Monheim Neues zur jüdischen Geschichte

Monheim · Wie Autor Karl-Heinz Hennen ermittelte, überlebte nur eine Monheimer Jüdin den Holocaust.

 Karl Heinz Hennen (71) recherchierte über jüdisches Leben in Monheim. Sein Buch in deutscher und englischer Sprache liegt jetzt vor.

Karl Heinz Hennen (71) recherchierte über jüdisches Leben in Monheim. Sein Buch in deutscher und englischer Sprache liegt jetzt vor.

Foto: Matzerath

Groß war die jüdische Gemeinde in Monheim mit 30 Mitgliedern auch in ihrer Hoch-Zeit von 1850 bis 1890 nicht — doch zu Beginn des Dritten Reiches (1933) lebten nur noch 14 Menschen jüdischen Glaubens in der Stadt am Rhein. Sie verdienten ihr Geld als Metzger und Viehhändler oder betätigten sich als Kaufleute. Nach der Pogromnacht im November 1938 kasernierten die Nationalsozialisten 13 von ihnen im Haus Franz-Böhm-Straße 3 und enteigneten alle. "Diese Menschen verloren plötzlich ihre Rechte", sagt Karl-Heinz Hennen (71). Nach und nach wurden sie deportiert, getötet oder starben aus ungeklärten Umständen. Genaue Todesdaten und Ursachen sind in vielen Fällen nicht überliefert. Nur Helene Wagner, die mit einem Protestanten verheiratet war, blieb damals verschont. "Sie war die einzige Überlebende", sagt der ehemaliger Leiter der Volkshochschule. Er legt jetzt einen umfangreichen Band zur "Geschichte der Juden" vor. Bürgermeister Daniel Zimmermann lobte gestern vor Journalisten die "akribische und sorgfältige Ausarbeitung", die in englischer und deutscher Sprache erschienen ist. Anlässe sind der 75. Jahrestag der Pogromnacht (2013) und das 25-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft mit Tirat Carmel (Israel) in diesem Frühjahr. Die englische Übersetzung von Hellen Thompson solle Lesern aus der Partnerstadt die Lektüre erleichtern, sagt Zimmermann. Die Stadt hat den Druck und die Übersetzung der 800 Exemplare mit 25 000 Euro finanziert.

Und Karl-Heinz Hennen ist stolz darauf, dass er in seinem Buch falsche Daten korrigieren und neue Erkenntnisse öffentlich zugänglich machen kann. So werde im Internet beispielsweise bei Wikipedia und bei einigen älteren Darstellungen ohne Quellenangabe berichtet, der jüdische Friedhof an der Hasenstraße stamme aus dem 17. Jahrhundert. Tatsächlich hätten damals aber gar keine Menschen jüdischen Glaubens in Monheim gelebt, betont der 71-Jährige. 1844 sei der Friedhof eingeweiht worden. Zur selben Zeit entstand das jüdische Gebetshaus an der Grabenstraße 14/16. Bis 1890 sei es genutzt worden, hat Hennen in "Detektivarbeit" herausgefunden. Er beschäftigte sich dafür intensiv mit Katasterunterlagen. Dann stagnierte das Wachstum der kleinen Gemeinde, und man betete in der Langenfelder Synagoge. Der Autor fand auch heraus, dass beispielsweise der Stolperstein von Helena Herz (geboren 1887) korrigiert werden muss. Sie habe später den Nachnamen ihres Mannes Heinrich Schrank getragen und wurde 1941 in das Ghetto nach Lodz deportiert. 1942 kam sie ins Vernichtungslager Chelmno und wurde dort ermordet. Das genau Todesdatum ist nicht bekannt.

Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist außerdem die schleppende "Wiedergutmachung" nach dem Zweiten Weltkrieg. Zahlungen beispielsweise an die Familie Wagner, die ihr Geschäft aufgeben musste, seien erst nach dem Tod der Eheleute im Jahr 1962 erfolgt. Helene Wagner war außerdem von den Nationalsozialisten 18 Monate lang inhaftiert worden. Die konkrete Arbeit an seinem 400 seitigen Buch (inklusive Übersetzung) begann Hennen vor eindreiviertel Jahren. 2000 Stunden hat er für das Schreiben und die Recherche in den Monheimer und Leverkusener Stadtarchiven, der Bergischen Abteilung des Düsseldorfer Hauptstaatsarchivs sowie im Finanzamt gebraucht. Die Mitarbeiter dort hätten ihn sehr dabei unterstützt, die Eigentumsverhältnisse jüdischer Immobilien zu klären.

(RP)
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