Langenfeld „Kinder haben ein Anrecht auf Freizeit“

Wippermann-Janda · Gymnasien kehren zu G9 zurück. Der Leiter des Konrad-Adenauer-Gymnasiums hofft auf mehr Lernzeit.

 Stephan Wippermann-Janda leitet das Konrad-Adenauer-Gymnasium in Langenfeld.

Stephan Wippermann-Janda leitet das Konrad-Adenauer-Gymnasium in Langenfeld.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Was gibt es für Sie momentan für G 9 organisatorisch zu regeln? Brauchen Sie voraussichtlich mehr Lehrkräfte?

Wippermann-Janda Wir beschäftigen uns vorgeblich mit der Stundentafel für die Klassen 5 und 6 (Erprobungsstufe) und mit der Frage der sogenannten Profilstunden. Diese bauen wir aber ausschließlich in den Vormittagsunterricht (bei uns für die Instrumentenklasse oder das Fach „soziales Lernen“) ein, da es ja der erklärte Elternwille war, dass die Kinder in den Stufen 5 bis 10 nicht mehr so einen stressigen Schulalltag haben sollen. Da noch nicht geklärt ist, ob man bei einer möglichen Zusatzstunde eine 7. Stunde anhängen darf oder ob man dann auch eine Mittagspause einlegen muss, ist noch ungeklärt. Von daher bleiben wir in Klasse 5 und 6 (beide dann neu G 9) bei 30 Stunden in der Woche, also von 8 bis 13.20 Uhr. Wir werden natürlich weiter das Angebot der kostenfreien Übermittagsbetreuung und der kostenlosen Hausaufgabenbetreuung von Montag bis Donnerstag aufrecht erhalten. Spannend ist auch die Frage im Moment für uns, ob wir den Klassenlehrerwechsel nach Klasse 6 und Klasse 8 machen, oder nur einmal nach Klasse 7. Sowohl die Raumfrage als auch die Frage nach der Anzahl der Lehrkräfte haben wir im Kopf, denn in dem Moment, wenn die erste Klasse in die Oberstufe kommt, werden wir weitere Räume und auch Fachräume benötigen. Auch die Zahl der Lehrkräfte wird nicht ausreichen. Wenn wir weiterhin eine Stufe 11 mit etwa 140 Schülern haben werden, dann brauchen wir sieben bis acht Lehrkräfte zusätzlich.

Ist es positiv zu bewerten, wenn die zweite Fremdsprache wieder erst in der 7. Klasse einsetzt, weil sich zum Beispiel das Erlernen der deutschen Grammatik wieder eher im Gleichschritt mit dem Erlernen der Fremdsprachen befindet?

Wippermann-Janda Die Sprachwahl ab der Klasse 7 (bei uns Französisch oder Latein, ab der Klasse 9 dann Spanisch) hilft vor allem dabei, die richtige Sprache zu lernen. Es ist einfach ein Jahr mehr Zeit, die Vorlieben der Kinder besser zu entdecken. Das war bei G 8 schwierig, weil ja bisher schon nach neun Monaten Schule die Wahl getroffen werden musste.

Sind die neuen Kernlehrpläne, die ab 1. August in Kraft treten, schon bekannt? Das heißt, können Sie schon beurteilen, ob derselbe Stoff nun wieder auf einen größeren Zeitrahmen ausgedehnt oder wieder neue Inhalte dazukommen?

Wippermann-Janda Die neuen Kernlehrpläne gehen meines Wissens nach gerade in die verschiedenen Verbände und sollen bis Ostern fertig sein, so dass wenig Zeit zum Umsetzen in die schulinternen Lehrpläne und zum Druck neuer Schulbücher bleibt. Aber ich bin ganz sicher, das schaffen wir gut, denn Ausdehnung der Schulzeit ist immer einfacher als Verkürzung. Ich bin aber ganz sicher, dass nicht einfach wieder die alten Pläne von vor G 8 übernommen werden. Zu viel ändert sich, gerade auch wenn man an die digitale Bildung, an die Stärkung der Wirtschaft und mittlerweile auch an die Profilbildung der einzelnen Schulen denkt.

Wie beurteilen Sie letzteres, dass etwa wirtschaftliche Bildung und Informatik mehr Gewicht bekommen sollen?

Wippermann-Janda Das mit den beiden fachlichen Zusatzinhalten kann ja sehr interessant und spannend werden, da wünsche ich den Bildungspolitikern mehr Mut und keine Zaghaftigkeit. In der Oberstufe haben wir hier am KAG sowieso schon seit langem Sozialwissenschaft/Wirtschaft. Und digitale Bildung ist ja schon seit Jahren in immer stärkerem Maße vertreten, gerade in einer Stadt wie Langenfeld, wo die Schulen ja auch hervorragend ausgestattet werden. Das ist uns ja auch schon länger im Sinne der Medienkonzepte durch das Land auferlegt, und das ist gut so!

Mal ehrlich: War es unter G8 eigentlich möglich, den vorgeschriebenen Stoff in der verfügbaren Zeit durchzunehmen? Finden Sie daher gut, wenn jetzt wieder mehr Zeit zur Vertiefung und Verfestigung des Wissens bleibt?

Wippermann-Janda Die Bildung unter G 8 hat sich auf die Ausbildung von Kompetenzen – also in Teilen zum eher exemplarischen Lernen – herausgebildet. Im Zuge der digitalen Medien (Facebook und Co) ist das Lesen und Schreiben schon lange nicht mehr unbedingt Kulturgut Nummer 1, da tritt das Lernen in Bildern und das schnelle Bewerten eher in den Vordergrund. Insofern fällt die Antwort auf Ihre Frage gemischt aus: In der Mittelstufe endlich mehr Zeit auch für Inhalte, an denen sich die Kompetenzen nun vielleicht trennschärfer herausstellen und vernetzbarer machen. Insofern wird Wissen mit Sicherheit verfestigt und abrufbarer werden, gleichzeitig werden aber auch die Fertigkeiten im Umgang mit der jeweiligen Fachausbildung wieder steigen.

Der Oberstufenunterricht ist ja von der Schulzeitverlängerung quantitativ gar nicht betroffen. Hier wird der ganz große Vorteil darin liegen, dass unsere Jugendlichen durch ihr Alter eine größere Lebenserfahrung und Reife haben, mit Inhalten umzugehen.

Kurzum: Bedeutet G 9 jetzt weniger Stress?

Wippermann-Janda Unter G 8 ist in einigen Fächern die Anpassung der Lehrpläne an die kürzere Schulzeit verpasst worden. Die Kinder und jungen Leute mussten leider viele schöne Tätigkeiten aufgeben, um das Pensum am Gymnasium zu schaffen, zumal der Anteil an NC-Studiengängen parallel ja rasant gestiegen ist. Der NC wird bleiben, wenn man weiterhin einen so hohen Prozentsatz eines Jahrgangs zum Abitur bringen möchte. Aber das Auslandsschuljahr, Sport, Musik, einfach auch das gemeinsame Treffen und vieles mehr kann nun endlich wieder im wahren Leben stattfinden. Das ist einfach bitter nötig und gut, dass dazu endlich wieder Zeit da ist. Auch die Wochenenden können mal wieder entspannter angegangen werden. Work-Life-Balance galt immer nur für die „Großen“, die „Kleinen“ kamen darin nicht vor, das wurde jetzt aber höchste Zeit.

Werden die Verlage jetzt neue Schulbücher herausgeben müssen?

: Schulbücher werden mit Sicherheit rechtzeitig kommen, da müssen Kommunen und Eltern ja Millionen aufbringen, das Geschäft wird sich kein Verlag entgehen lassen. Manchmal hat mich mein jährlicher Besuch in Schulbuchverlagen entsetzt, wie wenig innovativ für G 8 gearbeitet wurde. Teilweise ist Material über acht Jahre nicht überarbeitet worden. Ich nehme mal an, sämtliche Arbeitskraft wurde für die Zeit danach gebunden und alle stehen in den Startlöchern, da habe ich keinen Sorgen. Tut mir nur leid um das viele unnötig ausgegebene Geld.

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