Serie Vergessene Krefelder Der Mann, der Uerdingens erstes Flugzeug baute

Krefeld · Hans Gustav Röhr konstruierte und baute mit 17 sein eigenes Flugzeug und wurde 1914 mit Sturzflügen über dem Marktplatz zur Attraktion.

Erstes von Röhr und Joseph Dauben gebautes Flugzeug.

Foto: Stadt

Immer wieder stoben im Sommer 1914 die Kirchgänger erschreckt auseinander, die sich nach dem Hochamt in der Uerdinger Stadtkirche St. Peter auf dem Vorplatz zu einem Schwätzchen versammelt hatten, wenn sich aus großer Höhe der 17-jährige Hans Gustav Röhr mit seinem selbstgebauten Eindecker-Flugzeug auf die Stadt niederstürzen ließ.

Der Röhr 8 vor den Pyramiden in Ägypten.

Foto: stadt

Röhr ging vor allem als Autobauer in die Technik-Geschichte ein — sein Name ist verbunden mit den Adlerwerken, er war technischer Direktor bei Daimler-Benz. Er war aber auch ein begnadeter Flugzeugkonstrukteur — viel Glück hat ihm diese Gabe aber nicht gebracht.

Auf die Idee, ein eigenes Flugzeug zu bauen, kam Röhr bei einem zweijährigen Praktikum bei den Rheinischen Aero-Werken in Düsseldorf. In einem Schuppen auf der gegenüberliegenden Rheinseite hat er dann aus Stahlrohren aus dem Uerdinger Bleiwalzwerk seines Vaters ein Fluggerät mit Tragflächen gebastelt, die anders als die üblichen Spannkonstruktionen ebenfalls durch Stahlrohre gehalten wurden. Neu war auch die geschlossene Kabine, die den Piloten vor der Witterung schützte.

Vater Gustav hatte jede finanzielle Unterstützung des gefährlichen Hobbys seines Sohnes abgelehnt. So musste Röhr Hilfe von Fremden annehmen, die die junge, noch völlig unorganisierte Fliegerei begeisterte. Sogar die Uerdinger Casino-Gesellschaft stiftete dem wagemutigen Pionier einige Fässer Benzin.

Röhrs Sturzflüge führten dazu, dass die "Ponte" genannte Fähre, die damals noch die Rheinbrücke ersetzte, an Röhrs Flugtagen immer überfüllt war. Die neugierigen Zeitgenossen wollten erleben, wie der junge Röhr seine fliegende Kiste aus dem gegenüber der Dammhauswirtschaft errichteten Flugzeugschuppen ziehen ließ und der Fünfzylinder-Sternmotor — aus Motorradzylindern selbst gebaut — von Hand angeworfen wurde.

Dann konnten sie sehen, wie sich die Maschine mühsam in die Luft erhob. "Uerdingen hat jetzt auch sein Flugzeug und seinen Flieger!", jubelte der "Uerdinger Anzeiger" im November 1913 nach dem Jungfernflug.

Als der Vater 1914 starb, folgten ihm seine vier Söhne in der Leitung des Werks. Für Hans Gustav war dies von Vorteil, er fand so die Zeit für sein Hobby. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 meldete er sich mit seinem Fluggerät zur Fliegertruppe.

Trotz seiner fortschrittlichen Bauweise fand Röhrs Flugzeug bei den Militärs keine Gnade. Die Maschine wurde nach Uerdingen zurückgeschickt. Röhr selber erzielte an der Front zwei Abschüsse.

In einem Luftkampf wurde er angeschossen und kam ins Lazarett. Wieder genesen, erhielt er vom Oberkommando des Heeres, dem die Flieger unterstellt waren, den Auftrag, einen 600 PS starken, 21-zylindrigen Sternmotor mit fünfstufigem Kompressor zu entwickeln.

In den Priamus-Automobilwerken sollte der Auftrag umgesetzt werden. Wegen der kriegsbedingten Knappheit an Material zog sich die Fertigstellung bis in den Herbst 1918 hin.

Als die Flugmotoren, die mit weniger als einem Kilogramm pro PS Weltspitze waren, Anfang November auf die Prüfstände kommen sollten, brach die deutsche Front zusammen.

Ein Angestellter verriet das Vorhandensein der fortschrittlichen Motoren an die französische Besatzungsmacht. Da entschloss sich Röhr schweren Herzens, die Motoren zu zerstören.

(oes)