Krefeld Finanzamt will Steuern von einer Toten

Krefeld · Zwei Jahre nach dem Tod einer 89-jährigen Krefelderin bekam die Tochter Post vom Finanzamt: Sie soll Steuererklärungen für fünf Jahre nachreichen. Der Bund der Steuerzahler kritisiert das Vorgehen.

Der Krefelder Friedhelm Altmann* will es nicht glauben: Seine Schwiegermutter ist seit 2010 tot, und jetzt bekam seine Frau Post vom Finanzamt an der Grenzstraße. Sie soll für die verstorbene 89-Jährige Steuererklärungen für die nicht verjährte Zeit von fünf Jahren nachreichen.

"Wie soll das gehen, alte Belege und Unterlagen aus dem Nachlass sind in die Müllverbrennung gewandert", berichtet Altmann. Steuermindernde Ausgaben kann er deshalb kaum nachweisen. Die Steuerschuld sei nicht unbeträchtlich, knapp fünfstellig, informiert er im RP-Gespräch.

Die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen, habe seine Frau nur theoretisch gehabt. Praktisch war ihr die Steuerschuld ihrer verstorbenen Mutter nicht bekannt, die Forderung der Behörde zum Zeitpunkt der Testamentseröffnung nicht offensichtlich. Friedhelm Altmann und seine Familie stehen mit dem Problem nicht allein da.

Nach Hochschätzungen des Finanzministeriums werden aktuell für die vergangenen Jahre etwa 100 000 steuerlich bislang nicht geführte Rentnerinnen und Rentner allein in Nordrhein-Westfalen angeschrieben.

Darüber, wie viele von ihnen inzwischen nicht mehr leben, machte das Düsseldorfer Ministerium keine Angaben. Das Vorgehen der Finanzämter stelle für die Betroffenen ein Riesenproblem dar, erklärte Hans-Ulrich Liebern vom Bund der Steuerzahler. "Die Finanzverwaltung stellt sich gerade selbst ein Armutszeugnis aus", sagt er. Das zugrund liegende Gesetz existiere bereits seit 2005.

Jetzt, sieben Jahr später, kämen die Finanzämter darauf, die Erben verstorbener Steuerpflichtiger anzuschreiben und von ihnen zu verlangen, Steuererklärungen für die toten Angehörigen abzugeben und die etwaige Steuerschuld mit Zinsen zu bezahlen. Das Vorgehen sei sogar rechtens, informierte Rechtsanwältin Katharina te Heesen vom Bund der Steuerzahler.

Mit dem Alterseinkünftegesetz entstand die Pflicht der Rentenversicherungsträger die Rentendaten ihrer Versicherten in so genannten Rentenbezugsmitteilungen zur Verfügung zu stellen. Seit dem Frühjahr 2010 stehen den Bearbeitern der einzelnen Finanzämter diese Rentenbezugsmitteilungen zur Auswertung zur Verfügung. Die Angaben wurden inzwischen mit den Steuererklärungen verglichen.

Dabei stellten die Finanzämter fest, dass rund 100.000 Bezieher von Ruhebezügen keine Steuererklärungen abgegeben hatten. "Am meisten stört mich die Art und Weise, wie das Finanzamt einen von oben herab behandelt — mit großem Desinteresse für die besondere Situation", schimpft Altmann. Unterstützung beim Versuch, private Zuzahlungen etwa beim Zahnersatz zu rekonstruieren, gebe es kaum.

Ohne Belege für steuermindernde Ausgaben muss Altmann wohl in den sauren Apfel beißen und womöglich ungerechtfertigt hohe Steuern zahlen. Katharina te Heesen hat für solche Fälle einen Tipp parat: Damit der Erbe nicht einen höheren Betrag zahlen müsse, als er von der Erblasserin bekommen habe, sollte er die so genannte Einrede der Dürftigkeit erheben.

Dies sei zeitlich nicht begrenzt und bedeute, dass der Erbe nur bis zu der Höhe für die Verpflichtungen der Erblasserin eintrete, wie er von ihr Vermögen geerbt habe. Ingrid Herden vom Finanzministerium NRW betont, dass die Finanzämter an rechtliche Vorgaben gebunden seien und so vorgehen müssten.

*Name von der Redaktion geändert

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