Monheim Tagesmütter unter Druck

Monheim · Das Jugendamt der Stadt hat versucht, einige widerspenstige Tagesmütter zu einer Unterschrift unter die neuen Richtlinien zu zwingen. Es drohte mit dem Entzug der Pflegeerlaubnis. Das ist aber gesetzwidrig.

 Bärbel Hölzer (2.v.l.) betreut derzeit fünf Kinder, sie wird dabei von Tochter Gloria (r.) unterstützt. Die Gründerin der Bürgerinitiative gegen die CO-Pipeline ist gelernte Erzieherin.

Bärbel Hölzer (2.v.l.) betreut derzeit fünf Kinder, sie wird dabei von Tochter Gloria (r.) unterstützt. Die Gründerin der Bürgerinitiative gegen die CO-Pipeline ist gelernte Erzieherin.

Foto: Matzerath

Wenn Tagesmütter massiv unter Druck gesetzt werden, wenn die aufmüpfigen unter ihnen keine Kinder mehr vermittelt bekommen, wenn die Richtlinien zur Tagespflege gegen geltendes Recht verstoßen, dann ist etwas faul in der "Hauptstadt des Kindes".

Zum 1. Januar 2012 hatte die Stadt diese Richtlinien geändert, wobei sie aber die Unterzeichnung dieser schriftlichen Vereinbarung zur Voraussetzung für eine Pflegeerlaubnis und die Zahlung von Zuschüssen erklärte. Drei der derzeit 30 in Monheim aktiven Tagesmütter weigerten sich, diese zu unterzeichnen.

Als nach dem Gesetz selbstständig tätige Personen sind sie der Ansicht, zusätzlich zu den vier Euro, die sie pro Kind und Stunde von der Stadt erhalten, von den Eltern ein, zwei Euro mehr verlangen zu können. In einer Infoveranstaltung im Herbst 2011 habe Fachbereichsleiterin Annette Berg etlichen der Tagesmütter vorgeworfen insgesamt "zu viel Geld zu verdienen — mehr als die gelernten Erzieherinnen," schreibt Bärbel Hölzer.

Unzulässiger Eingriff

Außerdem störten sich die drei Frauen an dem Passus, dass sie ihre Verträge mit den Eltern offenlegen müssten. Auch andere Bestimmungen empfanden sie als unzulässigen Eingriff in ihr Recht zur freien Vertragsgestaltung. Offenbar mit Recht. Die Erteilung einer Pflegeerlaubnis könne nicht einfach an die Unterschrift unter eine Vereinbarung gekoppelt werden, stellt der Deutsche Kindertagespflegeverein in einer Stellungnahme fest.

Die dabei anzuwendenden Kriterien, also die der persönlichen Eignung, regle SGB VIII § 43. Der Passus über die 20 Tage bezahlten Urlaub lese sich so, als sei eine Schließung über diesen Zeitpunkt hinaus nicht zulässig. Ferner stellt der Verband klar, dass es Sache des Jugendamtes sei, im Krankheitsfall oder zur Urlaubszeit für Ersatz zu sorgen und nicht die der Tagesmütter.

"Das Jugendamt setzt sich einfach über die Vorschriften hinweg", sagt Susanne Leidig, eine der "Rebellinnen". Das Problem sei, dass die meisten Tagesmütter massiv eingeschüchtert seien und sich fügten —aus Angst, keine Kinder vermittelt zu bekommen.

Nicht rückwirkend

Abschreckende Beispiele gibt es genügend: Michaela Malini wagte es im Januar 2011 darauf hinzuweisen, dass der monatliche Pauschalbeitrag der Stadt zur Alterssicherung von 39 Euro gesetzeswidrig sei, seit 1.1.2009 müssen sich die Kommunen hälftig daran beteiligen. Das wurde zwar zum 1.1. 2012 geändert, aber nicht rückwirkend. "Frau Berg sagte bei der Versammlung, es werde nicht nachgezahlt, die Stadt habe kein Geld", erinnert sich Malini. Die Baumbergerin beklagt, dass ihr das Jugendamt kein Kind vermittelt. "Man lässt uns am ausgestreckten Arm verhungern." Einen Anspruch auf Zuweisung gebe es nicht, sagt dagegen Daniel Zimmermann.

Auch Bärbel Hölzer, die derzeit fünf Kinder betreut, muss sich ihre Kunden durch Mund-zu-Mund-Propaganda beschaffen. Zuletzt habe ihr das Jugendamt 2009 zwei Kinder vermittelt. Die gelernte Erzieherin, die seit 2008 als Tagesmutter arbeitet, fühlte sich zuletzt massiv unter Druck gesetzt. Im Mai wurde ihr bis 30. Mai eine Frist gesetzt, die Vereinbarung zu unterschreiben. Ihre Eltern erhielten ein Schreiben des Jugendamtes, wonach die Tagespflegeplätze ab dem 1. Juni nicht mehr öffentlich bezuschusst würden. Dies wurde mit Schreiben vom 1. Juni zurückgenommen.

Am 19. Juni erhielt sie einen Kontrollbesuch, bei dem mehrere Mängel festgestellt wurden, wie ein ungesicherter Herd, fehlende Rauchmelder und eine defekte Schaukel im Garten. Auch der Haushund erregte Anstoß. Bis zum 20. Juli wurde ihr eine Frist eingeräumt, die Mängel abzustellen — andernfalls würde ihre Pflegeerlaubnis widerrufen. In ihrer Not wandte sie sich an den Rat der Stadt. In einigen Punkten erhielt sie Recht. Die Fachbereichsleiterin war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

(RP/rl)
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