Langenfeld/Monheim Flächendeckend Kurzarbeit

Düsseldorf · Die Wirtschaftskrise zwingt immer mehr Unternehmen, zu dem arbeitsmarktpolitischen Instrument zu greifen. Der Arbeitgeberverband Rhein-Wupper befürchtet eine Insolvenzwelle, falls die Durststrecke zu lange anhält.

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Foto: AP

Merkwürdig: Besonders in der Metall- und Elektro-Industrie fährt derzeit fast jedes Unternehmen Kurzarbeit — doch in die Öffentlichkeit will so gut wie keines damit. "Mit dem Thema sehen sich die Firmen lieber nicht verbunden", winkt Peter Wege, Sprecher der Arbeitsagentur Düsseldorf, ab, als er um Beispiele gebeten wird. Ebenso Andreas Tressin, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Rhein-Wupper: "Damit stehen unsere Mitglieder ungern im Fokus". Grund: Die Unternehmen wollen nicht riskieren, dass sich die Kredite, auf die sie derzeit mehr denn je angewiesen sind, verteuern, und vermeiden daher jede vermeintliche Negativbotschaft — und sei sie in der Wirtschaftskrise noch so normal.

Fünf Prozent weniger Gehalt

Aber es gibt auch Ausnahmen. Cognis etwa geht offen damit um, zu dem arbeitsmarktpolitischen Instrument gegriffen zu haben. "Sämtliche 2100 Mitarbeiter an unseren drei Standorten in Deutschland arbeiten, je nach Einkommen, zwei oder drei Tage weniger im Monat und haben dadurch Einbußen beim Netto-Gehalt von durchschnittlich etwa fünf Prozent", berichtet Susanne Sengel, Pressesprecherin des Spezialchemie-Anbieter, der in seiner Monheimer Zentrale rund 200 Beschäftigte zählt. Im Vergleich zu den Absatzzahlen, die in den vergangenen Monaten in dem spiegelverglasten Cognis-Bau im Rheinpark einliefen, erscheinen fünf Prozent noch moderat: Aufgrund der stark gesunkenen Nachfrage vor allem in der Industrie und im Baugewerbe nach zum Beispiel Farben und Lacken verzeichnete das Unternehmen in den ersten drei Monaten dieses Jahres einen Absatzeinbruch um 18 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2008. Immerhin: "Im März fiel der Rückgang schon deutlich geringer als in den Vormonaten aus, so dass wir das Absatzvolumen gegenüber dem vierten Quartal 2008 um fünf Prozent steigern konnten", frohlockt Sengel.

Für Cognis ist das möglicherweise schon das Licht am Ende des Tunnels. Für viele andere, Mittelständler zumal, sieht's hingegen finster aus. "Sollte die Durststrecke zu lange anhalten, dürfte eine riesige Insolvenzwelle auf uns zukommen", befürchtet Arbeitgeberverbands-Geschäftsführer Tressin. "Viele Unternehmen stecken in Liquiditäts-Engpässen, weil ihre Maschinen, in die sie investiert haben, nicht im entferntesten die Auslastung erreichen, die für einen rentablen Betrieb notwendig ist. Und zu viel totes Kapital kann für Unternehmen existenzgefährdend sein."

Die Vits-Gruppe, nach eigenen Angaben Weltmarktführer für Imprägnier- und andere Anlagen für die Druckindustrie, kann davon ein Lied singen. Gegen das Traditionsunternehmen vom Langenfelder Winkelsweg wurde vorige Woche ein Insolvenzverfahren eröffnet — nachdem es laut Geschäftsführer Werner Deuring acht Monate lang keinen größeren Auftrag mehr eingefahren hatte. Da half auch die bereits im Dezember eingeführte Kurzarbeit nicht weiter. Die inzwischen gegründete Nachfolgegesellschaft Vits Technology GmbH beschäftigt Deuring zufolge 60 Fachkräfte, überwiegend Ingenieure, Produkt- und Verfahrenstechniker — kaum mehr als ein Drittel derer, die noch Ende 2007 in dem 1928 in Düsseldorf gegründeten und seit 1956 in Langenfeld ansässigen Unternehmen tätig waren.

Während dutzende ehemalige Vits-Mitarbeiter auf der Straße stehen, hofft der Geschäftsführer, die Firma mit dem früheren Weltruf in der Branche zu retten und nach der Krise zu neuer Blüte zu führen: "Auf der Ligna, der Leitmesse für Holzwerkstoffe in Hannover, haben wir jetzt unter anderem einen größeren Auftrag erhalten — über die Lieferung einer Imprägnieranlage in den Iran".

Interview und Seite C 5

(RP)
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