Mönchengladbach Neurologie ist eine Schlüsselmedizin

Mönchengladbach · Die Wissenschaft vom Nervensystem und seinen Erkrankungen hat in den vergangenen Jahrzehnten eine atemberaubende Entwicklung genommen. Das Altern der Gesellschaft stellt die Neurologie vor große Herausforderungen.

 Professor Carl-Albrecht Haensch ist Neurologe und Chefarzt an den Kliniken Maria Hilf.

Professor Carl-Albrecht Haensch ist Neurologe und Chefarzt an den Kliniken Maria Hilf.

Foto: Jana Bauch

„Kein anderer Bereich der Medizin hat in den vergangenen Jahrzehnten die Mortalität und Morbidität stärker reduzieren können als die Neurologie“, betont Professor Carl-Albrecht Haensch, Neurologe und Chefarzt an den Kliniken Maria Hilf. „Die Neurologie ist die Schlüsselmedizin des 21. Jahrhunderts.“ Die Neurologie, die Wissenschaft vom Nervensystem und seinen Erkrankungen, hat als konservatives Fach begonnen. Die Neurologen stellten Diagnosen, hatten aber keine therapeutischen Optionen. Das hat sich gründlich geändert. Dazu trägt die Entwicklung bildgebender Verfahren, aber auch die Einführung medikamentöser und interventioneller Therapien bei.

Die Behandlung des Schlaganfalls hat durch die Lysetherapie große Fortschritte gemacht: Das Gerinnsel im Gehirn, das zum Schlaganfall geführt hat, wird medikamentös wieder aufgelöst. Je schneller das passiert, desto geringer ist die Schädigung des Hirns. Mit der Thrombektomie steht den Neurologen eine weitere erfolgreiche Therapieform zur Verfügung. Hierbei wird das Gerinnsel mittels Katheter entfernt. Die Folge: Patienten, die mit einem Schlaganfall und beispielsweise einer halbseitigen Lähmung eingeliefert werden, können sich nach erfolgreicher Therapie wieder normal bewegen.

Auch bei der Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose wurde viel erreicht. „Vor dreißig Jahren sind die Patienten  oft an Urosepsis gestorben“, erklärt Professor Haensch. Heute verfügt die Medizin über hochwirksame Substanzen, die verhindern, dass sich Bakterien entwickeln, die von den Harnwegen in die Blutbahn übergehen und zu einer Blutvergiftung führen. Die spinale Muskelatrophie ist inzwischen heilbar und Migräne, die viele Betroffene tage- und wochenlang arbeitsunfähig macht, lässt sich heute mit Medikamenten behandeln, die die Schmerzrezeptoren beeinflussen und Dauer und Häufigkeit der Anfälle reduziert.

Die Geriatrie entwickelt sich zu einem Bereich, der in der Neurologie eine zunehmend größere Rolle spielt. „2050 werden in Deutschland mehr als 50 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre sein“, stellt Haensch fest. Das ist für die Gesellschaft, aber auch für die Neurologie eine große Herausforderung. „Ein Großteil der Erkrankungen in höherem Lebensalter ist neurologischer Natur“, weiß der Chefarzt. Dazu gehört natürlich die von vielen gefürchtete Demenz. „Es werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um Therapien zu entwickeln“, sagt der Neurologe. Dazu sei es wichtig, frühe Phasen zu erkennen und die Krankheit durch bildgebende Verfahren sichtbar zu machen. Das ist bereits gelungen: die pathologischen Veränderungen in den Zellen können dargestellt werden. Auf dieser Basis lassen sich Medikamente entwickeln, die die Krankheit verzögern oder stoppen können. Durch ein besseres Verständnis der Krankheit ist eine Entwicklung möglich wie sie im Fall der Parkinson-Krankheit schon auf den Weg gebracht wurde. „Wir wissen heute, dass zum Beispiel Gewaltschläfer ein hohes Risiko haben, an Parkinson zu erkranken“, sagt Haensch. Sogenannte Gewaltschläfer schlagen im Schlaf um sich, die Bewegungshemmung während der Traumphase funktioniert bei ihnen nicht. Auch Riech- und Geschmacksstörungen können auf eine Frühphase von Parkinson hinweisen. Mit diesem Wissen lässt sich die Krankheit besser und früher behandeln.

Die Neurologie ist eine Wissenschaft, die  in viele andere medizinische Bereiche hineinwirkt. „Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wichtig für eine erfolgreiche Behandlung“, sagt Haensch und verweist besonders auf die Zusammenarbeit in der Schlafmedizin oder der Schmerztherapie. Das macht das Fach auch für junge Mediziner so spannend. Die Zahl der Neurologen steigt beständig. Gab es vor 20 Jahren  bundesweit noch 1500 von ihnen, sind es inzwischen 7000.

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