Hochbegabte Schüler in Langenfeld Corona förderte schnelleres Lernen

Langenfeld · Langenfelds Hochbegabte profitierten während der Pandemie von der Schule zuhause: Sie konnten dort ihr persönliches Lerntempo selbst bestimmen.

Nicht jeder Hochbegabte wandelt auf den Spuren des Physikers Albert Einstein, manche aber schon.

Nicht jeder Hochbegabte wandelt auf den Spuren des Physikers Albert Einstein, manche aber schon.

Foto: dpa/Uncredited

Die Coronazeit und der damit einhergehende Unterricht zuhause hat vor allem einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen gefallen: den besonders begabten Kindern in Langenfeld. „Sie haben die Coronazeit genossen“, erklärt Robin Pflüger, der psychologische Leiter des Langenfelder Competence Center Begabtenförderung (CCB).

„Die Schüler schätzten vor allem die erhöhte Lerngeschwindigkeit sehr“, so Pflüger in der Rückschau. Allen Befürchtungen zum Trotz habe der häusliche Unterricht für die besonders Begabten wenig Nachteile gebracht. Sie seien gut aus der Coronazeit herausgekommen.

Dennoch gebe es heute Probleme: „Die haben mit der Rückkehr in den normalen Unterricht begonnen“, sagt Pflüger. „Der Lernfortschritt passt sich nun wieder dem normalen Leben in der Schule an. Das geht ‚unseren‘ Kindern und Jugendlichen inzwischen zu langsam.“ Das wirke sich auch im Umgang miteinander aus: „Der Ton in der Schule ist nach Corona rauher geworden.“

Um die Unterforderung abzufedern, hätten einige Kinder inzwischen eine Klasse übersprungen. „Die externe Beschulung in einem Internat kann in Ausnahmefällen sinnvoll sein“, bestätigte  Pflüger auf Nachfrage aus dem Schulausschuss. Allerdings vermittele die „normale“ Schule nicht nur Wissen, sondern auch soziale Kompetenzen, die besonders Begabte ebenfalls erlernen und beherrschen sollten. Das Wechseln von Klassen, ein Überspringen oder gar ein Internatsbesuch seien immer nur die letzten Mittel, um einen möglichen Leidensdruck oder Mobbing zu lösen.

Intern habe das CCB seine Projekte auch während der Coronazeit 2020/21 weitergeführt, so Pflüger gegenüber den Mitgliedern des Schulausschusses. Allerdings sei die Nachfrage nach Begleitung der Mädchen und Jungen durch das CCB von 69 Fällen im Jahr 2019 auf 49 im vergangenen Jahr gesunken.

Ein Grund seien die Zugangsbeschränkungen während der Pandemie gewesen. Die Anzahl der Kontaktsuche durch Eltern und Schule sank im vergangenen Jahr auf elf, die der Beratung auf sechs Fälle: den bislang tiefsten Stand seit der Gründung des CBS im Jahr 2010. Inzwischen hätten sich die Kontakte mehr als verdoppelt und die Anzahl der Erstberatung fast vervierfacht. In diesem Jahr sei die Anzahl der Betreuten auf 57 angestiegen.

Das Angebot des CCB Langenfeld richte sich ausschließlich an Langenfelder Bildungseinrichtungen sowie Eltern, Kinder und Jugendliche mit Wohnsitz in Langenfeld. Es sei ein kommunales Zentrum, um Begabte bereits früh zu fördern. Zielgruppe des CCB seien Kinder, Erzieher, Lehrer und Eltern. Die Arbeit bestehe aus einer individuellen Beratung, Diagnostik und Begleitung ebenso wie der Zusammenarbeit mit den Bildungsträgern (Schule, Kita), um dort Projekte zu verwirklichen. „Einmal im Jahr führen wir an der Prismaschule eine Talentförderdiagnostik durch“, erklärt Pflüger eines der Projekte. Ziel sei, die Schüler besser kennenzulernen.

Die Anzahl der Förderung der Begabten schwanke. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre habe das CCB 36 Kinder und Jugendliche begleitet.

Hochbegabung schlage sich nicht allein in einem Intelligenzquotienten (IQ) von über 130 nieder. „Der IQ ist ein Teilaspekt von Begabung und erfasst Naturwissenschaft, Mathe und Sprache“, erklärt Pflüger. Damit erfasse man aber nur zwei bis drei Prozent der Hochbegabten. „Wir gehen davon aus, dass aber zehn bis 15 Prozent aller Schüler über eine besondere Begabung verfügen.“

Diese seien auch nicht geschlechtsspezifisch. „Es gibt bei der Hochbegabung keine Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, wohl aber in der Betreuung. Dort liegt der Jungenanteil höher.“

Eine Hochbegabung sei ein komplexes System. Man könne sie unter dem Aspekt Leistung sehen und sich streng am IQ orientieren. Oder man versuche, auch alle anderen Potentiale zu erkennen, einen Ansatz, den die Langenfelder CCB verfolge. Damit werde das Spektrum erheblich erweitert, unter anderem durch Kunst und Musik.

Alle Kinder und Jugendliche zeichne es aus, dass sie ihr Potential dauerhaft besser ausschöpfen und nutzen als alle anderen. In der Regel durchlaufen die Hochbegabten die Schule mit den gleichen Problemen wie alle anderen Schüler auch, solange eine Hochbegabung nicht zum Dilemma wird.

„In Langenfeld reagieren alle Schulen frühzeitig und versuchen, den Unterricht auch für Hochbegabte interessant zu gestalten.“ Eine eher lobenswerte Ausnahme in der deutschen Schullandschaft. „Lehrer müssen eine Begabung anerkennen und fördern.“ Sie zu leugnen sei der falsche Weg – das gebe es außerhalb Langenfeld häufiger.

Auch die Tatsache, dass die Diagnostik, Beratung und gegebenfalls Betreuung kostenfrei für alle angeboten werde, sei nicht selbstverständlich. Gemeinsame Workshops mit Familien seien ebenfalls kostenfrei. Hochbegabung müsse natürlich in den Familien ausgehalten werden. „Wir raten Eltern, die Kinder entsprechend auszulasten.“ Das können, je nach Begabung, Sport oder die Angebote von Kunst- und Musikschulen sein. „Man soll generell allen Kindern die Chance geben, sich dort auszuprobieren.“

Dazu zähle ebenso, sich Zeit für alle Kinder zu nehmen und die Begabung auch innerhalb der Familie positiv betrachten. Ziel der Betreuung sei nicht nur das Erkennen der Hochbegabung, sondern auch das Lösen auftretender Probleme, die in den seltensten Fällen mit der Begabung zu tun habe.

Nicht jeder Hochbegabte sei ein Einstein. „Bisweilen helfen wir einigen Jugendlichen, das Lernen wieder zu lernen, um dann ein gutes Abitur hinzulegen.“ Danach ende die Arbeit des CCB. „Wir haben keinen Überblick, welchen Weg die gehen, die wir betreut haben“, sagt der Entwicklungspsychologe. Er empfinde das als nicht schlimm: „Das Ziel der Betreuung ist ja immer, die Betreuung überflüssig zu machen.“

Eva Intfeld vom CCB steht als Ansprechpartnerin für den ersten Kontakt zur Verfügung. Sie ist per E-Mail an cb@langenfeld.de sowie unter Telefon 02173 794-3311 erreichbar.

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