Krefeld Manfred Lütz — Psychiater auf dem Steckenpferd

Krefeld · Der neue Steckenpferdritter der Prinzengarde, Manfred Lütz, erwies sich als würdiger Preisträger. Zusammen mit dem Bergischen Jung alias Willibert Pauels bescherte Lütz den Gästen im voll besetzten Seidenweberhaus einen besonderen Abend.

Psychiater, Theologe, gebürtiger Bonner, also linksrheinisch, dazu katholisch und promoviert: Die Prinzengarde hätte in Manfred Lütz kaum jemanden finden können, der bessere Voraussetzungen mitbringt, für karnevalistischen Froh- und Tiefsinn geehrt zu werden. Lütz, dem am Wochenende das XXII. Närrische Steckenpferd der Prinzengarde der Stadt Krefeld verliehen wurde, bedankte sich mit einem Vortrag, der zu den Höhepunkten des Abends gehörte: Er sei, sagte er von sich, als Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses "zuständig für den Irrsinn des Kölner Südens". Humor, daran erinnerte Lütz in jeder Sekunde, ist in Wahrheit immer ein Grenzgang am Rande des Wahnsinns und der Ewigkeit.

Piel nennt Lütz "Traum aller Jecken"

"Ein Traum aller Jecken" — so würdigte schon Monika Piel, Steckenpferd-Trägerin des Vorjahres, Manfred Lütz vor ausverkauftem Seidenweberhaus in ihrer Laudatio. Die WDR-Intendantin führte mit Feinsinn in Lütz' Denken ein: Der sei ein Intellektueller, der mit seinem Buch "Lebenslust" einen "Katechismus des entspannt-zügellosen Feierns" geschrieben habe und seit seinem Bestseller "Irre — wir behandeln die Falschen" durchdrungen sei von der Einsicht: "Nicht die Jecken sind jeck, sondern die, die sich nicht dafür halten."

Lütz fügte seiner so zusammengefassten kühnen Jeckentheorie eine weitere Facette hinzu: "Der Rheinländer ist im Grunde schüchtern." Sein Vortrag war ein Beleg, wie trefflich karnevalistisch inspirierte Rheinländer, sofern sie streng linksrheinisch sind, diese Schüchternheit zu überwinden in der Lage sind. Das fing mit seinem Manuskript an: Lütz sprach frei, sein Redekonzept waren ein paar hingekritzelte Notizen, die er auf der Fahrt vom Flughafen nach Krefeld probehalber zum Vortrag brachte. Sein erster Spott galt dem gewesenen Doktor Guttenberg, der sich bei der Ordensverleihung in Aachen von seinem Bruder hatte vertreten lassen — Lütz in Krefeld: "Ich muss Ihnen offen sagen: Ich bin nicht mein Bruder."

Unterschiede zwischen Krefeld und Köln

Die Causa Guttenberg zog sich wie ein roter Faden durch den Abend: Lütz fragte etwa den frischgebackenen Dr. Humoris Causa Gregor Kathstede, ob der schon mal einen Witz weitererzählt, also plagiiert habe — "noch können Sie ihren Titel zurückgeben." Da war klar: Der Verteidigungsminister hat dem Karneval mit seiner zusammengestohlenen Doktor-Arbeit ein Geschenk gemacht: sich selbst — als Witzfigur.

Lütz würdigte Krefeld als konsequent linksrheinisch, also jener Hälfte der Welt zugehörig, wo die Römer waren und die Kultur herkommen — im Unterschied zur rechtsrheinischen Hälfte, wo man Kultur nur aus dem Fernsehen kenne. Für Lütz war das der Grund, warum RTL in Köln von der links- auf die rechtsrheinische Seite umgezogen ist: "Die sind da einfach nicht klargekommen." Konsequent war Lütz' Hadern mit seiner Vaterstadt, ist Bonn doch mit Beuel rechtsrheinisch angekränkelt. Lütz betonte, er habe sich mit seinem Vorschlag, Bonn Frankreich zuzuschlagen, um Beuel loszuwerden, nicht durchgesetzt. Ein Dauerthema rheinischer Geografie ist auch der Westfale — Lütz: "Das ist für den Rheinländer der Ernstfall."

Lütz' Auftritt war umjubelt; der neue Ritter des Närrischen Steckenpferdes erwies sich als würdig. Der zweite Höhepunkt des Abends gehörte einem Überraschungsgast: Der Bergische Jung alias Diakon Willibert Pauels hatte zu Ehren seines Freundes Manfred Lütz seinen Terminkalender umgekrempelt, um einen Auftritt in Krefeld möglich zu machen. Er machte sich stilsicher milde über heikle Dinge lustig, auch über das Alter und seine Gebrechen — und über die Art, Heikles dem Humor entziehen zu wollen ("Man darf über Blasenschwäche keine Witze machen!"). Zum Schluss wurde er ernst, meinte, dass der Karneval Menschen zusammenführt — während alles Trennende dia-bolisch, teuflisch sei.

Der Kreis schloss sich: Der intellektuelle Jeck Lütz und der jecke Intellektuelle Pauels umarmten sich. Beide wurden mit Bravo-Rufen verabschiedet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort