Salafist aus Mönchengladbach „Nirgendwo wird man so schnell radikalisiert wie im Gefängnis“

Mönchengladbach · Eren R. war in der salafistischen Szene in Mönchengladbach und galt als Gefährder. Trotzdem konnte er als Sicherheitsmann bei der Tour de France arbeiten. Nun spricht er über seinen Ausstieg.

Ein paar Mal falsch abgebogen – so nennt es Eren R., wenn er über seinen bisherigen Lebensweg spricht. Der heute 25-Jährige erzählt, dass er bereits als 16-Jähriger mit der salafistischen Szene in Mönchengladbach rund um die Prediger Pierre Vogel und Sven Lau in Kontakt gekommen sei. Dass er sich radikalisierte habe und später als islamistischer Gefährder vom Staatsschutz beobachtet worden sei. Dass er wegen des Verdachts auf Vorbereitung eines Anschlags in U-Haft gekommen, aber wieder freigelassen worden sei, weil die Vorwürfe sich als falsch herausgestellt hätten.

Aber obwohl er in der salafistischen Szene war, sei es ihm gelungen, eine Stelle bei einem Sicherheitsdienst zu bekommen, sagt er. Demnach sollte er bei der Tour de France 2017, die auch durch Mönchengladbach führte, darauf aufpassen, dass sich niemand an den Begleitfahrzeugen zu schaffen macht. „Wenn ich das gemacht hätte, was man vermutete, nämlich Terroranschläge zu verüben, wäre hier die optimale Möglichkeit gewesen“, sagt der junge Mann. Aber damals habe er bereits den Entschluss gefasst, aus der salafistischen Szene auszusteigen.

Über all das spricht R. in diesen Tagen offen im ZDF. Der Terrorismus-Experte Elmar Theveßen hat eine Dokumentation über den ehemaligen Gefährder gedreht, die am Freitag ausgestrahlt wird.

Darin erzählt R. von seiner Kindheit und Jugend, die er zunächst im Heim und dann bei Pflegeeltern verbrachte, bis seine leibliche Mutter plötzlich wieder bei ihm auftauchte, als er 13 Jahre alt war. Rückblickend betrachtet er es als Fehler, zu seiner Mutter zurückgekehrt zu sein, die ihn als Kleinkind in ein Heim gab. So berichtete es R. am Dienstagabend in der Talksendung von Markus Lanz. Das sei eine falsche Entscheidung gewesen, er habe es nicht geschafft eine gute Beziehung zu seiner Mutter aufzubauen.

Bei den Salafisten habe er Zusammenhalt und Unterstützung gesucht, die er zu Hause nicht bekommen habe, sagt R. Wegen kleinkrimineller Delikte kam R. schließlich ins Jugendgefängnis in Iserlohn. Dort, sagt er, habe er sich wie in einer Jugendherberge gefühlt. Dort seien auch seine Kontakte zur islamistischen Szene aufgeflogen. Er hatte Briefkontakt zu einem islamistischen Prediger. Am Ende seines Aufenthalts im Jugendgefängnis hätte er wegen seines Fußball-Talents in ein Sportinternat gehen können. Doch seine Kontakte zur islamistischen Szene hätten diese Pläne zunichte gemacht.

Auch zum Islamisten Bernhard Falk, der ein islamistisches Gefangenen-Netzwerk gegründet hat und Gefangene in deutschen Gefängnissen besucht, hatte R. Kontakt. Ihn bezeichnet er beispielsweise als „den gefährlichsten Menschen“. „Nirgendwo radikalisiert man sich so schnell wie im Gefängnis“, sagt R.. Sein Aufenthalt in diversen JVAs, eine neunmonatige Isolationshaft hätten seinen Hass nur größer gemacht.

Schließlich hätten ihm Freunde aus dem Fußball und eine Frau die Augen geöffnet. Mit der Szene will er nun nichts mehr zu tun haben.

Die vollständige Doku läuft am Freitagabend um 20.15 Uhr auf ZDFinfo.

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