Mettmann Politik öffnet Johannes-Flintrop-Straße

Mettmann · Nach intensiver Diskussion entschied sich die Mehrheit außerdem für eine Bürger-Werkstatt zum Thema Verkehr.

 Blick auf die Johannes-Flintrop-Straße vor ihrer Umgestaltung. Ihre Sperrung soll nun wieder aufgehoben und versuchsweise ein „verkehrsberuhigter Bereich“ eingerichtet werden.

Blick auf die Johannes-Flintrop-Straße vor ihrer Umgestaltung. Ihre Sperrung soll nun wieder aufgehoben und versuchsweise ein „verkehrsberuhigter Bereich“ eingerichtet werden.

Foto: Janicki, Dietrich (jd-)

Der Verkehrsausschuss hat am Mittwochabend gegen die Stimmen von FDP, Grünen und Linken mit großer Mehrheit beschlossen, die Johannes-Flintrop-Straße zunächst probeweise für ein halbes Jahr wieder für den Verkehr zu öffnen.

Damit folgte er einem Antrag der SPD, die damit auf die andauernden Proteste unter anderem der Bürgerinitiativen reagierte. Der eindringliche Appell von Baudezernent Kurt Werner Geschorec verhallte ungehört, der ein „sehr großes Verkehrschaos“ befürchtet und in dem Beschluss „eine Abkehr von allen Überlegungen“ sieht, „die wir bisher getroffen haben“.

Geschorec weiter: „Bei einer Öffnung der Flintrop-Straße haben wir kein Instrument, den Verkehr zu begrenzen“, da Ampelanlagen, die auch dem Schutz der Fußgänger dienten, fehlen. Geschorec glaubt auch, dass Busse künftig im Stau stecken bleiben. Würde der Versuch wieder abgebrochen, hätten sich die Autofahrer an die Durchfahrtsregelung gewöhnt, und bis eine mögliche erneute Sperrung der Flintrop-Straße im Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer lande, „dauert es sehr, sehr lange“, warnte er.

Die so genannte Netztrennung in Mettmann, die zu einer Verkehrsberuhigung und damit Attraktivierung der Innenstadt führen sollte, erregt seit Monaten die Gemüter. Der Einzelhandel beklagt, dass ihm die Kunden wegbleiben, und Bürger kritisieren, dass sich der Verkehr zu ihren Ungunsten auf andere Straßen verlagert habe. Bürgerinitiativen gründeten und vereinigten sich, üben scharfe Kritik auch an dem kürzlich erstellten Gutachten, das Grundlage für Mettmanns Gesamtverkehrskonzept sein soll.

Zunächst reagierte die CDU, schlug Ende vergangenen Jahres einen „Shared Space“ für die Schwarzbachstraße vor, in dem Fußgänger und Autofahrer bei Schritttempo gleichberechtigt sein sollen. Unter anderem wegen fehlender baulicher Voraussetzungen scheiterte dieser Vorschlag. Die SPD unterbreitete nun, rund neun Monate später, einen Vorschlag zur Einrichtung eines „Verkehrsberuhigten Geschäftsbereichs“. Der Schritt von der eigenen zur Idee der Sozialdemokraten schien offenbar nicht weit zu sein, und so stimmten die Christdemokraten nach langer Diskussion und einer Sitzungspause deren Vorschlag zu.

„Jeder Lösung, die sich anbietet, um die größtmögliche Schnittmenge der Bürger zu erreichen, werden wir zustimmen. Alles ist uns recht, was zu einer Lösung beiträgt“, sagte Ute Stöcker (CDU) unter dem Applaus der Zuhörer. Die Liberalen stemmten sich vergeblich gegen den Beschluss. „Politik muss berechenbar sein, wir machen uns beim Bürger lächerlich“, kommentierte FDP-Fraktionschef Klaus Müller die aus seiner Sicht erfolgende „Rolle rückwärts“. Und die Grünen kündigten an: „Wir werden den Beschluss nicht mittragen. Wir sind sehr zufrieden mit der verkehrsberuhigten Innenstadt.“ Wann und wie genau die Öffnung der Johannes-Flintrop-Straße erfolgen wird, steht noch nicht fest.

Ebenfalls intensiv diskutierte der Ausschuss den Verkehrsentwicklungsplan und das dazugehörige Gutachten. Dank einer Sitzungsunterbrechung erhielten Ulrich Goergens von den Bürgerinitiativen und Michael Niklas, Verkehrspolitischer Sprecher des ADFC, Gelegenheit zur Stellungnahme. Ihr Urteil war vernichtend: „Mein Vertrauen in den Abschlussbericht ist komplett zerstört“, sagte Görgens, nachdem er seine Bedenken differenziert ausgeführt und auf widersprüchliche Zahlen hingewiesen hatte. Niklas drang darauf, „konkrete, messbare Ziele für den Radverkehr“ in das Konzept aufzunehmen, „dann sind wir in acht Jahren da, wo andere Städte heute schon sind.“

Niklas weiter: „Wir haben im gesamten Verkehrsentwicklungsplan das Wort ,Radverkehrskonzept’ nirgends gefunden“ Von einer sicheren und attraktiven Situation für Radfahrer könne in Mettmann jedoch nicht die Rede sein. Der Radverkehr müsse deutlich gestärkt werden. Während andere Städte vergleichbarer Größe einen Radverkehrsanteil von zehn bis zwölf Prozent aufweisen, seien es in Mettmann lediglich zwei bis drei Prozent. Eine konkrete Zielsetzung, den Radverkehr zu stärken, wie es sie in Ratingen längst gebe, „das fehlt hier“, sagte Niklas.

Gutachter Michael M. Baier verteidigte das Konzept. „Es war genau das, was sie wollten“, sagte er sichtlich erregt ob der geharnischten Kritik. „Die Verkehrsmengen werden nicht geringer, wenn sie keine weiteren Maßnahmen ergreifen“, betonte er. Nicht der Durchgangsverkehr sei das Problem in Mettmann, sondern der Autofahrer, der von der Peripherie in die Innenstadt will – für Wegstrecken, die gut auch mit dem Rad oder zu Fuß zu bewältigen seien. „Tun sie was für den Radverkehr und ziehen sie das durch“, riet Baier den Politikern.

Dass das Gutachten keine Maßnahmen priorisiere, wie von Ute Stöcker (CDU), bemängelt, liege in der Natur der Dinge, denn das sei nicht Aufgabe des Gutachters, sondern der Politik: „Die Ziele muss die Politik formulieren, aber sie müssen auch den politischen Willen dazu haben“, sagte Baier. Dass die Osttangente als Umgehungsstrecke nicht funktioniere, liege daran, dass sie mit zwei Kreisverkehren geplant wurde. Baier riet stattdessen zu Ampelanlagen, „dann fahren die Leute auch auf die Osttangente“.

Es dauerte einige Sekunden, bis die Ausschussmitglieder ob dieses Gewitters wieder zu ihrer gewohnten Fassung zurück fanden. Ute Stöcker kritisierte, sie hätte sich „einen Fahrplan“ gewünscht, der nach und nach abzuarbeiten wäre. „Eine Priorisierung fehlt. Was sollen wir zuerst angehen, um die Probleme zu lösen?“

Nach einem Schwenk über die Problemstellen in Mettmann – beispielsweise die Kreuzung in Höhe der Kreispolizeibehörde oder die Verbindung von der Peckhauser Straße zur L239 – diskutierten die Fraktionen über das ebenfalls von der SPD vorgeschlagene Werkstatt-Verfahren, bei dem die Bürger in Workshops am Verkehrskonzept mitwirken sollen. Stöcker sah darin Vorteile: „Wenn Menschen das Gefühl haben in unserer Stadt, dass wir sie überhaupt nicht mitnehmen“, dann sei dies inakzeptabel. „Das können wir nicht einfach so laufen lassen.“ Zugleich gebe es von den Bürgern „durchaus gute Hinweise und Vorschläge“, die berücksichtigt werden sollten. Hans-Günther Kampen (UBWG) gab hingegen zu bedenken: „Wenn wir hier keine Einigung herstellen können, wie soll es erst der Bürger können? Wir sagen mit diesem Beschluss, der Bürger soll’s richten.“

Letztlich einigte sich der Ausschuss darauf, ein Beteiligungsverfahren der Bürger in Form eines moderierten Werkstattverfahren durchzuführen, bei dem ein Beirat mit Mitgliedern aus Politik und Verwaltung gebildet wird und es externe Moderatoren gibt. Das Verfahren soll bis zum Sommer 2020 abgeschlossen sein, um es nicht in den Kommunalwahlkampf hinein zu ziehen. Noch im November dieses Jahres will die Politik daher die weitere Vorgehensweise erschließen. Bis dahin soll die Verwaltung ergründen, ob es Fördermöglichkeiten für das Verfahren gibt. Bei drei Enthaltungen der Grünen stimmte der Ausschuss diesem Anliegen einstimmig zu.

Beschlossen wurde auch bei zwei Enthaltungen der FDP, eine von der SPD beantragte Lkw-Verkehrszählung durchzuführen, bei der erfasst werden soll, ob die nun auch für Landstraßen erhobene Lkw-Maut zu einem Ausweichverkehr auf innerstädtische Straßen führt.

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