang keine Gedanken zu machen?

Bude Ich hatte nie einen Plan B. Ich bin offen für das, was da auf mich zukommt. Ich habe keine Zukunftsangst. Ich bin eher gespannt auf die Zukunft.

Könnten Sie sich eine Funktion auf Landes- oder Bundesebene vorstellen?

Bude Da will ich nicht primär hin. Ich bin in der schönen Situation, dass ich nirgendwo anklopfen und um eine Aufgabe bitten muss.

Könnten Sie sich vorstellen, Parteivorsitzender zu werden?

Bude Nein.

Sie sitzen mit in den Verhandlungen der Großen Koalition. Wie geht es Ihnen dabei?

Bude Ich freue mich, dass ich gebeten wurde, teilzunehmen. Ich habe großes Interesse daran, diese Stadt weiter voranzubringen. Bei etlichen Fragen kann ich durch meine Erfahrung aber auch korrigierend auftreten.

Wie erleben Sie die derzeitigen Verhandlungen?

Bude In großer Harmonie und Vertrauen. Der Wille, sich zu einigen ist sehr deutlich. Wir gehen jeden Tag offener miteinander um, gewinnen immer mehr Vertrauen zueinander. Und jetzt wird auch schon einmal über einen Witz gelacht.

Wäre die Große Koalition früher auch schon eine gute Option gewesen?

Bude Eine Große Koalition war für mich schon 2009 eine Option. Sie kann sehr hilfreich sein. Aber als wir 2009 Gespräche mit der CDU geführt haben, gingen unsere Vorstellungen sehr weit auseinander.

Hat es eine Übergabe der Geschäfte an Hans Wilhelm Reiners gegeben?

Bude Herr Reiners hat mich zu einer Tasse Kaffee eingeladen. Wir haben nach dem jeweiligen Befinden gefragt, und beschlossen, in Kontakt zu bleiben. Eine Übergabe muss ich nicht machen. Herr Reiners übernimmt eine funktionierende Struktur. Das hat er auch schon festgestellt.

Sie siezen sich immer noch?

Bude Ja. So etwas breche ich nicht übers Knie.

Was wird Hans Wilhelm Reiners am meisten brauchen?

Bude Er muss Vertrauen in die Struktur haben. Es gibt keine 100 Tage Einarbeitungszeit.

Werden Sie viel angesprochen?

Bude Ja, es gibt sehr viele Reaktionen. Es kommen viele Anrufe und Briefe. Da geht es nicht um formale Höflichkeit, sondern um persönliche Ansprache. Auch auf der Straße werde ich oft angesprochen. Viele sagen mir, dass sie es bedauern, dass ich nicht mehr Oberbürgermeister bin.

Können Sie sich ein Ehrenamt vorstellen?

Bude Ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Das werde ich erst im Herbst tun. Ich werde mich weiter im Brauchtum engagieren. Und wenn ich in einem neuen Beruf arbeite, kann ich sicher zusätzlich auch ein Ehrenamt ausüben. Das könnte beispielsweise eine Lesestunde im Altenheim sein. Aber ich könnte mir auch eine Beschäftigung im sozialen Bereich mit Kindern und Jugendlichen vorstellen.

Könnten Sie sich vorstellen sich gegen große Wahlmüdigkeit zu engagieren?

Bude Das Thema muss mit wissenschaftlicher Unterstützung aufgearbeitet werden. Da helfe ich gern. Denn die Wahlbeteiligung in Mönchengladbach ist in der Tat katastrophal und nur bedingt erklärbar.

Aber Sie sind eher der Typ, der eine berufliche Aufgabe braucht.

Bude Ja, schon, aber 150 Prozent muss es nicht mehr sein. Aber, wie gesagt, ich will drei Monate sortieren und nicht zu schnell irgendwo zusagen. Ich will die eigene Freiheit nicht gleich wieder aufgeben.

Wie tanken Sie Kraft? Durch Ruhe?

Bude Es geht auch um physische Kraft. Ich merke, dass mir Fahrradfahren gut tut. Den Kopf mache ich mir durch Bewegung frei. Ich schlafe nicht mehr als früher, halte auch keinen Mittagsschlaf.

Wie werden Sie die Heimspiele der Borussia sehen?

Bude Die Dauerkarten für die Ost-Tribüne sind schon bezahlt und liegen zu Hause.

Was werden Sie von den Aufgaben des Oberbürgermeisters am meisten vermissen?

Bude Ich habe spannende Menschen kennengelernt. Das war toll. Ich werde aber auch die Führungsaufgaben vermissen, weil ich immer sofort die Ergebnisse gespürt habe.

Was werden Sie am wenigsten vermissen?

Bude Ratssitzungen ab der sechsten Stunde.

Würden Sie sich einmal eine komplette Ratssitzung von der Besuchertribüne aus anhören, wenn man Ihnen dafür sehr viel Geld bieten würde?

Bude Nein, ich trete ja auch mein Ratsmandat nicht an. Ich halte nichts davon, irgendwann immer wieder auf die alten Zeiten zu verweisen.

RALF JÜNGERMANN, DIETER WEBER UND INGE SCHNETTLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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