Kreis Viersen IHK: Die Wirtschaft muss sich einmischen

Kreis Viersen · Im Gespräch mit unserer Zeitung skizziert das Präsidium der IHK Mittlerer Niederrhein Herausforderungen für die regionale Wirtschaft und die Politik: verstärkte Ausbildung, offene Märkte, ausreichend Flächen und Energie, innovative Hochschule, lebendige Innenstädte.

 "Die Logistikbranche, häufig als Flächenfresser verschrien, ist ein Beschäftigungsmotor in der Region", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Fotos (5): IHK/A. Baum

"Die Logistikbranche, häufig als Flächenfresser verschrien, ist ein Beschäftigungsmotor in der Region", sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. Fotos (5): IHK/A. Baum

Foto: Andreas Baum

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein ist nicht irgendein Verband: Sie vertritt die Interessen von rund 80.000 Betrieben mit 410.000 Beschäftigten in der Region. "Wir haben drei große Aufgabenbereiche", charakterisiert IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz die Kammer, "Interessenvertretung gegenüber der Politik, Dienstleistung für die regionalen Unternehmen und Begleitung der dualen Ausbildung." Dabei steht den hauptamtlichen Mitarbeitern das ehrenamtlich arbeitende Präsidium zur Seite, dessen neun Mitglieder jetzt neu gewählt wurden.

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"Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut", sagt Elmar te Neues, seit Februar IHK-Präsident, sein Engagement für die Kammer. Deshalb sei es wichtig, sich einzumischen, um die Region voranzubringen. "Nordrhein-Westfalen hat großes Potenzial." Auch seine Präsidiumskollegen betonen die Verantwortung der Wirtschaft. "Es ist meine tiefe Überzeugung, dass es einer erfolgreichen Wirtschaft bedarf, um den Standort für die Menschen zu entwickeln", betont Hartmut Wnuck, Vorstandsvorsitzender der Stadtsparkasse Mönchengladbach. Und Stefan Dresely, Vizepräsident und Geschäftsführer des Chemieparkbetreibers Currenta, führt das Leitbild des "ehrbaren Kaufmanns" an.

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Felder, die die IHK zu bearbeiten hat, in denen sie sich einbringt, berät und unterstützt, gibt es viele. Den Bereich demographischer Wandel zum Beispiel. "Der Nachwuchs fehlt, und der Ausbildungsstand der Schulabgänger ist oft nicht ausreichend", benennt te Neues die Probleme. Auch die Akademisierung bereitet ihm Sorgen. "Es wird immer schwieriger, die Karrieremöglichkeiten zu vermitteln, die in der Ausbildung stecken. Dabei hat hier jeder seinen Marschallstab im Tornister", sagt der Präsident, Geschäftsführer der J. Finck GmbH & Co. KG, eines mittelständischen Familienunternehmens.

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Als Chancentod und Konjunkturbremse ordnet das IHK-Präsdium den absehbaren Mangel an Gewerbeflächen ein. "Gewerbe- und Industrieflächen müssen flexibel ausgewiesen werden", fordert Christoph Buchbender, Vize-Präsident aus Neuss und Chef der Rheinland Versicherungs Aktiengesellschaft. Er kritisiert die immer höheren Hürden, die von der Landesregierung errichtet würden. Nicht jede innerstädtische Brachfläche eigne sich außerdem für Gewerbeansiedlung. "Flächen werden an Hauptverkehrsachsen benötigt."

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Die Logistikbranche, von manchen als Flächenfresser kritisiert, lobt Hauptgeschäftsführer Steinmetz als Beschäftigungsmotor in der Region. Das habe sich insbesondere in Mönchengladbach gezeigt. "Wir haben eine gute Entwicklung und stark gestiegene Beschäftigungszahlen." Das sei unter anderem der Logistik zu verdanken, die auch Arbeitsplätze für geringer Qualifizierte zur Verfügung stelle. "Industrie und Logistik bedingen sich gegenseitig", betont Claus Schwenzer, Vize-Präsident und Chef der Effertz Tore GmbH aus Mönchengladbach. In einer Region, die vom weltweiten Export lebe, sei Logistik deshalb besonders wichtig.Die Internationalisierung ist ein weiterer Bereich, in dem sich die IHK engagiert und engagieren muss. "Dies gewinnt dramatisch an Bedeutung in einer Zeit, in der Nationalisten und Populisten wieder Grenzen errichten wollen", betont Erich Bröker von der Krefelder Jagenberg AG. "Gerade in unserer Region brauchen wir offene Märkte." Ziel sei ein weiterentwickelter Binnenmarkt mit zurückgebauter Administration. "Das bietet Chancen für regionale Firmen."

Als echtes Powerhaus charakterisiert sein Präsidiumskollege Dresely NRW. Das Land habe stets von der günstigen Energieversorgung durch die heimische Kohle profitiert. "Die Energiewende kam überraschend schnell, wir müssen den Übergang vernünftig managen." Kraftwerke würden gebraucht, solange es keine ausreichenden Möglichkeiten der Stromspeicherung gebe. "Alle sind sich über das Ziel einig, aber wir müssen aufpassen, den Wohlstand nicht zu gefährden." Joerg Dederichs, Geschäftsführer beim Multitechnologiekonzern 3M, liegt die Innovationskraft am Herzen. "Wir müssen unseren Vorsprung behalten und ausbauen." Wichtiger Hebel sei die Zusammenarbeit mit der Hochschule Niederrhein. Und das Netzwerken. "Innovationen entstehen an Schnittstellen und Brüchen", ist er überzeugt. Susanne Thywissen, Vizepräsidentin und selbstständig in der Unternehmenskommunikation, betont die Bedeutung von Hilfestellungen bei Unternehmensgründungen, aber auch bei der Nachfolge, einem Bereich, mit dem sich immer mehr Eigentümer auseinander setzen müssen. Rainer Höppner, Einzelhändler in Willich, sind die Attraktivierung und Belebung der Innenstädte besondere Anliegen. "Wir brauchen Erlebnisse in der Innenstadt, aber durch die Debatte um verkaufsoffenen Sonntage oder Hygieneampel werden Handel und Gastronomie schwer gebeutelt." Politiker neigten dazu, wegen einiger schwarzer Schafe die gesamte Wirtschaft zu treffen und bürokratische Hürden zu schaffen, bekräftigt Schwenzer.

(RP)
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