Leverkusen Fettsucht entwickelt sich zur Volkskrankheit

Leverkusen · In Deutschland sind ein Viertel der Erwachsenen und über sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen stark übergewichtig – Tendenz steigend. Adipositas wird zur Volkskrankheit. Im Klinikum findet dazu am 22. März ein Info-Tag statt.

 Gemeinsam gegen Übergewicht in Leverkusen: Im Klinikum findet dazu am 22. März ein Info-Tag statt

Gemeinsam gegen Übergewicht in Leverkusen: Im Klinikum findet dazu am 22. März ein Info-Tag statt

Foto: ralph Matzerath

In Deutschland sind ein Viertel der Erwachsenen und über sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen stark übergewichtig — Tendenz steigend. Adipositas wird zur Volkskrankheit. Im Klinikum findet dazu am 22. März ein Info-Tag statt.

Rote Pumps zum engen schwarzen Kleid, davon träumte Tünül Yenisonak schon immer. Jetzt kann sie beides tragen, seit sie 84 Kilogramm abgenommen hat und statt Kleidergröße 60 das Normalmaß 42 tragen kann. "Nie wieder Oma-Schuhe!", sagt sie glücklich. Vor gut einem Jahr unterzog sie sich einer Schlauchmagen-Operation, stellte konsequent den Speiseplan um und begann, Sport zu treiben. "Ich lebe", sagt die 36-jährige Mutter von vier Kindern und bedankt sich einmal mehr bei Dr. Angelika Alfes, Oberärztin für Visceralchirurgie im Klinikum Leverkusen. Die habe ihr zu einem neuen Lebensgefühl verholfen, nachdem sich nicht mehr alle Augen auf sie richten, wenn sie den Raum betritt: "Mein größter Wunsch war, nicht mehr aufzufallen, ich wollte einfach eine von vielen sein."

So gut wie bei Tünül Yenisonak und der 50-jährigen Jessica Pütz, die eine ähnliche Geschichte hinter sich hat, gehen die operativen Eingriffe am Magen leider nicht immer aus, dämpft Klinik-Direktor Prof. Dr. Karl-Heinz Vestweber die Euphorie ein wenig. Die Operation sei mit Risiken verbunden, viele Patienten bekommen trotz Magenband oder Magenbypass nicht die Kurve und nehmen erneut zu. Die metabolische Adipositas-Chirurgie sei deswegen nur die letzte Option. Besser frühzeitig vorbeugen, denn Adipositas beginnt häufig schon im Kindesalter. Die Rate hat sich seit 1995 verdoppelt, bei Jugendlichen ab 14 Jahren sogar verdreifacht. Auf Leverkusen heruntergerechnet bedeutet das: 270 Kinder und mehr als 1600 Jugendliche sind zu dick.

Doch Kinder haben einen Vorteil, da reicht es schon, das Gewicht zu halten, während sie gleichzeitig wachsen, sagt Dr. Daniela Stößel. Die Fachärztin der Kinderklinik betreut das Therapiekonzept "Kugelblitz", das Bewegungstraining mit Ernährungslehre und Verhaltenstraining kombiniert. In zwei Gruppen nehmen jeweils 15 stark übergewichtige Kinder und Jugendliche daran teil. Marcel Heppner ist einer von ihnen. Der 13-Jährige hat einen tüchtigen Schuss getan, ohne zuzunehmen, seine Bodymaß-Index-Kurve ist steil nach unten gegangen. Er kann sich viel besser bewegen und hat auf einmal Spaß am Sport, während er früher immer als einer der Letzten übrigblieb, wenn in der Schule Mannschaften gewählt wurden.

Tünül Yenisonak kennt das nur zu gut. "Ich weiß, wie Kinder leiden, wie sie gemobbt werden", sagt sie aus eigener Erfahrung. Deswegen ist das Verhaltenstraining auch wichtiger Bestandteil des "Kugelblitz"-Konzepts. Die Persönlichkeit der Kinder soll dabei gestärkt werden, und sie lernen, sich in entsprechenden Situationen zu wehren, beziehungsweise für andere Partei zu ergreifen, wenn sie gemobbt werden. Marcel habe durch die Therapie nicht nur eine normale Figur bekommen, sondern auch an Selbstvertrauen gewonnen, stellt seine Mutter Claudia Heppner fest. Und er ist stark geworden, so stark, dass er statt Currywurst/Pommes den Salatteller wählt. Wie Kinder und Jugendliche bekommen auch Erwachsene Aufwind in der Gemeinschaft, dazu gibt es die Adipositas-Selbsthilfegruppe am Klinikum.

(mkl)
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