Geschichte Weezer gedenken ermordeter Juden

Weeze · Pfadfinderinnen besuchten Stätten der Erinnerung an die vom NS-Regime verfolgten und getöteten Einwohner des Ortes. Mit dabei war auch eine Überlebende des KZ Theresienstadt: Edith Bader-Devries.

 Edith Bader-Devries (m.), Überlebende des KZ Theresienstadt, war beim Holocaust-Gedenktag in Weeze dabei.

Edith Bader-Devries (m.), Überlebende des KZ Theresienstadt, war beim Holocaust-Gedenktag in Weeze dabei.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Am 27. Januar 1945 befreiten russische Soldaten die Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz. Dieses Datum ist in Deutschland seit 1996 und international seit 2005 ein Gedenktag für die Opfer des Holocaust, des Völkermords des NS-Regimes an sechs Millionen Juden. In der Gemeinde Weeze findet dazu jährlich eine Gedenk-Veranstaltung statt. Unter den Teilnehmern sind jeweils Vertreter einer Jugendgruppe, in diesem Jahr waren es sechs Pfadfinderinnen der St.-Georgs-Pfadfinder Weeze-Kervenheim.

An der 2002 von Karl-Heinz Uppendahl gestalteten Gedenktafel für die ermordeten Weezer Juden trafen sie sich mit Bürgermeister Ulrich Francken und etwa 20 Interessierten. Mit dabei war die Überlebende des Konzentrationslagers Theresienstadt, die 83-jährige gebürtige Weezerin Edith Bader-Devries mit ihrer Familie.

„Menschen wie Edith können noch erzählen, wie es war. Wichtig ist, dass junge Menschen das hören und sich erzählen lassen. Es darf niemals wieder passieren, dass Menschen wegen ihrer Herkunft, Rasse oder bestimmter Gebrechen verfolgt und getötet werden“, sagte Bürgermeister Francken und legte einen Strauß gelber Rosen an der Gedenktafel an der Petrus-Canisius-Grundschule nieder.

Die Gruppe ging danach zu den drei Stellen in der Gemeinde, an denen 2009 der Künstler Günter Demnig Stolpersteine zur Erinnerung an die sechs Weezer Juden verlegt hatte, die dem Holocaust zum Opfer fielen. Edith Bader-Devries hatte sie alle gekannt und wusste etwas von ihnen zu erzählen.

Vier Stolpersteine an der Kevelaerer Straße erinnern an die Familie Koopmann, die 1942 zunächst nach Belgien geflohen war, dann gefasst, deportiert und in Auschwitz ermordet wurde. Die Pfadfinderinnen hatten für jeden Gedenkort einen Text vorbereitet, in dem sie das Leben und Sterben der jeweiligen Bürger beschrieben und ein Zitat eines Politikers hinzufügten. „Wir wollten eine gute Mischung aus Information und Stellungnahme finden“, so die Gruppenleiterin Sophie de Ryk. An der Koopmann-Gedenktafeln zitierten sie den israelischen Staatsmann und Nobelpreisträger Schimon Peres, der 2010 im Deutschen Bundestag sagte: „Die Jugend muss sich erinnern, darf nicht vergessen (…).“

Edith Devries erzählte auch von ihrem eigenen Schicksal, als sie zusammen mit ihren Eltern 1942 als Sechsjährige nach Theresienstadt kam. Dort musste sie neben toten Menschen schlafen, erleben, wie ihr Vater an Hungertyphus litt. Sie habe dort, sagte sie, ihre Kindheit verloren. Im Jahr 2008 veröffentlichte sie ihre Erinnerungen zusammen mit ihrer Tochter Ruth unter dem Titel „Nicht mit zu hassen, mit zu lieben bin ich da“. Sie sei dankbar für ihr Leben, ihre Familie und ihre Heimat Weeze, sagte sie. Sie wolle erzählen und sprechen für jene, die getötet wurden, damit es nicht vergessen werde und niemals wieder geschehe. Die Gruppe besuchte auch die Stolpersteine für Simon Hertz, den die Gewissheit, deportiert zu werden, in den Freitod getrieben hatte, sowie für Leonhard Koopmann, der im Alter von 80 Jahren im KZ Theresienstadt zu Tode kam. Pfarrer Gerhard Kasten von der neuapostolischen Gemeinde betete zusammen mit den Teilnehmern für die toten Opfer und Täter. Sie mögen Frieden und Versöhnung finden.

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